SPD will entschiedener gegen Kinderarmut vorgehen

Armutsforscher kritisiert Familien-Gesetz als "kleinteilig"

Kindesmissbrauch

Die SPD will entschiedener gegen Kinderarmut vorgehen. Nach langer interner Debatte setzen sich die Sozialdemokraten jetzt dafür ein, eine eigenständige Kindergrundsicherung einzuführen, womit sie unter anderem das Ziel verfolgen, Kinder aus dem Hartz-IV-System herauszuholen. Das geht aus einem Beschlusspapier für die am Donnerstag beginnende Klausurtagung der Bundestagsfraktion hervor, über welches die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Darin heißt es: „Mit Kinderarmut werden wir uns nicht abfinden.“

Deshalb arbeite die SPD an „einer eigenständigen Absicherung für Kinder“. Dem Papier nach soll noch „in diesem Jahr“ ein Konzept vorgelegt werden. Im Kern geht es beim Thema Kindergrundsicherung darum, bestehende Sozialleistungen und steuerliche Förderungen für Familien zu bündeln. Nur noch eine einzige Transferleistung soll den Grundbedarf für Kinder abdecken. Debattiert werden Beträge von etwa 620 Euro, die bei höheren Einkommen abg eschmolzen werden. Sozialverbände halten dieses System für gerechter als den Status quo. Die Forderung nach einer Grundsicherung für Kinder reiht sich ein in die Strategie der SPD, Kinder-, Familien- und Bildungspolitik „in den Mittelpunkt“ ihres politischen Handelns zu stellen, wie es im Beschlusspapier der Fraktion heißt. Auch weitere führende Sozialdemokraten machen sich für einen Systemwechsel stark. Je nach Ausgestaltung könnte er Milliarden kosten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, in dessen Bundesland bereits an einem Konzept für eine Kindergrundsicherung gearbeitet wird, sagte der SZ: „Wir brauchen ein einfaches und bürgerfreundliches System, das insbesondere Kinderarmut wirksam bekämpft.“ Es sei nicht einzusehen, dass eine eigentlich wohlhabende Gesellschaft für dieses Problem bislang keine befriedigende Lösung gefunden habe. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), der im Mai Bürgerschaftswahlen zu bestehen hat, nannte die Einführung einer Kindergrundsiche rung „unabdingbar“. Allein in Bremen und Bremerhaven würden mehr als 35.000 Kinder davon profitieren. „Den Sozialstaat wieder stark zu machen“, sei die beste Unterstützung, die er im Wahlkampf von seiner Partei bekommen könne.

Armutsforscher kritisiert Familien-Gesetz als „kleinteilig“

Nach Ansicht des Armutsforschers Christoph Butterwegge profitieren vom „Starke-Familien-Gesetz“ der Bundesregierung vor allem Mittel- und Oberschichteltern. „Die am 1. Juli beginnende und in zwei Stufen erfolgende Anhebung des Kindergeldes um insgesamt 25 Euro pro Monat für jedes Kind und die analoge Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrages sind besonders für Mittel- und Oberschichteltern erfreulich, während Eltern im Hartz-IV-Bezug davon nicht profitieren, weil ihnen der höhere Geldbetrag auf ihre Transferleistung angerechnet wird“, sagte Butterwegge der „Heilbronner Stimme“. Wenigstens gebe es ein paar kleine Verbesserungen für Geringverdiener, etwa beim Kinderzuschlag, der verhindern soll, dass Menschen nur wegen ihres Nachwuchses in Hartz IV fallen. „Damit lässt sich die Hartz-IV-Statistik um zahlreiche Fälle bereinigen, jedoch nicht erreichen, dass etwa die betroffenen Alleinerziehenden und ihre Kinder ein Leben deutlich oberhalb der Hartz-IV-Regelbedarfe führen können.“ Sehr viel wirkungsvoller wäre nach Ansicht des Armutsforschers eine kräftige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns, der mit 9,19 Euro brutto pro Stunde immer noch der niedrigste in ganz Westeuropa sei. Der Gesetzentwurf sei insgesamt nicht weitreichend genug, so Butterwegge. „Eltern, die wegen ihres geringen Einkommens das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) in Anspruch nehmen können, erhalten mehr Geld aus dem Schulstarterpaket, was ebenso zu begrüßen ist wie der Umstand, dass ihnen die Zuzahlung für das Mittagessen ihrer Kinder in einer Ganztagseinrichtung und für die Schülerbeförderung erlassen wird.“ Trotzdem gleiche das von CDU, CSU und SPD geschnürte „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Kinderarmut“ einem Päckchen, welches nur „kleinteilige Einzelmaßnahmen“ enthalte, „statt die besonders für Kinder und Jugendliche viel zu niedrigen Regelbedarfe zu erhöhen“. +++

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