Soforthilfe nach Vergewaltigung – Angebote für Opfer im Hochwaldkrankenhaus

Friedberg. Ab Ende November können sich Opfer von Vergewaltigungen im Hochwaldkrankenhaus in Bad Nauheim medizinisch versorgen und auf Wunsch die Spuren sichern lassen. Das ist unabhängig von einer Strafanzeige möglich. Landrat Joachim Arnold verkündete den Start für das Programm „Soforthilfe nach Vergewaltigung“, mit dem der Wetteraukreis als erster hessischer Flächenkreis für Vergewaltigungsopfer eine wichtige Hilfe zur Verfügung stellt.

Wetterau beteiligt sich als einer der ersten hessischen Flächenkreise am Programm

„Das Programm hat in erster Linie zum Ziel, die medizinische Versorgung nach Sexualstraftaten zu verbessern und den schnelleren und besseren Zugang zu Hilfsangeboten nach einer Vergewaltigung sicherzustellen, und zwar unabhängig von einer Strafanzeige bei der Polizei“, macht Arnold deutlich. Hintergrund der Initiative ist es, Opfern den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erleichtern, ohne dass eine polizeiliche Anzeige erfolgt ist. „Wenn eine medizinische Versorgung unterbleibt, weil Betroffene Angst haben, dass über ihren Kopf und womöglich gegen ihren Willen eine Strafanzeige erfolgt, halte ich das für problematisch. Deshalb bin ich froh, dass mit diesem Programm die medizinische Soforthilfe in den Mittelpunkt gerückt wird, ohne die Frage der strafrechtlichen Verfolgung ganz außer Acht zu lassen.“

Spuren werden für ein Jahr gesichert

Für das Programm, das es bereits in den Städten Frankfurt, Darmstadt und Offenbach gibt, arbeitet der Fachdienst Frauen und Chancengleichheit gemeinsam mit dem Fachdienst Jugend und Soziales, der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Kahl, Dr. Koch und Metz, dem Frauen-Notruf Wetterau e.V., dem Gesundheitszentrum Wetterau gGmbH, dem Institut für Rechtsmedizin Gießen und dem Polizeipräsidium Mittelhessen – Polizeidirektion Wetterau eng zusammen.

Dabei haben die betroffenen Menschen die Wahl, eine medizinische Versorgung mit oder ohne Befundsicherung in Anspruch zu nehmen, unabhängig von der Erstattung einer Strafanzeige. Wenn die Spuren einer Vergewaltigung gesichert werden sollen, werden diese gerichtsverwertbar und anonymisiert an die Rechtsmedizin Gießen weitergeleitet, wo sie für ein Jahr aufbewahrt werden. In dieser Zeit können Betroffene entscheiden, ob sie die Spuren für eine Strafanzeige verwenden möchten. Die medizinische Nachsorge wird von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten übernommen, ein Beratungsangebot wird aktiv vom Frauen-Notruf Wetterau in Nidda geboten.

„Eine Vergewaltigung bedeutet für Betroffene immer eine Ausnahmesituation und Krise“, weiß Christa Mansky vom Frauen-Notruf Wetterau. „Mit der Soforthilfe nach Vergewaltigung ist es gelungen, dass Betroffenen einer schweren Straftat ein kompetentes Netzwerk im Wetteraukreis zur Verfügung steht. Damit sind gute Voraussetzungen geschaffen, dass von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt Betroffene gestärkt und ein späteres Strafverfahren durch die gesicherten Spuren erleichtert wird.“

„Mit dem Programm „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ wird ein adäquater Interessensausgleich zwischen den individuellen Ansprüchen des Opfers und dem Anspruch des Staates auf Strafverfolgung geschaffen. Die „Medizinische Soforthilfe“ gewährleistet eine vertrauliche, aussagekräftige und gerichtsverwertbare Spurensicherung beim Opfer und bietet insofern die Grundlage für eine spätere erfolgreiche Ermittlungsarbeit von Polizei und Justiz. Durch Aufklärung im Rahmen der Erstversorgung über verschiedene Beratungsangebote und Möglichkeiten einer Strafanzeige wird der Zugang zu den Beratungseinrichtungen erleichtert und die Anzeigenbereitschaft der Opfer erhöht“, sagt Kirsten Schäfer, Opferschutzkoordinatorin der Polizeidirektion Wetterau.

„Die Hemmschwelle, nach einer Vergewaltigung sofort zur Polizei zu gehen, ist zumeist groß, so dass häufig aus Angst eine Strafanzeige und die damit verbundene medizinische Untersuchung unterbleibt“, weiß Rechtsanwältin Dr. Maike Koch aus ihrer beruflichen Praxis. „Das Programm hat den großen Vorteil, dass medizinische Befunde gerichtsverwertbar für ein Jahr aufbewahrt werden. Dies ermöglicht Betroffenen, innerhalb dieser Zeit auf die Befunde zugreifen zu können und die Beweisführung im Strafverfahren damit zu erleichtern.

Dr. Ulrich Groh, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie im Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim, will Opfer von Sexualdelikten dazu ermutigen, sich nicht schamhaft zurückzuziehen, sondern helfen zu lassen. „Wir als Ärzte können helfen, indem wir Frauen, die sich gegen eine Anzeige entscheiden, beraten und behandeln. Mit oder ohne Auftrag der Polizei können wir Spuren für eine qualifizierte Befunddokumentation erheben.“ Das Angebot richtet sich in erster Linie an Frauen, steht aber auch Männern zur Verfügung. Landrat Joachim Arnold dankte zudem der Sparkasse Oberhessen für die Zusage, 5.000 Euro für dieses Angebot zur Verfügung zu stellen. +++ fuldainfo

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