Beuth: „Intensive Ermittlungen, Schutz für Betroffene“

SPD: Beuth bleibt klare Antworten schuldig

Der Hessische Innenminister Peter Beuth

Nach Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt und weiteren Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder hat der Hessische Innenminister Peter Beuth die Mitglieder des Innenausschusses des Hessischen Landtags heute über die bisherigen Ermittlungen bezüglich der sogenannten „NSU 2.0“-Drohschreiben informiert und den Adressatinnen und Adressaten sein Mitgefühl ausgedrückt. „Die Drohungen und Einschüchterungen sind persönlich für die Bedrohten bedrückend und beängstigend. Diese Bedrohungen sind zugleich ein Angriff auf uns alle und unerträglich. Dass im Zusammenhang mit diesen Bedrohungen zusätzlich noch Datenabfragen in den polizeilichen Systemen erfolgt sein könnten, ist ungeheuerlich. Wir werden alles Erdenkliche tun, um den oder die Täter zu ermitteln und die Datenabfragen aufzuklären“, sagte Hessens Innneminister Peter Beuth.

Nach aktuellem Stand wurden laut den Erkenntnissen des Hessischen Landeskriminalamts 69 Drohschreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0“ versandt, die sich an 27 Personen und Institutionen in insgesamt acht Bundesländern richteten. Neun Personen wohnen in Hessen von denen fünf durch das Gefährdungsmanagement des Landeskriminalamts individuell betreut werden. Bei den vier weiteren Personen handelt es sich um Mitglieder von hessischen Justiz- und Sicherheitsbehörden. Verschickt wurden die Schreiben fast immer von einer gleichlautenden Absenderadresse. Überwiegend erfolgte der Versand per E-Mail, aber auch per Fax, SMS sowie über Internetkontaktformulare. Die Ermittlungsbehörden haben bei allen Schreiben geprüft, ob die dort zum Teil verwendeten Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen könnten. Dies ist bei einem Großteil der verwendeten Empfänger der Fall. Die Ermittlungen ergaben auch, dass in den Datensystemen der hessischen Polizei von drei unterschiedlichen Rechnern die Daten von drei betroffenen Adressatinnen abgefragt wurden. Daraus nährt sich der Verdacht, dass in diesen drei Fällen Informationen aus hessischen Polizeisystemen in Drohschreiben Verwendung gefunden haben. Bisher konnte hier ein zeitlicher, aber kein kausaler Zusammenhang belegt werden. Es liegen auch keine Hinweise auf weitere Abfragen betroffener Personen von hessischen Polizeirechnern in diesem Zusammenhang vor.

Der Hessische Innenminister Peter Beuth erklärte: „Unsere hessischen Ermittlungsbehörden stehen im engen Austausch mit den Bundesländern und dem Bundeskriminalamt. Außerdem wurden bereits Rechtshilfeersuchen an mehrere Staaten gerichtet. Unser polizeilicher Sonderermittler hat übernommen und führt die bisherige Arbeit gemeinsam mit den Ermittlern des Landeskriminalamts sowie weiteren erfahrenen Kriminalisten und IT-Spezialisten mit großem Einsatz fort. Dafür stehen dem Team alle notwendigen personellen und materiellen Ressourcen der hessischen Polizei zur Verfügung.“

Sonderermittler hat Zugriff auf Ressourcen der gesamten hessischen Polizei

Mit der Übernahme der Ermittlungen durch den polizeilichen Sonderermittler wurde ein neuer Blick auf die Ermittlungen eingebracht. Indem er unmittelbar dem Landespolizeipräsidenten berichtet, sind kurze Meldewege sichergestellt. Zugleich wird ihm dadurch der volle Zugriff auf die Ressourcen der gesamten hessischen Polizei unkompliziert ermöglicht. Das Verfahren wird von der zuständigen Staatsanwaltschaft in Frankfurt geführt. Darüber hinaus wurden weitere ad-hoc-Maßnahmen ergriffen. So steht dem Sonderermittler aber auch im Hinblick auf sämtliche Ermittlungen von besonderer Bedeutung künftig der Verfahrensreferent als „Single Point of Contact“ im Landespolizeipräsidium zur Verfügung, der als zentraler Ansprechpartner zu herausragenden Ermittlungen fungiert.

