Ampel-Streit um Schuldenbremse nimmt Fahrt auf

Verfassungsrechtler: Schuldenbremse muss trotz Gas-Alarm bleiben

In der Debatte um weitere Entlastungen von den hohen Energiepreisen hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den jüngsten Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse auch im Jahr 2023 eine klare Absage erteilt. „Der Staat kann nicht jede Preissteigerung abfangen“, sagte Lindner der „Rheinischen Post“. „Weitere Entlastungsmaßnahmen müssten sich zwingend im Rahmen der Schuldenbremse bewegen“, sagte der FDP-Vorsitzende. „Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung werden durch die so genannte Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse berücksichtigt. In einem wirtschaftlichen Abschwung gestattet sie eine höhere Kreditaufnahme, während sich die Spielräume im Aufschwung verringern.“

Spitzenpolitiker von SPD und Grünen fordern dagegen das erneute Aussetzen der Schuldenbremse, um auch im kommenden Jahr eine deutliche höhere Neuverschuldung zu ermöglichen. Wird die Schuldenbremse dagegen eingehalten, ist ein Defizit von maximal etwa 15 Milliarden Euro möglich. „In Krisenzeiten ist Sparpolitik das falsche Instrument“, sagte Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler derselben Zeitung. „In Zeiten der Not setzt man nicht den Rotstift an und suggeriert Normalität, sondern geht die Krisen entschlossen an. Finanzpolitik in diesen Krisenzeiten heißt nicht, ständig Nein zu sagen, sondern zu gestalten und die Probleme zu lösen.“ Kindler verwies auf nötige Entlastungen vor allem für Geringverdiener, wenn das bisherige Entlastungspaket Ende August nicht mehr wirkt. „Wir müssen die sozialen Folgen der Preisanstiege abfedern. Insbesondere arme Menschen und Familien benötigen zusätzliche Unterstützung, denn sie leiden unter den steigenden fossilen Energiepreisen und der Teuerung der Lebensmittel am meisten. Für sie brauchen wir weitere gezielte Hilfen“, forderte Kindler.

Verfassungsrechtler: Schuldenbremse muss trotz Gas-Alarm bleiben

Die deutliche Drosselung der russischen Gaslieferungen nach Deutschland kann nach Einschätzung des saarländischen Verfassungsrechtlers Christoph Gröpl kein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im Jahr 2023 begründen. „Krisen gibt es immer und wird es immer geben. Wird jede Krise als außergewöhnliche Notsituation qualifiziert mit der Folge, dass sich der Staat – zum Teil exorbitant – neuverschulden darf, hinterlassen wir unseren Kindern einen Scherbenhaufen“, sagte Gröpl der „Rheinischen Post“. „Vor diesem Hintergrund rate ich dazu, die Gas-Notlage (Alarmstufe) nicht vorschnell als weitere Rechtfertigung zur Nettoneuverschuldung heranzuziehen“, sagte der Rechtswissenschaftler an der Universität des Saarlandes. +++