Vortrag „Die katholische Kirche in der DDR“ in der Gedenkstätte Point Alpha

Zahlreiche Besucher konnte Benedikt Stock im Namen der Point Alpha Stiftung im Haus auf der Grenze begrüßen.

Die katholische Kirche war ein Stachel im Fleisch der DDR. Besonders tief saß er vor allem in den „schwarzen Ecken“ – wie der des Geisaer Amtes – wo er der diktatorischen Staatsführung immer wieder unangenehme Schmerzen verursachte. Interessante Fakten zum Thema „Die katholische Kirche in der DDR“ mit spannenden Geschichten aus dem kirchlichen Leben des Rhöner Sperrgebietes lieferte Walter Schönfeld vom Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“ gemeinsam mit Tim Keller von der Point Alpha Stiftung bei einer gut besuchten Abendveranstaltung in der Gedenkstätte Point Alpha.

„Die katholische Kirche in der DDR“ war das Vortragsthema in der Gedenkstätte Point Alpha. Von links: der Geschäftsführende Vorstand der Point Alpha Stiftung Benedikt Stock, Referent Walter Schönfeld vom Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“, der wissenschaftliche Mitarbeiter der Point Alpha Stiftung Tim Keller und der 1. Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Johannes Henning.

Die katholische Kirche in der DDR befand sich konfessionell in der Minderheit. Der Glaube stand im Widerspruch zum Kommunismus und die Gläubigen in permanenten Konflikt mit den Machthabern. Die SED wollte die Religion zurückdrängen, die Kirche am liebsten ganz abschaffen, doch in den katholisch geprägten Regionen in Thüringen blieben die Gläubigen besonders „widerspenstig“. Bemühungen der SED und die Zersetzungsversuche der Staatssicherheit fruchteten in Geisa und Umgebung nicht. „Im Gegenteil“, berichtet Walter Schönfeld den 110 Zuhörern im vollbesetzten Forum im Haus auf der Grenze. „Die mehrheitlich katholischen Bewohner im Sperrgebiet des Geisaer Amtes oder auch im Eichsfeld hielten trotz ständiger Überwachung an ihren religiösen Bräuchen fest“, sagt Schönfeld und belegt seine Behauptung anhand vieler Beispiele aus Stasi-Unterlagen über die Region. So ergibt sich für die 1950er Jahre, dass die Bewohner im Geisaer Amt regelmäßig kirchlichen Feiertagen und örtlichen Patronatstagen den Vorzug gaben und nicht zur Arbeit oder dem Schulunterricht erschienen. Noch 1959 stellt ein MfS-Mittarbeiter in seinem Geheimbericht resigniert fest: „Durch den überirdischen Glauben gerät jede politische Arbeit ins Hintertreffen.“

Angst vor politischen Unruhen hatten Honecker, Mielke & Co. als 1976 zur 350-jährigen Gelübdefeier „Maria im Schnee“ mit Alfred Kardinal Bengsch rund 2000 Besucher in Schleid erwartet wurden. Viele Zuhörer erinnern sich lebhaft an das Knattern eines Agrarflugzeugs, das während der Feier im Tiefflug über der barocken Kirche und dem Festgelände kreiste. Schnell war die Stasi als Ursache für die Störung ausgemacht, doch aus den Quellen geht hervor, dass die Stasi wohl nicht die Störung als Provokation initiiert hatte. Eine wichtige Rolle spielten die katholischen Gotteshäuser auch bei der Friedlichen Revolution. So trafen sich am 18. September 1989 etwa 20 mutige Bürger zum ersten Friedensgebet in der katholischen Kirche Geisa, die dann bei den Treffen im November bis zur Grenzöffnung jedes Mal mit 800 Menschen „gerammelt voll war“.

Das Verhältnis der katholischen Kirche zum Staatssozialismus war also sehr speziell und natürlich nicht frei von Widersprüchen. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche war der Umgang der katholischen Amtskirche mit der SED-Diktatur von weniger Dynamik geprägt. Früh war nach einem Erlass von Konrad Kardinal Preysing der Handlungsspielraum der Geistlichkeit wie auch der Kirchenvorstände im Umgang mit staatlichen Stellen stark reglementiert. Nur die Bischöfe waren berechtigt, Erklärungen jedweder Art abzugeben. Damit verstärkte sich der Eindruck, dass sich die Katholiken aus allen gesellschaftlichen Problemen heraushielten, sozusagen politische Abstinenz übten – mit dem Ziel, sich auf keinen Fall vom SED-Staat vereinnahmen zu lassen.

Der Fokus der Bischöfe lag auf der Seelsorge und dem Schutz ihrer Gemeinden vor der ideologischen Vereinnahmung. Politisch wiederum wurde die Teilung Deutschlands in keiner Weise akzeptiert und die Verbindung zu den Bistümern in Westdeutschland aufrechterhalten. „Das Haus DDR war für die katholische Kirche ein fremdes Haus. Devise war, die Zeit darin zu überdauern“, zitierte Tim Keller, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Point Alpha Stiftung, den früheren Bischofs Dr. Otto Spülbeck. Zwar hatte der Heilige Stuhl in Rom per Dekret die Amtsbereiche in der DDR neu geordnet, dennoch blieb die Einheit der Bistümer erhalten. So gehörte das Dekanat Geisa trotz der Innerdeutschen Grenze weiterhin zum Bistum Fulda.

Zu Beginn hatte Benedikt Stock das Publikum und die Referenten begrüßt. Der Geschäftsführende Vorstand der Point Alpha Stiftung bedankte sich beim Heimat- und Geschichtsverein für die Kooperation bei dieser spannenden Forschungsarbeit sowie bei der Unterstützung durch deren ersten Vorsitzenden Johannes Henning und die Zuarbeit der Stadt Geisa mit Bürgermeisterin Manuela Henkel. Besonderen Dank sprach er den beiden Referenten aus, die über ein halbes Jahr Vorarbeit für die sehr gelungene Abendveranstaltung leisteten. +++ pm