Union und FDP für Maßnahmenaufhebung bei nichtansteckenden Geimpften

Bundestags-Gutachter zweifeln an Ausgangssperre

Union und FDP haben sich hinter die Forderung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gestellt, Einschränkungen für Geimpfte dann aufzuheben, wenn von ihnen kein Ansteckungsrisiko mehr ausgeht. „Sollte sich herausstellen, dass ein Impfstoff in seiner Wirkung dazu führt, dass jemand trotz Impfung weiterhin infektiös sein kann, muss das selbstverständlich berücksichtigt werden“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Möglicherweise ist bei den einzelnen Impfstoffen auch zu differenzieren, inwieweit Grundrechtseinschränkungen aufgehoben werden können.“

Er hoffe, dass es dazu bald eine gesicherte Studienlage gebe. Sobald feststehe, dass keine Infektionsgefahr mehr von Geimpften ausgehe, „müssen wir auch die Grundrechtseingriffe entsprechend anpassen“, bekräftigte Frei. „Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass dann die besonders intensiven Einschränkungen der grundrechtliche Freiheiten wieder aufgehoben werden müssen. Alles andere hielte ich für verfassungsrechtlich nicht haltbar.“ Zuvor hatte Lambrecht den Funke-Zeitungen gesagt: „Menschen, die geimpft sind und von denen nachweisbar keine Gefahr für andere ausgeht, müssen zurückkommen zur Normalität.“ Die Einschränkung von Grundrechten könne „bei denjenigen Impfstoffen aufgehoben werden, bei denen nachgewiesen ist, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht, die diese Einschränkung rechtfertigen würde“. Wissenschaftler müssten sagen, welche Impfung welche Wirkung hat. „Wenn das Ansteckungsrisiko nicht ausreichend reduziert wird, geht von dem Geimpften ja noch eine Gefahr aus. Dann können die Einschränkungen auch nicht aufgehoben werden.“ Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki nannte die Einschätzung Lambrechts „weitgehend zutreffend“. Deshalb sei es „aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig, dass das Robert-Koch-Institut unmittelbar eine entsprechende Stellungnahme darüber abgibt, bei  welchem Impfstoff eine Ansteckungsgefahr für andere nicht besteht“. Der Bund habe allerdings nicht die Befugnis, die Freiheitsrechte Geimpfter per Verordnung wiederherzustellen. „Wenn keine Gefahr von Geimpften ausgeht, gelten diese Rechte einfach wieder – da kann der Verordnungsgeber machen, was er will“, sagte Kubicki den Funke-Zeitungen. „Deshalb ist die vorgelegte Änderung des Infektionsschutzgesetzes verfassungswidrig, weil zum Beispiel bei der Ausgangssperre zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften nicht unterschieden wird.“

Bundestags-Gutachter zweifeln an Ausgangssperre

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben in einem Gutachten große Zweifel an der im Infektionsschutzgesetz geplanten Ausgangsbeschränkung geäußert. Das berichtet die „Welt“. So heißt es: „Die Ausgangsbeschränkung in der Nacht ist kritisch zu bewerten. Ob sie einer abschließenden verfassungsgerichtlichen Prüfung standhielte, dürfte zweifelhaft sein.“ In der Ausarbeitung wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber in der „vorliegenden Krisensituation“ über einen großzügigen Gestaltungsspielraum verfüge. Bei den im Infektionsschutzgesetz geplanten Maßnahmen stelle sich aber die Frage der Verhältnismäßigkeit. Zudem wird der 7-Tage-Inzidenzwert von 100 als Maßstab für die Maßnahmen in Frage gestellt. So schreiben sie: „Auf der Stufe der Angemessenheit wirken sich die genannten Bedenken gegen den Inzidenzwert von 100 als Tatbestand der Maßnahme aus.“ Auf der einen Seite bestünden Bedenken, „dass mit dem Inzidenzwert von 100 noch kein hinreichend gewichtiger Tatbestand begründet ist“. Auf der anderen Seite sei die Ausgangssperre „ein erheblicher Grundrechtseingriff“. Der im Infektionsschutzgesetz-Entwurf genannte Schwellenwert sei damit zu niedrig angesetzt. Auch das Fehlen von „Ausnahmen für Geimpfte“ wird kritisiert. So schreiben die Wissenschaftlichen Dienste: „Soweit öffentliche Äußerungen zu diesem Thema vorliegen, vertreten Verfassungsrechtler ganz überwiegend (falls nicht sogar einhellig) die Auffassung, dass Grundrechtseingriffe für Geimpfte grundsätzlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.“ +++