Al-Wazir stellt Gigabit-Strategie vor

SPD: Die Digitalisierung sei eine ressortübergreifende Aufgabe

Tarek Al-Wazir
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir

Wiesbaden. Hessen setzt sich beim Internet-Ausbau neue ehrgeizige Ziele: Bis 2025 soll die Dateninfrastruktur Bandbreiten von einem Gigabit pro Sekunde ermöglichen – das Zwanzigfache des gegenwärtigen Ausbauziels von 50 Mbit/s. 2030 sollen dann flächendeckend Glasfaserleitungen bis in jedes Haus und jedes Unternehmen in Hessen reichen. Dies sind die Eckpunkte der Gigabit-Strategie für Hessen, die Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir am Mittwoch auf dem Hessischen Breitband-Gipfel in Frankfurt vorstellte.

„Eine leistungsfähige Dateninfrastruktur ist das, was Straßen und Schienenwege im Zeitalter der Industrialisierung waren. Sie ist unerlässlich für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, für moderne Mobilität, für soziale Teilhabe“, sagte der Minister. „Die Anforderungen an die Bandbreiten wachsen ständig. Deshalb müssen wir schon jetzt planen, wie wir damit Schritt halten und was der nächste Schritt nach den 50 Mbit/s ist.“ Die Strategie bezieht sich nicht allein auf das Festnetz, sondern zielt auch auf die Weiterentwicklung der Mobilfunkinfrastruktur. Löcher in der LTE-Versorgung sollen schnell verschwinden, der neue und weit schnellere Standard 5G soll 2020 in Hessen starten. Wegen der Bedeutung für die Mobilität sollen wichtige Verkehrstrassen beim schrittweisen Ausbau des Netzes besonders berücksichtigt werden. Drittes Element der Strategie ist der Ausbau öffentlicher WLAN-Netze in öffentlichen Einrichtungen, an Tourismusorten, in Schulen und Bildungseinrichtungen. Al-Wazir wies auf das Förderprogramm „Digitale Dorflinde“ hin, das hessische Kommunen beim Aufbau von Hotspots unterstützt.

Die Umsetzung der Strategie erfordere Investitionen in Milliardenhöhe, sagte der Minister: „Klar ist, dass der Löwenanteil des Ausbaus privatwirtschaftlich erfolgen muss. Die öffentliche Hand kommt da ins Spiel, wo – wie in dünnbesiedelten Gebieten – keine Perspektive für einen marktgetriebenen Ausbau besteht. Hier müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. Das Land wird dabei seine Verantwortung wahrnehmen.“ Die Gigabit-Strategie ist in Zusammenarbeit mit Kommunen, Telekommunikationsunternehmen und kommunalen Versorgern entstanden. Der Minister dankte allen Beteiligten für ihre Mitarbeit und ihr bisheriges Engagement beim Breitbandausbau. „Hessen gehört inzwischen zu den bestversorgten Flächenländern. Ende 2017 hatten 84 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, einen Breitbandanschluss von mindestens 50 Mbit/s zu bekommen und wir hatten in Hessen eine der höchsten Ausbaugeschwindigkeiten in Deutschland. Vier der zehn bestversorgten Landkreise Deutschlands liegen in Hessen. Darauf können wir alle stolz sein.“ Al-Wazir appellierte an die Bundesregierung, ihre angekündigten Förderprogramme angemessen auszustatten. Zudem müssten sie so gestaltet sein, dass die beim Ausbau bereits fortgeschrittenen Länder wie Hessen sie nutzen könnten. Es dürfe nicht sein, dass am Ende die Ausgestaltung der Förderprogramme des Bundes dafür sorgten, dass die belohnt würden, die bisher nicht aktiv gewesen seien, und die bestraft, die bisher vorne seien.

Eckert (SPD): 19 Jahre CDU-Regierungen führen zu digitaler Spaltung zwischen Stadt und Land

Im Rahmen des heute stattfindenden Breitbandgipfels des hessischen Wirtschaftsministeriums kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Tobias Eckert, den mangelnden Ausbau der digitalen Infrastruktur durch die schwarzgrüne Landesregierung. Eckert sagte dazu am Mittwoch in Wiesbaden: „Hessen muss zum Vorreiter beim Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland werden. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist eine zentrale Grundlage für Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir leben in einer zunehmenden Gigabitgesellschaft, die vollständig von Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen ist. Hessen hinkt hier – wie auch bei vielen anderen Themen – mal wieder hinterher. Schlimmer noch: Nach 19 Jahren CDU-geführter Landesregierungen gibt es eine digitale Spaltung zwischen städtischem und ländlichem Raum. Ohne Breitbandanschluss ist eine gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr möglich. Weite Teile der Bevölkerung werden durch die Untätigkeit der Landesregierung abgehängt. Das dürfen wir nicht länger zu lassen. Die Vorschläge, die Minister Al-Wazir nun im Rahmen des Breitbandgipfels vorgestellt hat, werden wir prüfen.“

