Politiker warnen vor Spekulationen über Nord-Stream-Explosionen

Deutsch, Bundestag

Im Zusammenhang mit neuen Erkenntnissen über den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee haben Politiker mehrerer Bundestagsfraktionen vor voreiligen Schlüssen und Spekulationen gewarnt. „Die Ermittlungsbehörden arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, diesen Sabotageakt schnellstmöglich aufzuklären. In Rechtsstaaten ist es eine Selbstverständlichkeit, die Ergebnisse dieser Ermittlungen abzuwarten“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Zum jetzigen Zeitpunkt seien „Rückschlüsse auf die Urheberschaft des Sabotageaktes reine Spekulationen“. Über die Ergebnisse der Ermittlungen werde Parlament und Öffentlichkeit „zum richtigen Zeitpunkt informiert“. Auch Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verweist auf die Ermittlungen des Generalbundesanwalts und rät zur Vorsicht. „Außer weiteren  Indizien scheinen bislang keine echten Beweise vorzuliegen, Spekulationen in einer so sensiblen Phase verbieten sich daher.“ Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sagte, man nehme die Berichte sehr ernst, gleichzeitig bleibe abzuwarten, „inwieweit sich diese bestätigen“.

Wadephul glaubt an Unschuld Kiews bei Nord-Stream-Explosionen

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul (CDU), glaubt nicht, dass die ukrainische Regierung der Urheber der Nord-Stream-Explosionen in der Ostsee ist. Sollten ukrainische Terroristen die Tat begangen haben, so könne man Kiew dafür nicht verantwortlich machen, sagte er dem TV-Sender „Welt“ am Mittwoch. „Ich glaube, es ist recht klar, weil es auch ein sehr deutliches Dementi gibt – und es gibt keinen Gegenbeweis – dass die ukrainische Regierung nicht beteiligt ist“, so Wadephul. „Wenn das eine nicht-staatliche Gruppe aus der Ukraine war, dann können wir den Staat der Ukraine, können das Land nicht dafür verantwortlich machen. Es zeigt einmal mehr: wir haben einige Akteure mehr als nur Staaten, die agieren“, sagte der CDU-Politiker. „Wir kennen das von Terroristen mittlerweile seit einigen Jahren, traurigerweise.“ Solche Gruppen operierten unabhängig von staatlichen Strukturen, so Wadephul. „Aber sie bedrohen Staaten, sie bedrohen uns, sie bedrohen Europa, sie bedrohen die freie Welt. Und wir müssen uns gegen diese Strukturen wehren können. Und das würde auch dafür gelten, dass eine Gruppe aus der Ukraine meint, so etwas durchführen zu können“, sagte der Unionsfraktionsvize. „Das ist nicht akzeptabel, das ist in jedem Fall – man kann zu Nordstream 1 und 2 stehen, wie man will – das ist auf jeden Fall ein inakzeptabler Angriff auf Infrastruktur.“ Insgesamt mahnte Wadephul einen stärkeren Schutz der kritischen Infrastruktur an. Nord-Stream sei nur ein Beispiel von vielen. „Wir haben sehr viel mehr kritische Infrastruktur, sind im Grunde schutzlos. Wir können sie nicht verteidigen, wir können noch nicht einmal aktuell beobachten, wer sie gefährdet. Und wir sind auch Monate danach offensichtlich noch nicht in der Lage klar zu identifizieren, wer einen derartigen Coup durchgeführt hat“, sagte er. „Das Seegebiet wird ständig überwacht und die Ostsee ist sozusagen unser Meer, ein Nato-Meer. Und dass dort solche Aktionen durchgeführt werden, ohne dass man das merkt, ohne dass man zu mindestens vor oder während der Aktion nachvollziehen kann, wer das gemacht hat, das stellt unseren Behörden kein besonders gutes Attest aus.“ Grundsätzlich müsse der Schutz kritischer Infrastruktur in der Nationalen Sicherheitsstrategie verankert werden, forderte Wadephul. „Diese Schutzlosigkeit, diese teilweise Blindheit können wir uns nicht länger erlauben. Wir müssen in unserer Nationalen Sicherheitsstrategie, an der die Bundesregierung jetzt ja zu Recht arbeitet, dringend nacharbeiten. Kritische Infrastruktur ist in der heutigen Zeit mindestens so wichtig wie die klassische Landes- und Bündnisverteidigung. Und deswegen müssen wir hier auch wehrhaft werden.“ Eine hundertprozentige Verteidigung der kritischen Infrastruktur sei sicherlich nicht möglich, aber man müsse sie „zumindest so zu überwachen, dass wir klar wissen, wer verübt dort Anschläge auf kritische Infrastruktur, damit wir Verantwortliche hinterher zur Rechenschaft ziehen können“, sagte der CDU-Politiker. „Es ist schon deprimierend im 21. Jahrhundert festzustellen, dass ein derart schwerwiegender Anschlag ausgeübt werden kann und wir heute immer noch im Nebel stochern.“ Zu den Ermittlungserkenntnissen hat Wadephul bislang als Abgeordneter des Deutschen Bundestages „keine Informationen erhalten“ – weder im Verteidigungsausschuss noch im Auswärtigen Ausschuss. „Im Gegenteil: Unsere Dienste haben uns gesagt, dass sie noch nicht in der Lage sind, uns zu sagen, welche Erkenntnisse sie haben, beziehungsweise sie haben keine Erkenntnisse, wer das gemacht hat“, sagte Wadephul. „Und das ist natürlich Monate nach so einem Vorfall in der Tat erschreckend und so kann es nicht bleiben.“

Union kritisiert Informationspolitik zu Nord-Stream-Anschlag

Die Unionsfraktion hat im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines im September die Informationspolitik der Ampel-Koalition kritisiert. Das „intransparente Vorgehen der Bundesregierung“ leiste „Spekulationen in alle Richtungen Vorschub“, sagte der Sprecher für Krisenprävention der CDU/CSU-Fraktion, Roderich Kiesewetter, dem „Tagesspiegel“. Man müsse „weiterhin die Frage stellen“, wer ein „Interesse an der Sprengung“ hatte, warum nur „drei der vier Stränge“ gesprengt worden seien, und wem „die Unsicherheit, die Spekulationen und die Beschuldigungen“ nutzten. „Auch deshalb brauchen wir endlich eine bessere Kommunikation und Informationspolitik.“ Sein Eindruck sei, dass den deutschen Ermittlern bislang keine Ergebnisse vorlägen, die sie „kommunizieren können oder wollen“, die Beweislage sei „viel zu dünn“. Zuvor war bekannt geworden, dass ein verdächtiges Schiff von der Bundesanwaltschaft untersucht worden war. +++