Bedrohungsmanagement der Polizei wird weiter ausgebaut

Auch die Betreuung Betroffener von Drohungen und Einschüchterungsversuchen wird bei der hessischen Polizei weiter ausgebaut. „Dem Schutz und der individuellen Betreuung bedrohter Personen gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir werden deshalb auch das Bedrohungsmanagement der Polizei weiter ausbauen. Wer bedroht wird, bekommt schnelle und verbindliche Hilfe, Betreuung und Schutz“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth. Hessen strebt in diesem Zusammenhang auch eine Bundesratsinitiative zur Strafverschärfung beim Straftatbestand „Bedrohung“ an. Außerdem wird das Disziplinarrecht dahingehend geprüft, inwiefern ein Sonderrecht in Bezug auf Waffenträger oder ein Entzug der „Zuverlässigkeit“ bei Polizistinnen und Polizisten bei bestimmten dienstlichen Vergehen möglich ist. Als weitere Schritte kündigte der Innenminister unter anderem die Einsetzung einer Experten-Kommission zum Leitbild Polizei sowie die Weiterentwicklung der hessischen Polizei-Studie an.

SPD: Beuth bleibt klare Antworten schuldig

Günter Rudolph, Parlamentarischer Geschäftfsührer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag
Günter Rudolph, Parlamentarischer Geschäftfsührer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag

Der Innenausschuss des Hessischen Landtag ist heute zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um sich von Innenminister Peter Beuth (CDU) über den Sachstand in der Drohbrief-Affäre informieren zu lassen. Besonderen Raum nahm die Frage ein, ob und in welchem Umfang Beamtinnen und Beamte der hessischen Polizei in den Skandal um die NSU-2.0-Drohungen verstrickt sind. Nach der Sitzung kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph den Auftritt des Innenministers. Beuth habe den Eindruck vermittelt, als seien ihm die Vorgänge in seinem Haus schon vor längerer Zeit entglitten. „Was wir gesehen haben, war ein rat- und hilfloser Innenminister, dem die Einsicht fehlt, dass er Teil des Problems ist. Alle angeblich neuen Maßnahmen, die missbräuchliche Abfragen in den Datenbanken der Polizei künftig verhindern sollen, kommen zu spät. Das erste NSU-2.0-Drohschreiben ist im Sommer 2018 aufgetaucht, bereits damals führte die Spur zu einem Computer der hessischen Polizei. Aber erst jetzt, zwei Jahre und mehr als 60 Drohbriefe später, sollen zusätzliche Abfragesicherungen für die internen Datensysteme eingerichtet werden. Das dokumentiert, wie sehr der Innenminister das Problem des Rechtsextremismus innerhalb seiner Sicherheitsbehörden unterschätzt hat“, sagte Rudolph.

Statt auf die ersten Anzeichen, dass es Rechtsextreme im Polizeidienst geben könnte, entschlossen zu reagieren, habe Beuth die Dinge einfach treiben lassen. „Der Minister hat für sich entschieden, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und damit das Problem des Vertrauens- und Ansehensverlusts für die hessische Polizei unnötig vergrößert“, so Rudolph.
Er kritisierte zudem den schleppenden Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die auch nach Monaten keine greifbaren Ergebnisse gezeitigt hätten. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte in der Sondersitzung des Innenausschusses unter anderem die Einschränkungen infolge der Corona-Krise als Grund für Verzögerungen, beispielsweise bei Zeugenvernehmungen, angeführt. Dazu sagte Günter Rudolph: „Das Virus kann keine Entschuldigung dafür sein, dass Zeugen spät oder noch gar nicht vernommen worden sind. Auch dass Beweismaterial nicht sichergestellt wurde, lässt sich mit Corona weder erklären noch entschuldigen.“