Die SPD habe ihrerseits klare Anforderungen an eine Gigabit-Strategie formuliert. Die Digitalisierung sei eine ressortübergreifende Aufgabe. Die Landesregierung habe das aber nicht erkannt und die Kompetenzen nicht in den Ministerien gebündelt. „Wir wollen das ändern und die Digitalisierung zur Chefsache machen“, plädierte der SPD-Abgeordnete. „Wir brauchen eine Glasfaserstrategie zur Umsetzung eines flächendeckenden Gigabit-Glasfasernetzes bis ins Gebäude, da nur der Glasfaserausbau zukunftsfähig ist. Wir wollen eine anwendungsorientierte Breitbandstrategie, die nicht nur den privatfinanzierten Ausbau im Wettbewerb stärkt, sondern unterversorgte Kommunen mit originären Landesmitteln unterstützt. Auch das zügige Ausrollen von 5G Netzen muss in Hessen zur Chefsache werden, da jede Mobilfunk-Basisstation zur Weiterleitung des Datenverkehrs einen direkten Anschluss an ein Glasfasernetz benötigt. Damit schaffen wir indirekt auch die Basisinfrastruktur für autonomes Fahren und andere Zukunftstechnologien. Die noch verbleibenden Funklöcher müssen gestopft werden, um die notwendige flächendeckende Verfügbarkeit von Sprachtelefonie und schneller mobiler Datenübertragung zügig sicherzustellen. Daher wollen wir auf die Umsetzung der Versorgungsauflagen durch die Mobilfunkanbieter drängen und diese für Hessen konkret anhand von Nutzerdaten überprüfen“, so Eckert.

Die SPD wolle zudem den Ausbau öffentlicher WLAN-Hotspots in Hessen, unter anderem in Zusammenarbeit mit Freifunk-Vereinen, mit Landesmitteln zügig fördern. Mit dem größten europäischen Internetknoten und einer Vielzahl kleinerer und mittelständischer innovativer Firmen im Bereich der Digitalisierung habe man in Hessen weitere wichtige Standortfaktoren für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der hessischen Breitbandinfrastruktur. Die Förderprogramme für die Anbindung von Zentren der Wertschöpfung an eine gute Glasfaseranbindung will die SPD vereinfachen und auch für kleinere Zentren in der Fläche erweitern. Für die Gestaltung der Infrastruktur als Grundlage der Digitalisierung möchte die SPD auch originäre Landesmittel einsetzen. „Zur Gigabit-Gesellschaft gehören aber nicht nur die technische Umsetzung, sondern vielmehr auch Antworten auf gesellschaftlich relevante Themen, die wir als Land mitgestalten müssen, wie zum Beispiel die arbeitnehmerorientierte Digitalisierungsberatung, Bildungskonzepte zum Einsatz digitaler Medien, Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen durch veränderte Anforderungen“, so Eckert abschließen.

FDP: Ausbau der digitalen Infrastruktur in Hessen geht zu langsam voran

Jürgen Lenders, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag erklärte: „In puncto Gigabitausbau liegt Hessen im europäischen Vergleich weit hinten. Schuld daran ist Wirtschaftsminister Al-Wazir. Zum Einen tut  er zu wenig, damit die Versorgung mit Glasfaser und Hochleistungsanschlüssen in Hessen schneller voran geht. Zum anderen ist sein Ziel, bis 2030 eine flächendeckende Gigabitversorgung in Hessen zu erreichen, mehr als ambitionslos. In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Große Koalition im Bund zum Ziel gesagt bereits bis 2025 eine flächendeckende Gigabitversorgung zu erreichen. Wenn sich Herr Al-Wazir für Hessen mehr Zeit lassen will, zeigt das nur, dass die Digitalisierung und die zentralen Herausforderungen der Zukunft für den Wirtschaftsminister keine Priorität für ihn haben.“ Lenders weiter: „Neben dem Breitbandausbau ist es dringend notwendig, die Löcher im Mobilfunknetz in Hessen zu stopfen. Doch dazu schweigt die Landesregierung und sieht der zunehmenden digitalen Spaltung zwischen Regionen mit hochleistungsfähigen LTE einerseits und Funklöchern auf dem Land andererseits einfach nur zu. Wer in diesem Jahr beim Hessentag in Korbach war, versteht das Problem. Wir Freie Demokraten wollen ein Anti-Funkloch-Programm auf den Weg bringen, um eine leistungsfähige Mobilfunkabdeckung entlang von Straßen und Schienenverbindungen und in ländlichen Regionen . +++