Bartsch: Bund bereitet „Corona-Zweiklassengesellschaft“ vor

Lauterbach will bei hohen Inzidenzen PCR-Testpflicht für Ungeimpfte

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch wirft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, eine „Corona-Zweiklassengesellschaft“ vorzubereiten. „Die Vorschläge aus dem Gesundheitsministerium vergiften das gesellschaftliche Klima und spalten das Land“, sagte Bartsch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Wieder geraten Familien aus dem Blick.“ Die Pläne wären für viele ein Schlag ins Gesicht, wenn der gemeinsame Kinobesuch oder das Familienessen ausfallen müsste. „Die Bundesregierung sollte stattdessen die Impfkampagne vorantreiben, die Impfungen über intelligente Wege in den Alltag der Menschen bringen – und keine Corona-Zweiklassengesellschaft vorbereiten“, forderte der Linken-Politiker.

Josef Franz Lindner, Rechtsprofessor an der Universität Augsburg, hält die Kommunikation des Gesundheitsministeriums zu dem zukünftigen Umgang mit Ungeimpften ebenfalls für problematisch. „So wirkt es, als würde man die Ungeimpften dafür bestrafen, dass sie sich nicht impfen lassen. Das muss man umdrehen: Bestimmte Maßnahmen dürfen Geimpften nicht mehr auferlegt werden, weil von ihnen keine relevante Gefahr mehr ausgeht. Das ist ein Unterschied“, sagte Lindner dem RND. Der Verfassungsrechtler geht davon aus, dass auch ungeimpfte Personen weiterhin die Möglichkeit haben müssen, am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Bedingung, dafür einen negativen Schnelltest vorlegen zu müssen, sei allerdings vertretbar. „Wenn diese Möglichkeit nicht besteht, dann hätten wir eine faktische Impfpflicht. Deshalb ist auch der angebliche Vorschlag des Gesundheitsministeriums, bei steigenden Inzidenzen nur Genesenen und Geimpften bestimmte Zugangsmöglichkeiten zu gewähren, verfassungswidrig“, warnte Lindner. Eine tatsächliche Impfpflicht hält er als „mehr oder weniger letztes Mittel“ für nicht ausgeschlossen. „Jetzt haben wir es allerdings mit einer neuen Generation von Impfstoffen zu tun, der viele Menschen mit Vorbehalt begegnen. Deshalb wäre eine Impfpflicht gegen das Coronavirus schwerer zu begründen“, sagte der Jurist dem RND. Bevor es zu einer Impfpflicht komme, müsse die Politik erstmal alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Impfquote auf anderen Wegen zu erhöhen.

Lauterbach will bei hohen Inzidenzen PCR-Testpflicht für Ungeimpfte
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will eine PCR-Testpflicht für Ungeimpfte bei hohen Inzidenzwerten. „Antigen-Schnelltests, für die man in Testzentren ein Zertifikat erhält, liefern in 40 Prozent der positiven Fälle ein falsch-negatives Ergebnis“, sagte er der „Rheinischen Post“. Es sei also leider ein beträchtlicher Teil der Menschen infektiös, obwohl der Test das Gegenteil anzeige. „Auf dieser Grundlage wäre es angesichts schwererer Krankheitsverläufe durch die Delta-Variante verantwortungslos, Ungeimpfte, mit einem Schnelltest Getestete mit Geimpften und Genesenen in Hochrisikobereichen wie Clubs gleichzustellen. Sollen Ungeimpfte bei hohen Inzidenzwerten künftig nicht von Veranstaltungen oder Restaurantbesuchen ausgeschlossen werden, muss es eine PCR-Testpflicht für sie geben“, sagte Lauterbach. Nur dann sei ein zuverlässiges Ergebnis zu erwarten. „Durch die höheren Kosten und den größeren Zeitaufwand der PCR-Tests ist die Impfung der leichtere Weg. Aber es sind nur wenige Bereiche, die den PCR-Test voraussetzen“, so der SPD-Politiker. Lauterbach forderte zudem die Ständige Impfkommission (Stiko) auf, ihre nur eingeschränkte Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige neu zu bewerten. „Mittlerweile liegen wichtige zusätzliche Daten für eine fundierte Analyse der Risiken bei einer Impfung von 12- bis 17-Jährigen vor. In den USA wurden die Folgen von 8,9 Millionen Impfungen bei den Minderjährigen erforscht.“ Die Stiko sollte eine Neubewertung ihrer bisher eingeschränkten Impfempfehlung vornehmen, sagte Lauterbach. „Die Daten lassen aus meiner Sicht nur einen Schluss zu: Dass eine Impfung für 12- bis 17-Jährige uneingeschränkt empfohlen werden kann, wenn das Risiko einer Infektion gerade mit der Delta-Variante sehr hoch ist“, so der SPD-Gesundheitsexperte.

