Staatsrechtler: Merkel könnte Schmidt sofort entlassen

Hendricks überging Schmidt

Angela Merkel (CDU)
Angela Merkel (CDU)

Berlin. Nach Einschätzung von Experten könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nach dessen Alleingang bei der Zustimmung zum Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in der EU sofort entlassen. „Die Kanzlerin kann jederzeit einen Minister entlassen, das heißt dem Bundespräsidenten den Minister zur Entlassung vorschlagen“, sagte der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart dem „Handelsblatt“. „Dies kann jederzeit geschehen, besondere Entlassungsgründe sind nicht erforderlich.“

Der Bundespräsident sei an diesen Vorschlag gebunden. „Die Kanzlerin müsste also nicht das Ja des Bundespräsidenten einholen.“ Hintergrund ist, dass die derzeitige Bundesregierung lediglich geschäftsführend im Amt ist und die Minister von der Kanzlerin gebeten worden waren, die Geschäfte weiterzuführen. Damit ist sie rechtlich nicht verpflichtet, eine Ministerentlassung vorab mit dem Bundespräsidenten abzustimmen. „Die Kanzlerin kann ihr Ersuchen an Minister Schmidt, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen, das sie gemäß Grundgesetz-Artikel 69 Absatz 3 ausgesprochen hat, jederzeit widerrufen und damit den Minister entlassen“, sagte Joachim Wieland, Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, dem „Handelsblatt“. „Da nicht der Bundespräsident, sondern die Bundeskanzlerin das Ersuchen ausgesprochen hat, benötigt sie dazu nicht die Zustimmung des Bundespräsidenten.“

Hendricks überging Schmidt

Laut eines Berichts hat auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sich nicht an Absprachen im Kabinett gehalten und entgegen der ablehnenden Haltung von Agrarminister Christian Schmidt kurz vor der Bundestagswahl eine Verordnung in Kraft gesetzt. Dies geht aus einem Brief von Minister Schmidt an Hendricks vom 28. September hervor, berichtet das Handelsblatt weiter. Darin rügt Schmidt „eine schwerwiegende Verletzung des notwendigen Vertrauensverhältnisses in der Zusammenarbeit im Bereich der Meeresumwelt“. Auslöser des Streits war die Ausweisung von Schutzgebieten in Nord- und Ostsee. „Mit Verwunderung nehme“ er zur Kenntnis, schrieb Schmidt, „dass Sie am 22. September 2017 die Verordnungen über die Festsetzungen von Naturschutzgebieten in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee (AWZ-Schutzgebietsverordnungen) ausgefertigt haben, die nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 27. September 2017 mit dem 28. September 2017 in Kraft treten“.

Er selbst habe „in mehreren Schreiben“ darauf hingewiesen, „dass die wissenschaftliche Grundlage für das in den Schutzgebietsverordnungen enthaltene Verbot der Freizeitfischerei nicht hinreichend dargetan ist“, erklärte Schmidt. Solche Verbote ohne Grundlage schadeten „der Glaubwürdigkeit der deutschen Umweltpolitik“. Daher habe er seinen „Ministervorbehalt gegen die Verordnungen gestützt“, schrieb er weiter. „Über diesen Vorbehalt haben Sie sich mit der Ausfertigung der Verordnungen, ohne dass nach nunmehr über zweieinhalbjährigen Beratungen ein neues zeitliches Moment eingetreten wäre, hinweggesetzt.“ Schmidt war in die Kritik geraten, weil er auf europäischer Ebene entgegen der ablehnenden Haltung Hendricks` dafür stimmen ließ, den Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat für weitere fünf Jahre zu erlauben. +++