Allgemeines Schulterklopfen wegen SuedLink, aber P43 wird abgenickt?

Durch ein Windstrom-Märchen legitimiert

Das Aufatmen in der Region Osthessen ist zwar verständlich, aber dass SuedLink nun durch Thüringen führt, ist kein Grund zur Freude. Im Gegenteil, denn mit jeder Festlegung zum Verlauf eines weiteren Trassenabschnittes rückt die Realisierung dieser 525 kV Gleichstromleitung näher. Stromhandelsleitungen ungeahnten Ausmaßes, durch ein Windstrom-Märchen legitimiert, werden derzeit in ganz Deutschland unter Hochdruck vorangetrieben. Konstruktive Bürgerbeteiligung wird durch fragwürdige Online-Pseudoveranstaltungen ersetzt, das wichtige „Netzwerken“ unter den Teilnehmern wird so verhindert.

„Da das Bundeswirtschaftsministerium nach wie vor kein schlüssiges Gesamtkonzept zur Umsetzung der Energiewende vorweisen kann und der Unmut in der Bevölkerung zunehmend wächst, versucht man durch die zügige Verabschiedung von Beschleunigungsgesetzen Bürgerrechte einzuschränken. Klagemöglichkeiten sind nun erst zum Ende eines Planungsverfahrens möglich, wenn sozusagen das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und Umweltschäden nicht mehr rückgängig gemacht werden können“, zeigt sich Maria Quanz, Verbandssprecherin des BBgS (Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink) in Hessen, besorgt. „In wenigen Tagen wird voraussichtlich im Bundestag nicht nur die Novellierung des EEG sondern auch das Bundesbedarfsplangesetz vorschnell verabschiedet, trotz fachlich fundierter Kritik z.B. von BUND, zahlreichen Energieexperten, Stadtwerken und Wissenschaftlern. Durch 35 neue zusätzliche Maßnahmen im Netzentwicklungsplan werden die Investitionskosten für das geplante Übertragungsnetz bis 2035 noch einmal steigen. 110 Milliarden Euro werden so ohne Kosten-Nutzen-Analyse der Allgemeinheit aufgebürdet.“

Auch die 380 kV Fulda-Main-Leitung (früher P43) wird in das Bundesbedarfsplangesetz aufgenommen werden und so gibt es im Landkreis Fulda erneut Anlass zur Sorge, denn der osthessische Raum wird hier in jedem Fall betroffen sein. Im Juni wurden einem kleinen Kreis an Auserwählten bereits erste Pläne vorgestellt, aber eine umfassende Bürgerinformation hat bis heute nicht stattgefunden. Während in Bayern der Bürgerprotest gegen die Fulda-Main-Leitung von der Landes- und Kommunalpolitik von Anfang an unterstützt wird, vermisst man Kritik aus den Reihen der politisch Verantwortlichen im Landkreis Fulda, obwohl bei einer durchschnittlichen Auslastung von nur 15 – 17% der Bedarf an dieser Leitung dringend hinterfragt werden sollte. Alle Bundestagsabgeordneten wurden von Energieexperten, Umweltverbänden und Initiativen im Vorfeld der Entscheidung zum Bundesbedarfsplangesetz angeschrieben um auf die negativen Auswirkungen eines überdimensionierten Übertragungsnetzausbaus auf die Energiewende hinzuweisen. Somit kann sich also niemand mehr aus der politischen Verantwortung stehlen. Bei Übertragungsnetzbetreiber TenneT laufen hingegen die Vorbereitungen auf Hochtouren, damit man nach der Bundestagsentscheidung zügig den Antrag auf Bundesfachplanung für die Fulda-Main-Leitung stellen kann.

Maria Quanz zieht nach sechs Jahren intensiver Bürgerinitiativenarbeit für den BBgS eine Zwischenbilanz: „Bei SuedLink musste von Seiten der Bürgerinitiativen viel Überzeugungsarbeit geleistet und auch Druck auf die Politik ausgeübt werden. Letztendlich hat sich der kontinuierliche Einsatz gelohnt, Osthessen bleibt von dieser HGÜ-Leitung verschont. Für die Fulda-Main-Leitung, im Abschnitt A als „Neubau in bestehender Trasse“ beschrieben, könnte von Übertragungsnetzbetreiber TenneT im schlimmsten Fall sogar ein vereinfachtes Verfahren angestrebt werden. Wir haben bereits zahlreiche Anfragen aus den betroffenen Regionen erhalten, denn das Interesse in der Bevölkerung an weiterführenden Informationen ist ebenso groß wie die Bereitschaft neue Bürgerinitiativen zu gründen. Wer nicht eines Tages unter 70m hohen Leitungsmasten aufwachen möchte (eine Erdverkabelung durch die Rhön gilt lt. TenneT als höchst unwahrscheinlich), muss gegen dieses Leitungsprojekt rechtzeitig Protest einlegen, denn konstruktive Kritik hat schon Vieles bewirken können. Kurzfristige, in vereinzelten Stunden des Jahres auftretende Netzengpässe dürfen nicht zwangsweise zu einem gigantischen Netzausbau führen. Die Politik ist gefordert, denn angesichts der aktuellen Haushaltssituation des Bundes, wo durch Corona bedingt Milliarden an Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig eine Neuverschuldung von über 300 Milliarden Euro im Raum steht, muss jedes Leitungsprojekt hinterfragt werden, denn das System wird zunehmend unbezahlbar.“ +++