Frauenärzte raten Schwangeren zur Corona-Impfung
Der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, Christian Albring, rät Schwangereren dringend zur Corona-Impfung. Das sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Gerade da die inzwischen verbreitete Delta-Variante nach internationalen Berichten mit einer hohen Infektiosität und mit einer erhöhten Erkrankungsrate auch bei Schwangeren einhergeht, ist nach Ansicht der Gynäkologenverbände eine Impfung vor und in der Schwangerschaft sowie im Wochenbett und in der Stillzeit sinnvoll“, so Albring. Rechtlich seien Ärzte und die Schwangere bei diesen Impfungen inzwischen durch das Infektionsschutzgesetz geschützt, so der niedergelassene Frauenarzt weiter. Albring bedauerte, dass bislang keine Empfehlung der Ständige Impfkommission (Stiko) für die Impfung von Schwangeren vorliege. Viele Ärzte sähen das Fehlen einer generellen Impf-Empfehlung durch die Stiko als ein Signal an, dass vielleicht doch ein Risiko in der Impfung verborgen sei  n könnte, klagte er. „Anders sieht es die Ständige Impfkommission im Bundesland Sachsen, die SIKO. Sie empfiehlt die Impfung von allen Schwangeren.“

Weltärztepräsident will Testpflicht für geimpfte Reiserückkehrer
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat sich für eine Testpflicht für sämtliche Reiserückkehrer ausgesprochen. Alle Einreisenden müssten ausnahmslos einen negativen Corona-Test vorlegen, „auch Geimpfte und Genesene“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ein solcher Schritt sei zumutbar. Aktuell sind Geimpfte in der Regel von der Testpflicht bei der Einreise befreit. Zur Begründung verwies Montgomery auf die steigende Zahl so genannter Impfdurchbrüche. Das RKI habe bisher bei 42 Millionen Doppelgeimpften 7.500 Impfdurchbrüche festgestellt. Montgomery fügte hinzu: „Wer sich eine Auslandsreise leisten kann, kann sich auch einen Schnelltest leisten.“

DIHK: Höhere Infektionszahlen gefährden Konjunkturaufschwung
DIHK-Hauptgeschäftsführungsmitglied Ilja Nothnagel hat davor gewarnt, durch den Wiederanstieg der Infektionszahlen den Konjunkturaufschwung zu gefährden. „Die aktuelle Erholung der deutschen Wirtschaft darf nicht darüber hinwegtäuschen: Das Bruttoinlandsprodukt liegt noch immer deutlich unter Vorkrisenniveau“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate hänge sehr vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. „Wichtiges Ziel ist es, Unternehmensschließungen mit ihren oft gravierenden Folgen zu vermeiden“, sagte er. „Die aktuellen Lieferschwierigkeiten und zum Teil deutlichen Preissteigerungen von Rohstoffen und Vorprodukten stellen die deutsche Wirtschaft wohl noch für eine geraume Zeit vor erhebliche Probleme“, sagte er. „Zudem konnten insbesondere die vom Lockdown stark betroffenen Betriebe ihre Verluste noch nicht aufholen“, sagte der DIHK-Experte. +++