„200 Jahre Landkreis Fulda“: Festakt zum Kreisjubiläum

Fürsorge aus Pflichtbewusstsein

Am Donnerstagabend ist bei Kaiserwetter unter dem Motto „Am liebsten hier“ im Hofgarten von Schloss Fasanerie mit einem Festakt anlässlich des 200-jährigen Bestehens des Landkreises Fulda das Kreisjubiläum eingeläutet worden. Eigentlich hätte das Kreisjubiläum schon im vergangenen Jahr stattfinden sollen, aufgrund der Pandemie wurde dieses um ein Jahr nach hinten verschoben. Bis zum Sonntag erwartet die Besucher auf Hessens schönstem Barockschloss ein Veranstaltungsreigen gespeist aus den Themen Sport und Ehrenamt, Bildung und bildende Künste, Handwerk, Musik, Kommunalpolitik sowie Kirche und Gesellschaft. Seinen Ausklang finden das Kreisjubiläum mit einem großen Zapfenstreich am Sonntag um 21.30 Uhr im Paradehof.

Über 300 geladene Gäste – darunter außerdienstliche und amtierende Vertreter aus der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik, dem Verwaltungssektor, der heimischen Wirtschaft, aus Kammern, Organisationen, Vereinen und Verbänden, dem Gesundheitssektor nicht zuletzt aus der Kirche und Gesellschaft waren der Einladung zum feierlichen Eröffnungsakt gefolgt. Besonders begrüßt wurden von Landrat Bernd Woide namentlich u.a. mit dem Vorstandsvorsitzenden der Hessischen Hausstiftung Donatus Landgraf von Hessen der Gastgeber während der Jubiläumsfeierlichkeiten, der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der Regierungspräsident des Regierungspräsidiums Kassel, Mark Weinmeister (CDU), der Hessische Minister a.D. und Oberbürgermeister der Stadt Fulda a.D. Dr. Alois Rhiel, der Oberbürgermeister der Stadt Fulda a.D. und Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Fulda a.D. Gerhard Möller, der Landrat des Landkreises Fulda a.D. Fritz Kramer, der Oberbürgermeister der Stadt Fulda und Präsident des Hessischen Städtetages Dr. Heiko Wingenfeld (CDU), der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises und Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt, der Vorsitzende des Fuldaer Kreistags Helmut Herchenhan sowie für die Kirche der Bischof des Bistums Fulda Dr. Michael Gerber. Unter den Gästen waren auch einige kommunalpolitische Vertreter aus den benachbarten Landkreisen Schmalkalden-Meiningen und Hersfeld-Rotenburg.

Der Landrat des Landkreises Fulda, Bernd Woide (CDU), erinnerte in seinen Eröffnungs- und Begrüßungsworten an die Geschichte des Landkreises Fulda und adressierte in diesem Zusammenhang vorweg die Frage, wen oder was man an diesem Wochenende eigentlich konkret feiere: „Ist es die Geschichte unseres Kreises, seine Aufgaben und Strukturen – oder ist es vielleicht doch etwas ganz anderes? Rein formal ist die historische Gegebenheit Anlass für dieses Jubiläum, dass Wilhelm II Kurfürst von Hessen Kassel durch das Organisationsedikt vom 21.08.1821 die Einheitsverwaltung nach dem Vorbild Preußens einführte. Unsere Region gehörte damals zum Kurfürstentum Hessen; Fulda wurde Hauptstadt und Verwaltungszentrum, eines der vier hessischen Provinzen. Die Provinz Fulda umfasste seinerzeit die Kreise Fulda, Hünfeld, Hersfeld und Schmalkalden. 1867 trat der bis dato bayerische Kreis Gersfeld hinzu. Unsere Region war zu diesem Zeitpunkt Bestandteil der Provinz Hessen-Nassau, die wiederum zum Königreich Preußen gehörte.

