Das NATO-Land Türkei will künftig bei der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitarbeiten. Ankara bietet an, im Rahmen der EU-Verteidigungsinitative „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Pesco) formal bei einem milliardenschweren Projekt mitzumachen, das zur Verbesserung von Truppen-und Materialtransporten in Europa dient. Ein entsprechender schriftlicher Antrag der türkischen Regierung ist vor gut einer Woche im Verteidigungsministerium der Niederlande eingegangen, berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf hohe informierte EU-Diplomaten. Den Haag koordiniert das Projekt zur Verbesserung der militärischen Mobilität, an dem insgesamt 24 EU-Staaten mitarbeiten. Erst Anfang Mai (6. Mai) hatten die EU-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen in Brüssel beschlossen, dass die USA, Kanada und Norwegen sich als erste Drittstaaten an dem Pesco-Projekt zur militärischen Mobilität beteiligen können.
Mit Spannung wird jetzt erwartet, wie die EU-Staaten Zypern und Griechenland – beide Länder unterhalten äußerst gespannte Beziehungen zur Türkei – auf den Antrag aus Ankara reagieren werden, berichtet das Blatt weiter. „Wir hoffen, dass eine mögliche Mitarbeit der Türkei an Pesco nicht nur die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO verbessert, sondern auch zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern beziehungsweise Griechenland führen kann“, hieß es weiter in Diplomatenkreisen. Als wichtigste Gründe für den Antrag aus Ankara werden in EU-Kreisen die bereits kürzlich beschlossene Mitarbeit der Amerikaner an der EU-Verteidigungspolitik und die seit einigen Monaten angestrebte Wiederannäherung zwischen der Europäischen Union und der Türkei genannt. Hintergrund: Seit November 2020 können sich auch Drittstaaten an Pesco beteiligen. Die USA, Kanada und Norwegen hatten Ende Februar eine Mitarbeit beantragt, die dann nach einer mehrstufigen Prüfungsphase im Mai von der EU beschlossen wurde. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bezeichnete die Drittstaaten-Beteiligung im November 2020 als „Durchbruch“, der auch einen „Impuls“ für die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO bedeute.
Die Verbesserung der militärischen Mobilität in Europa ist eines von derzeit insgesamt 46 Pesco-Projekten. Die ersten laufen bereits seit März 2018. Ziel von Pesco ist, die Handlungsfähigkeit der EU in der Sicherheits-und Verteidigungspolitik deutlich zu verbessern und sogenannte Fähigkeitslücken zu schließen. Fast jedes Mitgliedsland koordiniert ein bestimmtes Pesco-Projekt, an dem sich jeweils eine unterschiedliche Zahl von Staaten beteiligen können. Deutschland koordiniert sogar sechs Projekte. Dazu gehören der Aufbau eines Europäischen Sanitätskommandos, eine Initiative zur Verbesserung der Krisenreaktionsfähigkeit der EU-Länder und die Installierung eines europaweiten Netzwerks von sogenannten Logistik-Drehscheiben, um Truppen und Material schnell verlegen zu können. Das von d en Niederlanden koordinierte Projekt zur Verbesserung der militärischen Mobilität gehört nach Ansicht von EU und NATO zu den wichtigsten Maßnahmen überhaupt in der europäischen Verteidigungspolitik. Sollte es künftig tatsächlich gelingen, den Transport von Truppen und Material innerhalb Europas durch milliardenschwere Investitionen in Brücken, Straßen und Schienenverkehr und durch den Abbau von zwischenstaatlicher Bürokratie bei der Erteilung von Durchfahrgenehmigungen zu reduzieren, so würde dies die Einsatzbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit des Westens deutlich verbessern. +++