Bilanz der Zentralen Bußgeldstelle 2022

Mehr schwerwiegende Fälle durch Änderung des Bußgeldkatalogs

Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen am Regierungspräsidium (RP) Kassel hat im Jahr 2022 landesweit rund 1,27 Millionen Verkehrsanzeigen bearbeitet – rund 77.000 weniger als im Jahr zuvor. Aufgrund von Änderungen des Bußgeldkatalogs legte der Anteil schwerwiegender Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig deutlich zu. Das Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit ist nach wie vor der weit überwiegende Tatbestand.

In absoluten Zahlen betrachtet ging der Anzeigeneingang in der Zentralen Bußgeldstelle (ZBS) 2022 geringfügig zurück. Die Zahl sank um 76.506 Fälle bzw. rund 5,7 Prozent auf 1.269.489 Anzeigen. Das sei der niedrigste Anzeigenstand der vergangenen fünf Jahre, teilte Regierungspräsident Mark Weinmeister bei der Vorstellung der Bußgeldbilanz in Kassel mit. „Dies bedeutet aber keinesfalls, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZBS im vergangenen Jahr weniger zu tun gehabt hätten – im Gegenteil. Denn mit der Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung im November 2021 werden viele Verkehrsordnungswidrigkeiten, die früher als geringfügig galten, nun als schwerwiegende Verstöße gewertet. Die Verschiebung aus dem Verwarnungs- in den Bußgeldbereich beträgt fast 20 Prozent. Und Bußgeldverfahren erfordern einen wesentlich höheren zeitlichen Bearbeitungsaufwand.“

„Die ZBS hat daher ihre Arbeitsprozesse bereits weitestgehend digitalisiert und führt diesen Prozess konsequent fort“, ergänzt der kommissarische Leiter der ZBS, Christian Herr. Dabei solle auch die übergreifende Zusammenarbeit mit den beteiligten Dienststellen (Kommunen, Polizei, Justiz, Vollstreckungsbehörden) noch effizienter gestaltet werden. „Ein Meilenstein in der Weiterentwicklung war die im März 2022 erfolgte Einführung der Version 4 des Fachprogrammes owi21. Damit wurden die Anforderungen an eine moderne, digitale Aktenführung umgesetzt. So können nun sämtliche Dokumente über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) versandt werden.“

Anzeigeneingang

Mit der am 09.11.2021 in Kraft getretenen Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung wurden insbesondere im ruhenden Verkehr die Sanktionen zum Schutz schwächerer Personen (z.B. Parken auf Geh- und Radwegen) sowie die Sanktionen im Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitung verschärft. Dementsprechend wurde eine Vielzahl von Tatbeständen aus dem Bereich der geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Verwarnungsgeld belegt waren, in den Bereich der schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße über 55 Euro (Bußgeldverfahren) angehoben. In der Konsequenz entfällt nun mehr als die Hälfte der Verkehrsverstöße (666.911, plus 220.451 ggü. dem Vorjahr) auf den schwerwiegenden Bereich. Im Gegenzug entfielen „nur“ noch 602.578 Anzeigen (minus 296.957) auf den geringfügigen Bereich.

Von den rund 1,27 Millionen Verkehrsanzeigen entfiel der weit überwiegende Anteil wieder auf den Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung: Rund drei Viertel aller verfolgten Verkehrsverstöße sind auf Geschwindigkeitsüberschreitungen zurückzuführen. Als zweitgrößter Posten folgen die Halt- und Parkverstöße mit rund 17 Prozent Anteil. Der Anteil der Verfahren aufgrund von Verkehrsunfällen belief sich auf 5,76 Prozent. Bei 1,35 Prozent lag der Anteil der HU-Verstöße, Handyverstöße lagen bei 1,10 Prozent und Rotlichtverstöße umfassten einen Anteil von 1,45 Prozent. Der Anteil aller anderen Verkehrsverstöße lag jeweils unter einem Prozent.

Von den betroffenen Personen waren

  • 1,03 Prozent zwischen 18 und 20,
  • 3,77 Prozent zwischen 21 und 24,

  • 14,00 Prozent zwischen 25 und 34,

  • 14,64 Prozent zwischen 35 und 44,

  • 14,65 Prozent zwischen 45 und 54,

  • 13,00 Prozent zwischen 55 und 64 und

  • 7,68 Prozent 65 Jahre und älter.

  • Bei 31,22 Prozent liegt keine Altersangabe vor.