Geschichte des Landkreises

Das damalige Gründungsedikt von Wilhelm II – wir würden heute vielleicht Verwaltungserlass dazu sagen – war keine demokratisch legitimierte Entscheidung, sondern diente dem Aufbau einer regionalen Verwaltung eines Obrigkeitsstaates. Der Gründungsakt unseres Landkreises viel in eine Zeit, in der für uns heute selbstverständliche staatliche Grundentscheidungen wie die Demokratie, der Recht- und Sozialstaat, die Grundrechte – oder das Recht auf kommunale Selbstverwaltung undenkbar waren. Diese Rechte mussten in Deutschland, in Hessen – aber auch im Landkreis Fulda erst über Jahre, ja Jahrzehnte errungen, erkämpft und auch verteidigt werden.“ Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sagte der Landrat des Landkreises Fulda: „Es ist mir heute Abend ein besonderes Anliegen, herauszustellen, dass das, was wir heute Demokratie nennen, was uns unendliche Freiheit und Möglichkeiten der persönlichen und gesellschaftlichen Selbstgestaltung bringt, dass das nicht selbstverständlich ist. Und so, wie wir in Frieden und Freiheit in einer herrlichen Atmosphäre zusammenkommen, so konstatieren wir heute, dass einige Hundert Kilometer östlich von uns, Menschen keine Demokratie und keine Freiheit haben und dafür kämpfen, ihre Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen und opfern, um demokratische Strukturen aufrecht zu erhalten. Und das, glaube ich, sollte uns auch bei einem solchen Festakt Mahnung sein, Demokratie, Menschenwürde, die Grundrechte nicht gering zu achten, sondern sie anzunehmen und sie auch zu verteidigen.“ In diesen Kontext dankte Landrat Woide den ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern in den Kreisgremien, Stadtparlamenten und Gemeindevertretungen für ihr Engagement. Demokratie, so Landrat Woide, beginne nicht erst auf Bundes- oder Landesebene, sondern habe ihre Wurzeln in der kommunalen Gestaltung. Daher solle man all diejenigen sehr schätzen, die sich um ein Mandat auf ehrenamtlicher Basis auf kommunaler Ebene bewerben.

Nahezu 40 Millionen Euro für den Breitbandausbau

Landrat Woide nutzte die Gelegenheit des Kreisjubiläums sich in Anwesenheit des Hessischen Ministerpräsidenten noch einmal öffentlich für die Bereitstellung von 39,3 Millionen Euro Landesmittel für den Breitbandausbau in der Region Osthessen zu bedanken. Den Scheck konnte er vor wenigen Tagen aus den Händen von Staatsministerin Prof. Sinemus entgegennehmen. „Ich kann Ihnen versichern, das Geld werden wir unter die Erde kriegen“, sagte er ambitioniert und nannte die Förderung ein schönes Beispiel dafür, wie Landkreis und Bundesland „Hand in Hand wirken“. Zusätzlich fließen fast 50 Millionen Bundesmittel in den Breitbandausbau in der Region.

Der Landkreis in der Krisenbewältigung

Weiter ging Landrat Woide in seinen Eröffnungsworten im Rahmen Festaktes anlässlich des 200-jährigen Bestehens des Landkreises auf die Krisenbewältigungen in der Vergangenheit ein und führte als Beispiele die Betreuung von Flüchtlingen (2015), den derzeitigen Krieg in Ukraine (2022) und die anhaltende Corona-Pandemie (seit 2020) ein. Vor dem Hintergrund der harten Kritik bei den dezentralen Strukturen bei der Bewältigung dieser Corona-Pandemie in Deutschland sagte Landrat Woide gestern: „Es verging zu Hochzeiten dieser Pandemie ja kein Tag, an dem überregionale Medien die dezentralen Strukturen nicht kritisiert und teilweise auch angegriffen haben. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die zentral organisierten Bundes- oder Landesbehörden diese Aufgabe hätten besser bewerkstelligen können als es in der Vergangenheit unsere kommunalen Gesundheitsämter in Bezug auf die Kontaktpersonennachverfolgung gemacht haben. Gleiches gilt für den Aufbau und die Organisation von Impfzentren.“

Landrat Bernd Woide weiter: „In Zukunft werden die Herausforderungen, die diese Region – natürlich aber auch das Land Hessen und die Bundesrepublik Deutschland – zu bewältigen haben, nicht weniger werden, im Gegenteil, sie werden gewaltig sein – der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen, die Energieversorgung, der Klimawandel. Und deshalb wird es auch in Zukunft auf diese Region, auf uns alle, aber auch auf den Landkreis Fulda ankommen. Bei allen Aufgaben und Strukturen des Landkreises geht es im Kern im Eigentlichen doch nur darum, für die Menschen der Region in sehr unterschiedlichen Lebenslagen da zu sein, sie zusammenzuführen und ein Teil dessen zu sein, was wir Heimat nennen. Heimat für die Menschen zu sein, ist nach meinem Verständnis die zentrale Aufgabe, die diese Region zu leisten hat und so habe ich sie über all die Jahre bis zum heutigen Tag verstanden.“