Die Sicherheitsbehörden in Hessen benötigten eine neue Führungskultur, so Rudolph. Wenn sich ein Beamter ideologisch radikalisiere, dürften die Kolleginnen und Kollegen nicht wegschauen und schweigen. „Der demokratische Staat muss gerade bei der Polizei gelebt und verteidigt werden. Dazu gehört, dass Personen, die sich von den Werten des Grundgesetzes entfernen, frühzeitig identifiziert werden. Falsch verstandene Kollegialität ist da völlig fehl am Platz“, sagte Günter Rudolph. Der Innenminister, der in der Drohbrief-Affäre bisher eine ausnehmend schlechte Figur gemacht habe, müsse darüber nachdenken, wie er seiner politischen Verantwortung gerecht werden wolle. „Peter Beuth steht als Innenminister für Orientierungslosigkeit und Chaos in der hessischen Polizei. Es ist nicht erkennbar, dass er den glaubwürdigen und erfolgreichen Neuanfang einleiten kann, den die Polizei in unserem Land nun braucht“, so Rudolph.

FDP: Grüne versagen auf ganzer Linie

Nach den Aussagen von Innenminister Peter Beuth (CDU) in der heutigen Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses zur Drohmail-Affäre zeigt sich Stefan Müller, innenpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, entsetzt. „Leider ist vor allem eins deutlich geworden – dass noch immer viele Fragen offen sind. Neue Erkenntnisse haben wir heute kaum gewonnen. Und die wenigen Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, werfen neue Fragen auf und sind nicht geeignet, Vertrauen in die Aufklärungsarbeit zu schaffen. Auch zwei Jahre nach der ersten Drohmail mit rechtsextremem Inhalt sind wir weder in Bezug auf die Herkunft der Drohmails noch in Bezug auf die vorausgehenden Datenzugriffe über Polizei-Computer auch nur einen Schritt vorangekommen. Das ist ein Skandal!“ Insgesamt drei Personen des öffentlichen Lebens hatten per E-Mail Drohungen erhalten, die persönliche Daten der Betroffenen enthalten, die vorher auf Polizei-Computern abgefragt wurden.

„Mit seiner schlechten Informationspolitik und seiner bislang chaotischen Vorgehensweise bei der Bewältigung dieser Affäre trägt der Minister nicht dazu bei, das Vertrauen in eine konsequente Aufklärungsarbeit zu stärken“, kritisiert Müller. „Wie der Minister heute gesagt hat, hat er schon im Februar von dem Drohschreiben an Linken-Fraktionschefin Janine Wissler erfahren. Warum dauert es fünf Monate, bis ermittelt wird, dass zuvor eine personenbezogene Abfrage von einem Polizeicomputer erfolgte und der Innenminister darüber informiert wird? Außerdem drängt sich die Frage auf, warum der Innenminister vor dem Hintergrund der Drohschreiben an eine Frankfurter Rechtsanwältin nicht selbst auf die Idee gekommen ist, dass auch im Fall Wissler Daten über Polizeicomputer abgefragt worden sein könnten.“ Verwundert äußert sich der innenpolitische Sprecher über die Rolle der Grünen. „Die selbsternannte moralische Instanz der Nation versagt in der Drohmail-Affäre auf ganzer Linie und flüchtet sich in Allgemeinplätze.“

Müller fordert nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Entwicklung eine bessere technische Ausstattung für die Polizei. „Es kann nicht sein, dass sich eine Vielzahl von Beamtinnen und Beamten einen Computer teilen müssen und dass das Einloggen mit einem zeitraubenden Prozess verbunden ist. Wer sicher sein will, dass jeder Polizist und jede Polizistin unter eigener Kennung arbeitet, muss auch die technischen Voraussetzungen für eine moderne Polizei schaffen“, sagt Müller. „Dass die Polizei technisch schlecht ausgestattet ist, hat der Minister heute selbst zu verstehen gegeben.“ +++

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