Die Zahl der Alkohol- und Drogenverstöße belief sich auf insgesamt 3972. Von den Verfahren entfielen 47 auf Fahranfängerinnen/-anfänger, für die ein absolutes Alkoholverbot gilt. In 336 Fällen wurden verschärfte Sanktionen wegen wiederholten Fahrens unter Alkohol- und Drogeneinfluss verhängt.

Verfolgung und Vollstreckung

In 2022 erließen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der ZBS 493.743 Bußgeldbescheide (plus 48.636 ggü. dem Vorjahr), davon 26.102 mit Fahrverbot. 10.339 Bußgeldbescheide betrafen Halt- und Parkverstöße, 75.511 andere geringfügige Verstöße. In Verfahren wegen Halt- und Parkverstößen wurden 93.547 Kostenbescheide gemäß § 25a StVG erlassen, weil die Fahrzeugführerin / der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden konnte. In 26.895 Fällen (5,4 Prozent) wurden die Verfahrensakten aufgrund eines Einspruchs an die Justiz abgegeben. Die Vollstreckung von Geldforderungen wurde in 63.003 Fällen eingeleitet. 31.689 Führerscheine wurden von der ZBS entgegengenommen und zwischen einem und drei Monaten sicher verwahrt. In 1.547 Fällen musste die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet werden, um die Betroffenen zur Abgabe ihres Führerscheins zu bewegen.

Im Ausland wohnende Verkehrsteilnehmende, denen in Hessen Geschwindigkeitsüberschreitungen und andere schwerwiegende Verstöße vorgeworfen werden, erhalten ein Informationsschreiben gemäß § 27 StVG. Die/der ausländische Halter/-in wird mit dem Informationsschreiben über die festgestellte Ordnungswidrigkeit in der jeweiligen Landessprache informiert und es erfolgt das Angebot – ähnlich einer Verwarnung –, die auf sie zukommende Geldbuße bereits vorab zu zahlen. Es wurden insgesamt 164.572 Informationsschreiben von der ZBS versandt. Die Zahl der beteiligten Länder liegt aktuell bei 27. Den größten ausländischen Anteil an Verkehrsverstößen in Hessen haben weiterhin die Länder Polen und Niederlande. Im Rahmen der EU-Richtlinie über die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsverstößen werden acht Deliktsarten geahndet, wobei Geschwindigkeitsüberschreitungen mit 92,8 Prozent vertreten sind. Die weiteren Delikte betreffen unter anderem Rotlichtverstöße, unbefugte Fahrstreifenbenutzung, Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes und Handy-Verstöße.

Abgeschlossene Verfahren

Im Jahr 2022 schloss die ZBS 1.392.963 Verfahren ab (1.375.075 in 2021). 70,23 Prozent der Betroffenen (978.312 Fälle) zahlten die ihnen auferlegten Geldbeträge, davon

  • in 339.435 Fällen nach schriftlicher Verwarnung,
  • in 454.426 Fällen nach Erlass des Bußgeldbescheids,

  • in 51.644 Fällen nach Mahnung,

  • in 21.672 Fällen nach Vollstreckung und

  • in 1.269 Fällen nach Einleitung des Erzwingungshaftverfahrens.

  • Kostenbescheide gemäß § 25a StVG gingen in 53.596 Fällen der Zahlung voraus. Die Zahlungsbereitschaft musste davon in 28.135 Fällen durch eine Mahnung und durch Vollstreckungsmaßnahmen geweckt werden. 262.925 Verfahren wurden 2022 eingestellt, weil die verantwortliche Person nicht festgestellt werden konnte.

    Einnahmen

    Aus den verfolgten Ordnungswidrigkeiten flossen 2022 88.622.081,00 Euro in den Landeshaushalt. Im Jahr 2021 beliefen sich die Einnahmen auf 66.325.026,06 Euro. Das Einnahmeplus beträgt damit rund 33,6 Prozent. „Dies ist ein neuer Rekordwert, sowohl was die Gesamtsumme als auch was den Anstieg gegenüber dem Vorjahr betrifft. Dies liegt maßgeblich in der bereits erwähnten Änderung der Bußgeldkatalogverordnung begründet“, so Mark Weinmeister, der hierzu nachdrücklich betonte: „Es geht bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht darum, die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse zu bitten und Haushaltslöcher zu stopfen. Vielmehr geht es um die Sicherheit der Menschen, die sich tagtäglich im Straßenverkehr bewegen. Das sind letztlich wir alle. Angesichts eines Gesamthaushalts von mehr als 30 Milliarden Euro in Hessen wirken sich die Einnahmen der ZBS immer noch vergleichsweise bescheiden aus“, so Mark Weinmeister. +++ pm