Stockholm. Schwedens Außenminister Carl Bildt sieht Reformbedarf in der Europäischen Union: „Brüssel wird nur für die Probleme verantwortlich gemacht, nicht aber für die Errungenschaften. Das müssen wir dringend andern und neu über Europa und seine politische Führung diskutieren“, sagte Carl Bildt im Interview der „Welt“. Bildt hält den konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker für durchaus geeignet, die EU-Kommission künftig zu führen – kritisiert aber, dass der Wahlkampf überhaupt mit Spitzenkandidaten geführt worden ist.
„Ich war von Anfang an sehr skeptisch, was die Spitzenkandidaten anbelangt und ich habe daraus auch nie einen Hehl gemacht“, sagte Bildt: „Meine Befürchtung war, dass die Ernennung von Spitzenkandidaten den ganzen Prozess unnötig verkomplizieren würde – und es hat sich leider gezeigt, dass ich Recht hatte.“ Es sei immer schlecht, wenn in der Politik kein Spielraum für Kompromisse mehr bleibe. Der konservative Politiker warnt zudem vor Illusionen, was die Demokratie in der EU anbelange.
„Europa funktioniert nun einmal nicht wie ein Mitgliedsland, es ist keine parlamentarische Demokratie, in der die Parlamentsmehrheit automatisch die Regierung stellt.“ Den Argumenten von Rechtspopulisten begegne man durch die Lösung von Problemen wie dem wachsenden Flüchtlingsstrom aus Afrika und Nahost. „Ganz einfach, Europa muss liefern“, sagte Bildt der „Welt“. Nur so merkten die Bürger, was sie an Europa haben. Das gelte im Übrigen auch für Großbritannien, wo die Rufe nach einem Austritt aus der EU lauter werden. Diesen Schritt gelte es unbedingt zu vermeiden: „Wenn Großbritannien die EU verlässt, wäre die europäische Idee sicherlich gescheitert.“