Schutz für „kritische Infrastruktur“ soll verstärkt werden

Risikoforscher warnt vor Anschlägen gegen Energie-Infrastruktur

Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines sollen die Schutzverkehrungen erhöht werden. Gemeinsam mit seinen Partnern und Verbündeten in NATO und EU werde Deutschland die Vorsorge und den Schutz vor Sabotage für kritische Infrastruktur verstärken, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach einem Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit internationalen Partnern.

Der hatte sich am Freitag zunächst mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, danach mit Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, Norwegens Ministerpräsidenten Jonas Gahr Store und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in Video-Konferenzen zur Lage in der Ostsee nach den Vorfällen an den Nord-Stream-Pipelines ausgetauscht. Alle gegenwärtig vorliegenden Informationen wiesen demnach auf einen „vorsätzlichen Sabotageakt an den Pipelines“ hin, sagte der Regierungssprecher. Der Bundeskanzler soll Dänemark und Schweden zugesagt haben, Deutschland werde die gemeinsame Aufklärung der Vorfälle unterstützen. Die Regierungschefs verurteilten einhellig die ihrer Ansicht nach völkerrechtswidrigen Schritte Russlands zur Annexion ukrainischen Territoriums. Norwegen, Dänemark, Deutschland und Schweden würden die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Aggression weiterhin unterstützen, so der Regierungssprecher.

Risikoforscher warnt vor Anschlägen gegen Energie-Infrastruktur

Die Gefahr großflächiger Anschläge auf die Energieinfrastruktur ist nach Einschätzung des Energie- und Risikoforschers Peter Burgherr stark gestiegen. Wir diskutieren mittlerweile über Katastrophenszenarien, die wir vor ein paar Jahren noch für sehr unwahrscheinlich gehalten haben, sagte der Wissenschaftler des Schweizer Paul Scherrer Instituts dem „Spiegel“. Gezielte Angriffe gegen den Energiesektor häuften sich seit Jahren, sagte Burgherr, und die Angreifer veränderten sich. Früher waren es vor allem nicht staatliche Akteure, die Energieinfrastruktur angegriffen haben. Heute mischen einige staatliche Akteure mit: Die haben mehr Geld und Personal zur Verfügung, gehen viel professioneller vor, sagte der Experte. Burgherr hat zusammen mit einer US-Kollegin eine Datenbank mit mehr als 10.000 weltweiten Angriffen gegen Energieinfrastruktur seit 1980 aufgebaut. Der Anschlag auf Nord Stream habe in dieser Reihe eine neue Dimension, so Burgherr. Er richte sich gegen ein zentrales, grenzüberschreitendes Element der europäischen Energieversorgung, und dahinter stecke eine komplexe Operation, zu der in der Regel nur ein staatlicher Akteur fähig sei. Vor allem mit Attacken auf neuralgische Knotenpunkte wie Gasverdichterstationen oder Transformatorstationen für Strom könnten Angreifer massive und kurzfristig schwer reparable Schäden anrichten, sagte Burgherr. Immerhin seien diese Einrichtungen oft schon umfassend geschützt. Bei Pipelines oder Stromleitungen mit Hunderten Kilometer Länge sei dies schwieriger. Man könne aber davon ausgehen, dass besonders kritische Leitungen wie etwa die Nordsee-Gaspipelines von Norwegen nach Mitteleuropa jetzt noch intensiver überwacht werden als zuvor. +++