Auf die Frage, was denn das Besondere am Landkreis Fulda sei, die vor dem Hintergrund des Kreisjubiläums vielfach an Landrat Woide adressiert worden war, sagte dieser gestern: „Das Besondere am Landkreis Fulda ist die Verbundenheit der Menschen zu ihrer Region und damit der sehr traditionell gebräuchliche Begriff der Heimat. Und das sage ich als jemand, der hier nicht geboren und aufgewachsen ist, der aber hier – so glaube ich – Heimat gefunden hat. Und hierin sieht der Landkreis seine zentrale Aufgabe: Heimat mitzugestalten, für die Gesellschaft, die Menschen – die Großen und Kleinen, die Jungen und Alten – die finanziell schwächer Gestellten und die finanziell besser Gestellten, um unsere Gesellschaft nach vorne zu bringen. Und genau das ist es, was wir an diesem Jubiläumswochenende feiern wollen: Die Gemeinschaft und unsere Heimat.“

Im Vorfeld sei an den Landrat ebenfalls die Frage herangetragen worden, ob man „ein solches Jubiläum“, das auch „ein bisschen etwas kostet“, in einer solchen Zeit feiern dürfe. Die Frage, so Landrat Woide, dürfe gestellt werden. Die Antwort gab der Landrat des Landkreises Fulda beim Festakt vor über 300 Bürgerinnen und Bürgern: „Ja! Wir wollen es machen und wir müssen es machen, denn: Wir feiern hier nicht originär den Landkreis, den Landrat, den Kreisausschuss oder den Kreistag, sondern unsere Region. Wir feiern die Menschen, die hier leben und arbeiten. Wir feiern diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren. Wir haben versucht, den Landkreis mit allem, was ihn ausmacht und was er den Menschen bietet, abzubilden. Und ich glaube, das ist uns gut gelungen.“

Grüße und Glückwünsche vom Land Hessen überbrachte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) – dies tat er auch im Namen der Hessischen Landesregierung und des Landes Hessen, der sich für die Einladung „zu diesem ganz großartigen Festakt“ ausdrücklich und sehr herzlich bedankte. Der Hessische Ministerpräsident würdigte Landrat Woide dafür, dass er die Arbeit und meinte damit die Krisenbewältigung bezugnehmend auf die Pandemie dem Kreisjubiläum vorgezogen hatte. Mit solch starken Landkreisen wie dem des Landkreises Fulda könne man, so Rhein, „für unser Land“ auch „starke Politik“ machen „gemeinsam sowie Hand in Hand“, wozu er den Landrat des Landkreises Fulda gestern einlud. „Ich bin heute ausgesprochen gerne in den Landkreis Fulda gekommen“, sagte der Hessische Ministerpräsident beim Festakt zum Kreisjubiläum auf Schloss Fasanerie, der fortfuhr: „Man kann Dinge immer guten Gewissens in diese Region bringen, weil man weiß, dass alles, was Sie angehen und anpacken, Sie richtig machen, das kann man heute hier spüren.“ Weiter deutete Ministerpräsident Rhein die Anwesenheit von Donatus Landgraf von Hessen beim Festakt zum Kreisjubiläum als „schönes Zeichen“. Dies stehe für die Verbundenheit der Menschen in ganz Hessen.

Im Rahmen des Festakts bezeichnete Hessens neuer Minister die Versorgung mit schnellem Internet als wichtigen Standortfaktor für die Menschen, Unternehmen und Kommunen im ländlichen Raum. „Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist eine zentrale Säule, um die Attraktivität der ländlichen Räume in Hessen weiter zu steigern.“ Die Teilhabe am technologischen Fortschritt dürfe nicht vom Wohnort abhängen. „Unser Ziel ist es, den Menschen in ihrer Heimat eine sichere Zukunft zu bieten. Das bedeutet auch, gute Bildung zu vermitteln, Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, Ausbildung zu fördern und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen“ Rhein hob außerdem die besondere Verbindung der Menschen mit ihrer Heimat hervor und bezeichnete den Festakt unter dem Motto „…am liebsten hier“ als „Aushängeschild der kommunalen Verbundenheit“. Er sagte: „Man spürt, dass die Menschen in ihrer Region verwurzelt sind und zusammenhalten. Gemeinsinn, Hilfsbereitschaft und Empathie werden hier gelebt. Das ist in diesen Zeiten der Umbrüche und zahlreichen krisenhaften Phänomene ein sehr hohes Gut.“

