SPD-Vize Stegner stellt Große Koalition infrage

Ralf Stegner (SPD)

Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner zweifelt am Fortbestand der Großen Koalition in Berlin nach der Landtagswahl in Hessen. Die „katastrophale Entwicklung“ der vergangenen Monate und das Wählervotum in Bayern zeigten eindeutig, „dass es es so nicht weitergehen kann“, sagte Stegner der „Welt“. „Wenn sich das Erscheinungsbild der Berliner Koalition nicht rasch und drastisch ändert, dann wird dieses Bündnis keinen Bestand haben.“

Stegner kündigte zugleich an, dass die eigentlich nach zwei Jahren vorgesehene grundlegende Überprüfung des Koalitionsvertrages durch die SPD-Gremien „deutlich früher“ stattfinden könnte. Der SPD-Parteivize warnte die Sozialdemokraten vor „Panikreaktionen“ nach der Hessen-Wahl. Er ergänzte aber: „Was jetzt noch innerhalb dieser Koalition geht, darüber werden wir sehr ernsthaft diskutieren müssen.“ Es sei falsch zu glauben, dass ein Rücktritt des umstrittenen Bundesinnenministers der SPD in der schwarz-roten Koalition helfen würde: „Ich warne vor dem Irrglauben, dass Personalentscheidungen anderer Parteien die Probleme der SPD lösen.“ Stegner mahnte seine Partei gleichzeitig dazu, künftig wieder sehr viel klarere Positionen zu beziehen, zum Beispiel im Diesel-Skandal und beim Thema Waffenexporte. „Wir müssen parallel zur Arbeit in der Regierung Klartext reden und in deutlicher Abgrenzung zur Union sagen, was wir wollen.“

NRW-Landeschef Hartmann warnt SPD-Spitze vor Ausstieg aus GroKo

Der nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Sebastian Hartmann hat die Spitzengremien der Bundes-SPD vor einem Ausstieg aus der Großen Koalition gewarnt. Trotz der schlechten Werte der Sozialdemokraten in den Umfragen müsse der Parteivorstand stattdessen „Nerven bewahren“ und „endlich die geforderte neue Strategie für eine eigenständige Sichtbarkeit der Sozialdemokratie entwickeln“, sagte Hartmann der „Welt“. Er verwies zugleich auf das „bindende Mitgliedervotum“, durch das erst vor wenigen Monaten entschieden worden sei, in eine Große Koalition einzutreten. „Diese Zweidrittelmehrheit gilt und kann nicht durch irgendeine kleine Funktionärsgruppe oder einen einfachen Vorstandsbeschluss aufgehoben werden.“

Ähnlich äußerte sich die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier, die ebenfalls vor einem Bruch der großen Koalition nach einer möglichen Wahlniederlage der Sozialdemokraten in Hessen warnte. „Die Regierungsbeteiligung in Berlin hat erst einmal nichts mit der Landtagswahl zu tun.“ Der Abwärtstrend ihrer Partei im Bund sei nicht durch abrupte Kehrtwenden, sondern nur durch „glaubwürdige Politik über eine lange Strecke“ zu stoppen. Skeptischer äußerten sich hingegen die Landeschefs der beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen.

Bei einer „krachenden Niederlage“ in Hessen, so die Hamburger SPD-Chefin Melanie Leonhard, werde der Druck von vielen an der Basis, die Koalition in Berlin aufzukündigen, weiter wachsen. Der Bundesvorstand der Partei müsse deshalb nach der Hessen-Wahl „rational abwägen, ob und wie es noch eine positive Perspektive gibt für die große Koalition“. Die Bremer Landeschefin Sascha Aulepp kündigte an, nach der Hessenwahl innerparteilich über eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition diskutieren zu wollen. Aus ihrer „zunehmend skeptischen Haltung“, wolle sie keinen Hehl machen.

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