So schnell keine Sonntagseinkäufe in Selbstbedienungsläden

Landtagsabgeordnete fraktionsübergreifend dafür

Automatisierte Selbstbedienungsläden wie der tegut-„teo“, ein Modell des heimischen Biopioniers „tegut“, sollen auch an Sonn- und Feiertagen hessenweit für Verbraucherinnen und Verbraucher öffnen dürfen. Hierfür plädiert aktuell zumindest eine Mehrheit im Hessischen Landtag in Wiesbaden. Doch ob und wann tatsächlich mit einer Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG) gerechnet werden kann, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Zumindest zeigten sich bei der Debatte im Hessischen Landtag viele Abgeordnete fraktionsübergreifend durchaus offen gegenüber einer Abänderung des Ladenöffnungsgesetzes, zumal Tankstellen mit ihren Minimärkten an Sonn- und Feiertagen ja auch durchweg geöffnet haben. Aber Selbstbedienungsläden wie die tegut-teos müssen an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben – und das obwohl hier auf Personal verzichtet wird.

Solche Regelungen sind laut der FDP-Landtagsfraktion angestaubt. Im Sinne einer innovationsfreundlichen Wirtschaftspolitik und im Interesse einer möglichst wohnortnahen Nahversorgung der Bürgerinnen und Bürger sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Öffnung von vollautomatisierten Verkaufsmodulen auch an Sonn- und Feiertagen angepasst werden. Durch den Einsatz digitaler Technologien wird die wohnortnahe Grundversorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs der Bürgerinnen und Bürger insbesondere in kleineren Kommunen und Ortsteilen sowie in Stadtteilen verbessert. Automatisierte Verkaufsstellen mit maximal 100 Quadratmetern und Artikeln für die Grundversorgung des täglichen Bedarfs sollen künftig auch an Sonntagen öffnen dürfen, heißt es im Antrag der FDP-Landtagsfraktion. „Das hessische Ladenöffnungsgesetz wird den Entwicklungen im Handel nicht gerecht. Es braucht eine Reform, um den Fortschritt nicht auszubremsen“, erklärt Dr. Stefan Naas, wirtschaftspolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, anlässlich des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel zur Sonntagsöffnung der „teo“-Märkte von tegut. „Dass die ‚teo‘-Läden nun nicht mehr an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen, ist nicht nur schlecht für die Wirtschaft, sondern auch für die Kunden. Viele Verbraucher sind beispielsweise aus beruflichen Gründen darauf angewiesen, auch an Sonntagen einkaufen zu können“, sagt Naas.

CDU-Landtagsfraktion: Einen allgemeinen und umfassenden Rechtsrahmen für vollautomatisierte Verkaufsflächen schaffen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Heiko Kasseckert, sagte: „Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass vollautomatisierte Selbstbedienungsläden, die sonntags ohne den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auskommen, unter das Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen fallen. Diese Einschränkungen sind nicht mehr zeitgemäß und müssen gerade vor dem Hintergrund von Online-Angeboten überprüft und geändert werden. Neue Konzepte wie der teo-Markt von tegut…, zeigen die verbesserten Möglichkeiten zur Grundversorgung im ländlichen Raum für den stationären Handel. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes macht aber deutlich, dass eine neue gesetzliche Regelung notwendig ist. Unser Ziel ist es, durch eine Anpassung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG) die Sonntagsöffnung für vollautomatisierte Verkaufsflächen zur Grundversorgung und Dienstleistungsbetriebe, die an Sonntagen ohne Personaleinsatz auskommen, zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf der FDP, der lediglich eine Einzelfallregelung für die tegut…-teo-Märkte vorsieht, streben wir an, einen allgemeinen und umfassenden Rechtsrahmen für sämtliche vollautomatisierte Verkaufsflächen und Dienstleistungsbetriebe zu schaffen. Diese Zielsetzung ist mit komplexen rechtlichen Fragestellungen verbunden, die derzeit sorgfältig geprüft werden, um eine entsprechende rechtssichere Änderung des HLöG zu ermöglichen.“

SPD-Landtagsfraktion: Menschen, denen zum Beispiel kein Auto zur Verfügung steht, können von dieser Form des Einzelhandels profitieren.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Matthias Körner, zeigte sich offen gegenüber neuen Wegen für den Handel. Körner sagte im Dienstag im Plenum des Hessischen Landtags: „Die kleinen, vollautomatisierten Märkte, über die wir hier sprechen, können Lücken in der Nahversorgung schließen. Menschen, die aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht zu den üblichen Geschäftszeiten einkaufen gehen können oder denen kein Auto für die Fahrt zum Supermarkt ‚auf der grünen Wiese‘ zur Verfügung steht, können von dieser Form des Einzelhandels profitieren. Deshalb wollen und müssen wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Die Koalition sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf beim hessischen Ladenöffnungsgesetz (HLöG). Die Festlegung der entsprechenden Rahmenbedingungen soll in einem ergebnisoffenen Beteiligungsprozess erfolgen, in den der Handel, die Gewerkschaften und auch die Kirchen einbezogen werden. Dabei gilt es, die Größe der Verkaufsfläche, mögliche Fragen einer sonntäglichen Belieferung und die Konkurrenz zu bestehenden Verkaufsläden zu betrachten. Wenn wir ernsthaft eine Verbesserung der Versorgung im ländlichen Raum verfolgen, dann müssen wir uns bei aller gebotenen Eile auch die Zeit für ein ausgewogenes und rechtssicheres Gesetz nehmen. Schnellschüsse werden uns nicht weiterhelfen“.