Lobende Worte für Landrat a.D. Fritz Kramer

Eine herausragende Persönlichkeit, die dem gestrigen Festakt beiwohnte, war der Landrat des Landkreises Fulda a.D. Fritz Kramer. 33 Jahre – eine beachtlich lange Zeit – lenkte er die Geschicke des Landkreises Fulda. In seiner Anwesenheit fand Rhein lobende Worte für den Juristen und nannte ihn „eine großartige Persönlichkeit“, die er persönlich seit vielen Jahren bewundert. Boris Rhein: „Lieber Fritz Kramer – 33 Jahre – das ist einsamer Rekord in der Geschichte unseres Landes, und ich glaube, das ist sogar bundesweit betrachtet die längste Amtszeit eines Landrates. Sie haben gezeigt, wie man eine Region an die Spitze führt. Hier sei nur das Stichwort Biosphärenreservat genannt. Sie haben diese Landschaft von der Grenzregion zu einer wirklich prosperierenden Region gemacht, die für das Land Hessen eine ganz wichtige Verbindung in die angrenzenden Bundesländer darstellt und damit wirklich auch unverzichtbar ist. Das Schöne und Bewundernswerte an dieser Region ist ihre Kontinuität und Stabilität, die immer noch spürbar ist. Jetzt, lieber Fritz Kramer, wird Ihr politisches und intellektuelles Erbe von Ihrem Nachfolger Bernd Woide kompetent und engagiert weitergeführt. Diese Feier hier und heute und das anstehende Wochenende sind gute Beispiele für diese Art von Zusammenarbeit über Generationen hinweg und die Gewissheit, dass all die Saat, die Sie gesät haben, gut aufgegangen ist und dass Sie das hier gemeinsam in einer guten Tradition fortführen.“

Aufruf zum gesellschaftlichen Zusammenhalt

Für die Kirche sprach gestern Abend der Bischof des Bistums Fulda, Dr. Michael Gerber, der zum Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Kräfte aufrief und in ökumenischer Verbundenheit am Ende des offiziellen Programms gemeinsam mit Dekan Bengt Seeberg (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck) in der kulturprägenden Tradition des Rhabanus Maurus um den Segen Gottes bat. Die Klöster und das Hochstift Fulda seien eng mit der Entwicklung des Landkreises Fulda verwoben, betonte Bischof Dr. Michael Gerber am Donnerstagabend in seinem Grußwort zum Festakt „200 Jahre Landkreis Fulda“ auf dem Gelände von Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda. Darauf weise auch das Stiftskreuz im Wappen des Landkreises hin: „Es erinnert an die reiche Bildungstradition, mit der das Kloster – und dazu gehören eben auch seine über den heutigen Landkreis und darüber hinaus verteilten Propsteien – die Kulturlandschaft an vielen Orten Europas geprägt hat.“

Als Symbol für die prägende Kraft des christlichen Glaubens erinnere das Kreuz auch an Solidarität und Hilfe, die wir Benachteiligten, Geflüchteten und den Menschen zukommen lassen, die ihr Leben nicht aus eigener Kraft gestalten können. Angesichts aktueller Herausforderungen wie der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine, Preissteigerungen und Energieknappheit warnte Bischof Gerber vor einer negativen Dynamik, die die Gesellschaft schwer belasten könnte. „In der Verantwortung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte in der Politik, in den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen, den Bildungseinrichtungen, den Vereinen und weiteren Akteuren werden wir einmal mehr gefordert sein, uns einzusetzen für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Ausgehend vom Löwen, der sowohl das Wappen des Landkreises Fulda als auch jene der Bundesländer Hessen und Thüringen ziert, und mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine wies Gerber zudem auf die gemeinsame Verantwortung über die Region hinaus hin: „Demokratische Verantwortung zeigt sich gerade da, wo wir die im Blick haben, die jenseits unserer Grenzen und doch unterm gleichen Sternenhimmel leben.“

Kulturprägende Wirkung

Für den Segen griff Bischof Gerber schließlich einen bekannten Hymnus auf, der dem Fuldaer Abt Rhabanus Maurus zugeschrieben wird – einem der maßgeblichen Vertreter der karolingischen Bildungsreform, die, ausgehend aus dem frühmittelalterlichen Kloster Fulda, ihre kulturprägende Wirkung bis heute in ganz Europa entfaltet. Die Auftaktveranstaltung wurde musikalisch umrahmt von Tobias Feldmann (Violine) und Muriel Razavi (Viola). +++ jessica auth

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