Ökonomen: Infektionszahlen müssen runter

Kanzleramtschef will an Wochenenden persönlich mitimpfen

Ökonomen beobachten das Infektionsgeschehen in Deutschland mit großer Sorge. „Wir haben aktuell eine ganz schlechte Situation: Vieles wurde geschlossen, aber es verbessert sich nichts mehr“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest dem „Handelsblatt“. Dem dürfe die Politik nicht tatenlos zusehen. Fuest plädiert daher für härtere Kontaktbeschränkungen: „Ich halte es für naheliegend, den Lockdown über die Weihnachtsferien zu verschärfen, weil da viele Betriebe ohnehin zu machen“, sagte Fuest. Konkret schlägt er vor, die Geschäfte, außer denen des täglichen Bedarfs, während der Weihnachtsferien zu schließen, und damit am besten bereits ein paar Tage vor Weihnachten anzufangen. Die aktuelle Lage sei „so ziemlich das schlechteste Szenario“, sagte er.

Wirtschaftsweisen-Chef Lars Feld hält demgegenüber Verschärfungen nicht für notwendig, empfiehlt aber, den „Lockdown light“ nur über Weihnachten zu lockern und die Lockerungen nicht bis einschließlich Silvester bestehen zu lassen. DIW-Chef Michael Fratzscher wiederum hält das Konzept „Wirtschaft offen, Privatleben geschlossen“ angesichts der Infektionszahlen für „unrealistisch“. Es verstehe auch niemand, „dass täglicher Kontakt zu Kollegen harmlos, zu Freunden und Verwandten aber gefährlich ist“. Er forderte ebenfalls härtere Maßnahmen. Wie Fuest sagte er, dass es keinen Widerspruch zwischen dem Schutz der Gesundheit und dem Schutz der Wirtschaft gebe. „Viele Unternehmen haben alle ihre Rücklagen aufgebraucht und haben keine Resilienz mehr, um eine anhaltende zweite Infektionswelle überstehen zu können“, warnte der DIW-Chef.

CDU-Abgeordneter Whittaker kritisiert Krisenstrategie

Kai Whittaker (CDU), Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Teams um CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen, hat die Krisenstrategie der Bundesregierung kritisiert. „Die Menschen spüren, dass wir sie zwar gut durch diese Krise geführt haben mit Angela Merkel an der Spitze, aber sie merken auch, dass wir den Ereignissen hinterherhecheln und dass diese dramatischen Veränderungen sogar noch zunehmen“, sagte Whittaker in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv. Er sei der Meinung, dass Röttgen sehr deutlich mache, dass „wir eine Hausaufgabe haben, diesen Krisen nicht nur hinterherzurennen, sondern dass wir krisenfester werden müssen“. Es könne deshalb kein „weiter so“ geben, sagte Whittaker und fügte hinzu: „Das wäre, nur Krisen zu verwalten und zu managen. Es kann aber auch keinen völligen Bruch mit unserer bisherigen Politik geben – das wäre völlig unglaubwürdig.“ Röttgen könne in dieser Hinsicht einen „Aufbruch“ verkörpern, den die „anderen beiden Mitbewerber nicht so klar definieren“ könnten, so Whittaker.

Kanzleramtschef will an Wochenenden persönlich mitimpfen

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) ist bereit, beim Kampf gegen das Coronavirus selbst mitzuhelfen, indem er Bürger impft. Er sei von der Landesärztekammer Hessen angeschrieben und nach seiner Impfbereitschaft gefragt worden, sagte der ausgebildete Mediziner in der „Bild“-Sendung „Die richtigen Fragen“. Er sei auch bereit, mitzumachen. „Das geht nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit als Kanzleramtsminister, aber am Wochenende bin ich bereit, mitzumachen.“ Das werde er der Kammer auch so rückmelden. Der Kanzleramtsminister geht davon aus, dass die Impfstoff-Verteilung Anfang 2021 beginnt, aber erst im Frühsommer 2021 „richtig logistisch aufregend und spannend wird“, weil dann breite Teile der Bevölkerung geimpft werden können. „Da müssen alle mithelfen“ – auch er als Arzt. Dass er sich selbst impfen lassen will, bestätigte der CDU-Politiker: „Und zwar dann, wenn wir dran sind.“ Ob es davon öffentliche Bilder geben wird, ließ Braun offen: „Dass man sich impfen lässt, ist erst mal die entscheidende Botschaft. Ob man davon ein Foto veröffentlicht, mit einer Spritze im Arm, das muss sich dann jeder selber überlegen.“

Grüne schlagen einheitlichen Corona-Inzidenz-Plan vor

Die Grünen haben der Bundesregierung im Kampf gegen die Coronakrise einen einheitlichen Inzidenz-Plan vorgeschlagen. Der „Lockdown light“ habe immerhin gebracht, dass die exponentielle Entwicklung gebrochen wurde, nicht aber, dass die Zahlen nach unten gehen, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der RTL/n-tv-Redaktion. „Im Moment steigen sie sogar leicht wieder. Und deshalb braucht man strengere Maßnahmen, unser Gesundheitssystem ist an der Grenze der Überforderung.“ Aus diesem Grund schlage er der Großen Koalition einen Fünf-Stufen-Corona-Inzidenz-Plan vor, er halte es vor allem für besser, wenn man bundesweit einheitliche Regelungen hätte, so Hofreiter. „Aber abgestuft nach Infektionsgeschehen. Das heißt, dass in jedem Landkreis, in jeder Stadt bei einer Inzidenz von 200 die gleichen Regeln gelten, ab einer Inzidenz von 100 die gleichen Regeln gelten und erste Maßnahmen bereits ab einer Inzidenz von 35 ergriffen werden.“ Bei unterschiedlichen Infektionszahlen gebe es demnach unterschiedliche Maßnahmen, aber bei den gleichen Infektionszahlen bundesweit überall die gleichen Maßnahmen. Auch das sei im Moment nicht der Fall, so Hofreiter. Die Lockerungen über Weihnachten sieht er kritisch. Man könne nur an alle Bürger appellieren, vernünftig zu sein. „Wenn sich jeder jeden Tag mit zehn verschiedenen Menschen aus verschiedenen Haushalten trifft, dann hätten wir ein sehr, sehr großes Problem“, so der Grünen-Politiker. Er fügte hinzu: „Es soll nicht so sein, dass jemand, der alleine ist, Weihnachten einsam verbringt. Aber es muss nicht jeder sich jeden Tag mit zehn Leuten treffen.“

Lauterbach: Konzentration auf Hotspots reicht nicht mehr

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dringt in der Coronakrise auf bundesweite Verschärfungen. „Die Konzentration auf die Hotspots reicht jetzt leider nicht mehr aus“, sagte Lauterbach dem Nachrichtenportal T-Online. „Wir müssen die Fallzahlen bundesweit senken.“ Er mahnte: „Die nächsten drei Monate werden die härtesten der Pandemie werden. Wir brauchen jetzt endlich wieder eine Kontrolle der Lage.“ Sinnvoll wäre ein Vorziehen und Verlängern der Schulferien sowie eine Schließung der Geschäfte nach Weihnachten, so der SPD-Politiker. +++

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