Thierse kritisiert Papst-Appell an Ukraine

Wagenknecht nimmt Papst gegen Kritik in Schutz

Wolfgang Thierse (SPD)

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat den Appell von Papst Franziskus zu Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine kritisiert. „Ich halte die Äußerungen von Papst Franziskus für politisch falsch, auch wenn ein Kirchenführer nicht die realpolitisch-pragmatischen Auffassungen von Politikern unterstützen muss“, sagte Thierse dem „Tagesspiegel“.

„Es wäre besser, wenn sich der Papst mit seinem Appell zu Friedensverhandlungen zuerst an den Aggressor Putin richten würde. Einen solchen Appell würde ich nachdrücklich unterstützen.“ Sollte die Ukraine dem Rat des Papstes folgen, „so hätte das schwere Folgen für die Ukraine und Europa“. Putin würde sich ermuntert sehen, „seinen brutalen Imperialismus fortzusetzen“, sagte Thierse, der bis 2021 Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken war.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) erklärte am Sonntag auf Anfrage des „Tagesspiegels“, der Heilige Stuhl habe die Sache auch angesichts des Zusammenhangs im Interview eingeordnet. Dieser Erklärung aus Rom sei „nichts hinzuzufügen“, teilte DBK-Sprecher Matthias Kopp dem „Tagesspiegel“ mit. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann reagierte unterdessen empört auf die Äußerungen von Papst Franziskus: „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, sagte Strack-Zimmermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?“ Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses fügte hinzu: „Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.“

Wagenknecht nimmt Papst gegen Kritik in Schutz

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht verteidigt Papst Franziskus gegen Kritik an seinen Äußerungen zur Ukraine. „Die Aufforderung des Papstes, endlich Friedensverhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs aufzunehmen, ist mutig und klug“, sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Anders als die Bellizisten aus Union, Grünen und FDP, die unser Land mit Taurus-Lieferungen direkt zur Kriegspartei machen möchten, nimmt Papst Franziskus die Friedensbotschaft des Christentums ernst.“ Die Kritik an ihm sei respektlos und vielfach unter der Gürtellinie. „Im Ukraine-Krieg wird schon lange nicht mehr gewonnen, sondern nur noch gestorben“, so die Parteivorsitzende. Nach den Worten von Franziskus sollte die Ukraine den Mut haben, ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln. „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“, hatte der Papst dem Schweizer Rundfunksender RSI gesagt. Er denke, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“, so der Pontifex. ++