Ampelpolitiker warnen vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung der Abhör-Affäre bei der Bundeswehr. Ein Untersuchungsausschuss sei nicht angemessen, sagte SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner dem „Tagesspiegel“. „Die Forderung ist Oppositions-Klein-Klein.“ Aber natürliche müsse aufgeklärt werden, wie es zu diesem Propaganda-Erfolg für Putin kommen konnte. Stegner kritisiert die Bundeswehr-Offiziere dafür, dass sie in einem nicht geschützten Medium über einen möglichen Taurus-Einsatz „leichtfertig dahergeplappert“ hätten.
Eine schnelle und lückenlose Aufklärung fordert auch Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger. Mit den Ergebnissen der Ermittlungen „werden wir uns in allen betroffenen Ausschüssen sehr intensiv beschäftigen“, sagte sie. Es müsse geklärt werden, „auf welchem Wege genau das Gespräch abgehört werden konnte, um entsprechende Sicherheitsmaßnahmen mit Blick auf sensible Kommunikation zu verschärfen“. Zuvor hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht, nachdem russische Staatsmedien eine vertrauliche Videokonferenz von Bundeswehr-Offizieren zum möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine veröffentlicht hatten. „Bei dieser Sachlage kann ein Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen werden“, sagte Dobrindt. Inzwischen hat die Unionsfraktion eine Sondersitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses wegen des Abhörskandals bei der Luftwaffe beantragt. Der Parlamentsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), schrieb am Sonntag einen entsprechenden Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Einen Untersuchungsausschuss hält man in der Union weiter für möglich.
Abhörskandal: Kiesewetter warnt vor Irritationen bei Partnern
CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter warnt angesichts des Taurus-Abhörskandals vor Irritationen in Frankreich und Großbritannien durch deutsche Fehler. „Unsere Partner Frankreich und Großbritannien betrachten Deutschland jetzt als unsicher, weil Russland Dinge erfährt, die es niemals erfahren dürfte“, sagte Kiesewetter der „Rheinischen Post“. „Putin betrachtet den gesamten Westen, auch Deutschland, als Feind und Kriegsziel. Das muss uns endlich klar sein“, ergänzte er. Der Bundeskanzler dürfe in der Taurus-Frage „keine Nebelkerzen mehr werfen“, so Kiesewetter weiter. „Vier eigene Ministerien sind zutiefst besorgt darüber, dass Scholz den Taurus nicht liefern will. Wir müssen unser Ziel der Unterstützung der Ukraine schnell ändern: Es darf nicht sein, dass das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts muss durchgesetzt werden. Das heißt: Die Ukraine muss diesen Krieg unbedingt gewinnen“, sagte der CDU-Politiker. Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter mahnte unterdessen im Ukraine-Krieg einen Bewusstseinswandel in der deutschen Politik und den Sicherheitsbehörden an. „Es ist höchste Zeit, dass sich alle bewusst machen, dass Russland einen hybriden Krieg gegen unsere westlichen, demokratischen Gesellschaften führt“, sagte er. „Auf bittere Weise zeigt sich, dass unsere Spionageabwehr Lücken hat. Es muss schnell aufgeklärt werden, welchen Umfang die Abhöraktionen der russischen Geheimdienste haben. Gleichzeitig müssen wir die eigenen Fähigkeiten ausbauen, um Spionage und Desinformation abzuwehren“, sagte der Chef des Bundestags-Europaausschusses.
Wissler: Abhörskandal weiterer Grund gegen Taurus-Lieferung
Beim Abhörskandal der deutschen Luftwaffe zu Gesprächen über die Lieferung des Marschflugkörper Taurus sieht Linken-Chefin Janine Wissler einen weiteren Grund, Taurus nicht der Ukraine zu liefern. „Inhaltlich zeigen die Gespräche noch einmal sehr deutlich, dass die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern brandgefährlich wäre und mögliche Angriffe bis nach Moskau eine beispiellose Eskalationsspirale auslösen könnten“, sagte sie dem „Spiegel“. Wie weitere Politiker fordert auch sie eine Aufklärung des Vorgangs. „Es ist gefährlich, die Bundeswehr mit dreistelligen Milliardenbeträgen auszustatten, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, eine Videokonferenz abhörsicher abzuhalten.“ FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte: „Auch zwei Jahre nach der Eskalation des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine scheinen bestimmte staatliche Strukturen in Deutschland nicht hinreichend auf die Sicherheitslage eingestellt zu sein.“ Sollte sich bewahrheiten, dass die interne Kommunikation der Bundeswehr kompromittiert wurde, „bedarf es einer Generalrevision der gesamten internen Infrastruktur zur internen Kommunikation sicherheitsrelevanter Stellen in Deutschland“, so Kuhle. „Wir haben ein grundsätzliches und großes Cybersicherheitsproblem in Europa“, sagte Rasmus Andresen, Chef der deutschen Grünen-Gruppe im EU-Parlament. Europa sei bei Cybersicherheit zu „naiv und schwach auf der Brust“. „Ob das Abhören von militärischer Kommunikation oder Hackerangriffe auf Parlamente, Putin nutzt ganz gezielt unsere Sicherheitslücken, um Informationen abzugreifen und unsere europäische Demokratie zu destabilisieren“, so der Grünenpolitiker zum „Spiegel“. Es brauche mehr Investitionen in Cybersicherheit. +++