Seminarreise in die Altvaterregion

Herzliche Begegnungen bei deutschen Minderheiten

Seminargruppe vor dem Rathaus in Freiwaldau

Wiesbaden. Das „deutsch-tschechisch-polnische Miteinander im gemeinsamen Europa“ war Thema einer hoch interessanten 6-tägigen Seminarreise in die fern gelegene Altvaterregion und das benachbarte Oberschlesiengebiet , an dem in der vergangenen Woche rund 40 Personen, überwiegend aus Hessen, teilgenommen haben. Durchgeführt wurde diese vom Bundesministerium des Innern unterstützte Veranstaltung vom Deutsch-Europäischen Bildungswerk in Hessen e.V., einer langjährigen Einrichtung des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Hessen.

Im Rathaus von Neustadt v. li. : Margarete Ziegler Raschdorf, Bgm. Franciszek Fejdych, Siegbert Ortmann
Im Rathaus von Neustadt v. li. : Margarete Ziegler Raschdorf, Bgm. Franciszek Fejdych, Siegbert Ortmann

Auf dem umfangreichen Programm standen u.a. Empfänge in den Rathäusern von Freiwaldau/Jesenik (Tschechien) und Neustadt/Prudnik/Polen mit anschließenden Stadtführungen, ein Besuch der Schule der deutschen Minderheit in Ratibor-Studen/Raciborz-Studzienna, ein Aufstieg zum Berggipfel des Altvaters/Praded ( 1491 m), eine Fahrt mit der Hotzenplotz-Schmalspurbahn von Röwersdorf nach Hotzenplotz, Treffen in der Begegnungsstätte des Deutschen Freundschaftskreises in Ratibor-Studen und im Begegnungszentrum des Schlesisch-deutschen Verbandes in Jägerndorf/Krnov und insgesamt 13 Referate und Präsentationen über geschichtliche, kulturelle, regionale, aber auch aktuell politische Themen mit interessanten Diskussionen. Eine besondere Rolle spielten dabei die Beiträge und Begegnungen mit den jeweiligen deutschen Minderheiten vor Ort. So beeindruckte in Ratibor-Studen die Ortsvorsitzende des Deutschen Freundschaftskreises Ursel Lamla mit einem bewegenden Grußwort über die umfänglichen Aktivitäten der deutschen Volksgruppe nach der Wende und stellte bei dieser Gelegenheit den international bekannten, lokalen Eichendorff-Chor vor, der den Seminarteilnehmern gerne einige gelungene Kostproben seines gesangsmusikalischen Können darbot.

Vom jungen Bürgermeister in Freiwaldau, Adam Kalous, der erst seit 2014 im Amt ist, wurden die historischen Zusammenhänge des Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen in seiner Stadt sehr offen angesprochen und auch die über die „Kollektivschuld“ erzwungene Ausweisung der Deutschen bedauert. „Diese Menschen mussten ihre Heimat verlassen und alles zurücklassen, was ihre Vorfahren über Jahrhunderte geschaffen hatten“, so der Bürgermeister und schloss dann seine Ausführungen mit der Aussage: „ Das Wichtigste bei der Errichtung des gemeinsamen Haus Europa ist, dass beiderseitige Vertrauen aufzubauen, intensive Zusammenarbeit untereinander und die Kunst, gegenseitig zuzuhören“. Seminarleiter Siegbert Ortmann, der auch Landesvorsitzender des BdV-Hessen ist, bedankte sich für diese klare Positionierung zu den geschichtlichen Ereignissen seiner Heimat und wünschte dem jungen Kommunalpolitiker weiter viel Erfolg bei seiner Arbeit zum Wohle seiner Stadt und unseres gemeinsamen Hauses „Europa“.

Im Begegnungszentrum des „Schlesisch-deutschen Verbandes Jägerndorf konnten die Seminarteilnehmer aus dem Mundes des Vorsitzenden Horst Westphal erfahren, wie es zum „Haus der tschechisch-deutschen Verständigung“ überhaupt gekommen ist und welche zahlreichen Aktivitäten sich daraus seit dem Jahre 2002 entwickelten.
In Neustadt/Prudnik hieß Bürgermeister Franciszek Fejdych die Gäste aus Hessen im Rathaus willkommen und stellte seine „schlesische Stadt“ mit einer beeindruckenden Geschichte und ihrer europäischen Identität vor. Er verwies dabei auch auf die seit über 25 Jahren bestehende Städtepartnerschaft mit der niedersächsischen Stadt Northeim und die damit verbundene gegenseitige Zusammenarbeit vor allem beim Jugendaustausch und auf dem musikalischen Gebiet. Die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedlern, Margarete Ziegler-Raschdorf, ebenfalls Seminarteilnehmerin, hatte sodann Gelegenheit, mit einem Referat über ihre Tätigkeit im Sinne des europäischen Einigungsgedankens zu sprechen und es bewegte sie schon sehr, dies in dieser oberschlesischen Stadt ihrer elterlichen Wurzeln zu tun.

Eine Vorstellung dieser einstmals größten Stadt Schlesiens nahm der Heimathistoriker Janusz Stolarczyk bei einer anschließenden Stadtführung vor und führte bei sengender Mittagshitze die Besuchergruppe auch auf den touristisch vorbildlich hergerichteten 40 m hohen steinernen Wok-Burgturm, der ältesten Sehenswürdigkeit der Stadt. Von dort oben bot sich ein herrlicher Rundblickt über diese mittelalterliche Stadt und Umgebung. Untergebracht waren die Seminarteilnehmer während der gesamten Tagung im gemütlichen Gästehaus „MAX“ im beschaulichen Örtchen Arnoldsdorf/Jarnoltowek/Polen, unweit der tschechischen Grenze und damit zentral zu den einzelnen Tagungsorten gelegen. Die Anfahrten dorthin gestalteten sich immer recht kurzweilig, weil Seminarteilnehmer Dr. Stephan Kaiser, Direktor des Oberschlesischen Landesmuseums in Ratingen, diese „Programmpausen“ sinnvoll nutzte, wertvolle Informationen über Geschichte und Kultur, aber auch aktuelles Begebenheiten in Oberschlesien und dem Altvatergebiet zu geben. Vor dem abendlichen gemütlichen Beisammensein bei Grillspeisen und mitgeführten Rheingauer-Wein am Ende dieses Seminars stand noch ein hochinteressantes Referat über die deutsche Minderheit in Schlesien und die neue polnische Regierung auf dem Programm, das der Chefredakteur des Wochenblattes, einer Wochenzeitung aus Oppeln für die deutsche Minderheit in Polen in sehr gekonnter Weise hielt. Bei der weiten Rückreise nach Deutschland waren die Teilnehmer einhellig der Auffassung, herzliche Begegnungen mit den Mitgliedern der deutschen Minderheiten-Organisationen vor Ort und viele interessante Informationen aus der Altvaterregion und Oberschlesien erfahren zu haben. +++ fuldainfo | pm

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