Auch die Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales, Staatsministerin Heike Hofmann (SPD), hat sich in der Debatte um eine mögliche Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes zugunsten der Sonntagsöffnung sogenannter Minimärkte den in der Verfassung verankerten besonderen Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe betont. Die Ministerin warnte aber vor Aktionismus: „Niemandem ist mit einer Regelung geholfen, die vor den Gerichten keinen Bestand hat. Vor dem Hintergrund der engen verfassungsrechtlichen Grenzen wollen wir hier auf Grundlage eines Austauschs mit den Vertretern von Gewerkschaften, Wirtschaft, Kommunen und den Kirchen sowie den weiteren betroffenen Verbänden und Institutionen eine breit akzeptierte und rechtlich tragfähige Lösung entwickeln“, sagte Hofmann. Kasseckert und die SPD-Landtagsfraktion haben den FDP-Antrag letztlich als „Schnellschuss“ zurückgewiesen.

Hessischer Handelsverband: „Halten eine rasche Modernisierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes für geboten.“

Es geht hier grundsätzlich nicht alleine um das Modell des Unternehmens tegut…; das ist wichtig, zu betonen. Viele auf dem Markt aktive Lebensmittelhändler beschäftigen sich mit einer ähnlichen Lösung, so der Handelsverband Hessen e.V. auf Anfrage von fuldainfo.de. Hauptgeschäftsführer Sven Rohde erklärte: „Ich sehe eine große Notwendigkeit, dass wir uns in Hessen nicht vor technischen Innovationen verschließen und Unternehmen die Möglichkeit geben, in Forschung und Entwicklung zu investieren und ihre Neuerung dann auch auf dem Markt zu testen, in diesem Fall dann auch an Sonntagen, damit sich das alles auch wirtschaftlich trägt. Personallose und voll digitalisierte begehbare Automaten sichern die Versorgung des ländlichen Raums in Hessen und kompensieren den Fachkräftemangel. Ich möchte noch einmal unterstreichen: personallos! Das Auffüllen und Warten der Märkte findet nicht an den Sonntagen statt. Hessen muss hier voran gehen und ‚progressiv-pragmatisch‘ sein, wie es in der Regierungserklärung angekündigt wurde. Gerade für den ländlichen Raum will die neue hessische Landesregierung die Öffnung an Sonntagen ermöglichen, das steht so im Koalitionsvertrag. Wir halten eine rasche Modernisierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes für geboten; insbesondere, weil in benachbarten Bundesländern die Öffnung möglich ist. Um den hessischen Einzelhandel zukünftig wettbewerbsfähig aufstellen zu können, bedarf es der Innovation und Investition der Handelsunternehmen in Digitalisierungsprozesse. Hierfür ist es im Einzelhandel seit jeher dringend erforderlich, sich technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nicht zu verschließen, um den Wünschen der Kundinnen und Kunden zu jeder Zeit bestmöglich entsprechen zu können.“

Der Hessische Handelsverband vertritt den Standpunkt, dass begehbare Automaten mit einem reduzierten Warensortiment voll digitalisiert und gänzlich ohne Personal in den Märkten die Nahversorgung etwa in dünn besiedelten ländlichen Regionen sichern könnten. Dies diene auch dem Schutz einer alternden ländlichen Bevölkerung, deren Mobilität oft eingeschränkt ist. Insbesondere im ländlichen Raum böten sie die Möglichkeit, auch an Sonntagen sogar ohne Personaleinsatz die Nahversorgung zu gewährleisten, ohne dabei die Sonntagsruhe unverhältnismäßig zu stören.

Handelsverband: „Vertriebsformen wie teo könnten zum attraktiven Branchenmix in Innenstädten beitragen sowie diese lebendig halten.“

Branchenübergreifend sei auch im Einzelhandel ein sich immer weiter zuspitzenden Arbeits- und Fachkräftemangel angekommen. Auch vor diesem Hintergrund werde eine Digitalisierung der Vertriebswege zur Kompensation des zunehmenden Fachkräftemangels an Bedeutung gewinnen, ist sich der Hessische Handelsverband sicher. Die moderne Technik könne perspektivisch auch die Daseinsvorsorge in städtischen Ballungsräumen zuverlässig absichern und damit einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden in Hessen leisten. Außerdem könnten die neuen personallosen und digitalisierten Vertriebsformen einen attraktiven stationären Branchenmix in lebendigen Innenstädten sichern und so einen Beitrag für die Zukunft der hessischen Innenstädte und Stadtteilzentren leisten.

Die rasante technische Entwicklung bei den personalfreien Vertriebssystemen in der globalisierten Welt darf nicht ignoriert werden, fordert der Hessische Handelsverband. Und weiter: „Handelsunternehmen in Hessen benötigen mit Blick auf ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Investitionen und praktische Erfahrungswerte im Umgang mit diesen autonomen Vertriebssystemen. Diese bieten den Unternehmen auch die Möglichkeit, trotz Fachkräftemangels, weiterhin wirtschaftliches Wachstum in der Branche zu generieren. Dies ist unerlässlich, damit in der Branche auch weiterhin die für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit so wichtigen Investitionen getätigt werden können. Flächen- und Sortimentsbeschränkungen sind angesichts dieser Herausforderungen nicht zielführend, da sie innovationshemmend wirken würden. Ein gesetzliches Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung von personallosen und voll digitalisierten begehbaren Automaten in Hessen wäre keinesfalls zielführend, da dies innovationshemmend wirken und somit die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Handels beeinträchtigen würde. Um die begehbaren Automaten rentabel betreiben zu können, ist die Möglichkeit zur Öffnung an Sonn- und Feiertagen unerlässlich.“ +++ nh/ja