BRAK hält Ausgangssperre ohne Ausnahmen für „äußerst problematisch“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin will schärfere Regeln

Coronavirus

Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Ulrich Wessels, warnt vor einer Ausgangssperre ohne Ausnahmen. „Man muss sehr zurückhaltend sein mit einem generellen Verbot“, sagte Wessels der „Welt“. Da müsse „wirklich eine ganz besondere Ausnahmesituation vorliegen“. Er könne sich nicht vorstellen, „dass eine Ausgangssperre für alle ohne Ausnahmen getroffen wird“. Das halte er für „verfassungsrechtlich äußerst problematisch“, sagte Wessels.

Der Rechtsanwalt und Notar rechnet damit, dass die Bundesregierung im weiteren Verlauf der Coronakrise erneut über die Weitergabe von personenbezogenen Mobilfunkdaten zur Überwachung von Bewegungen nachdenken wird. Derzeit sei das zwar vom Tisch, aber er schließe nicht aus, „dass in einem Worst-Case-Szenario noch einmal über Maßnahmen wie die Handyüberwachung nachgedacht wird“. Als Bundesrechtsanwaltskammer werde man beobachten, ob die angedachten Maßnahmen verhältnismäßig sind, parlamentari  sch angeordnet und überwacht werden. Die Gerichte rief der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer auf, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. „Natürlich müssen auch Richter, Justizmitarbeiter und Mandanten geschützt werden. Aber wir müssen aufpassen, dass die Justiz durch das Herunterfahren nicht komplett auf Eis gelegt wird“, sagte er. Es gebe Verfahren, die müssten schnell entschieden werden. Er regte an, Verfahren verstärkt schriftlich oder per Video zu führen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin will schärfere Regeln

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), will die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus noch einmal verschärfen. „Ein Instrument ist, dass wir das Kontaktverbot Richtung Osterferien noch einmal uns anschauen müssen und in meinen Augen eher noch konkretisieren und verschärfen müssen“, sagte Schwesig am Sonntag in der Interview-Aufzeichnung für die ARD-Tagesthemen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Leute nicht in Deutschland hin und her reisen, und mit Blick auf Ostern sage ich ganz klar, müssen wir sogar noch mal schauen, ob unsere Regeln und Vorschriften reichen oder ob wir nachschärfen müssen.“ Es sei wichtig, dass jetzt „alle zuhause bleiben, und sich in ihrem Umfeld bewegen und nicht quer durch Deutschland reisen.“ Gleichwohl bedauerte sie die Einschränkungen für Urlauber in ihrem Bundesland: „Das trifft uns mitten ins Herz. Wir sind Tourismusland Nummer eins, und das ist schon eine wirklich harte Maßnahme, wirtschaftlich aber auch […] emotional, weil damit eine Erfolgsgeschichte der letzten dreißig Jahre jäh gestoppt wird.“ Die Gesundheit der Bevölkerung stehe aber über wirtschaftlichen Interessen. „So eine Nummer wie in Österreich, dass man erst Geld verdient und zu spät handelt, das geht nicht“, sagte Schwesig. Gleichzeitig sprach sie sich gegen eine Handyortung als Werkzeug im Kampf gegen die Corona-Pandemie aus. „Ich bin da skeptisch, weil es wirklich ein echt starker Eingriff ist und deshalb finde ich es auch gut, dass das erst einmal zurückgestellt worden ist. Wir haben noch andere Instrumente.“

Gesundheitspolitiker uneins über Exit-Strategie

In der Diskussion über eine mögliches Ende der Beschränkungen in der Coronakrise zugunsten der Wirtschaft sind sich die Gesundheitspolitiker der Bundestagsfraktionen uneinig. „Selbstverständlich kann Deutschlands Wirtschaft nicht über das nächste halbe Jahr brachliegen, das kann sich kein Staat leisten“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag, der „Welt“. Genau deshalb würde über eine Exit-Strategie nachgedacht. Diese müsse jedoch „sorgfältig durchdacht und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse“ geplant werden. „Allerdings ist der Einstieg in den Ausstieg jetzt noch deutlich zu früh.“ Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, hält dagegen bereits eine Diskussion über einen Stopp der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus für verfrüht. Jetzt sei nicht die Zeit für Debatten über Exit-Strategien. „Wir bündeln alle unsere Kräfte, um so viele Menschen  leben wie möglich zu schützen“, sagte Dittmar der „Welt“. Gesundheitliches Wohlergehen müsse immer an erster Stelle stehen, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus. Denn das sei „Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft“. Wichtig sei aber auch, „rechtzeitig eine Exit-Strategie-Debatte für die Zeit nach Ostern zu führen“. Beispielsweise sollten „flächendeckend“ Antikörper-Tests auf das Coronavirus durchgeführt werden, die feststellen, wie viele Menschen bereits Antikörper entwickelt haben. Es müsse „jetzt über einen schrittweisen und verantwortbaren Ausstieg aus der jetzigen Stillstandsstrategie nachgedacht werden“, sagte AfD-Gesundheitspolitiker Detlev Spangenberg der „Welt“. „Maßnahmen, die den Tod von Menschen billigend und leichtfertig in Kauf nehmen, darf es selbstverständlich nicht geben.“ +++