Nouripour sieht „Gefahr, dass die Ukraine verliert“

Estland schließt Bodentruppen in Ukraine nicht aus

Omid Nouripour (Grüne)

Omid Nouripour, Co-Chef der Grünen, warnt vor weiteren militärischen Aggressionen Russlands. „Es besteht die Gefahr, dass die Ukraine verliert“, sagte Nouripour dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Das wäre für Russland die Rampe, um den nächsten Krieg in Europa zu beginnen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir bei der Unterstützung der Ukraine am Ende auch unsere eigene Sicherheit verteidigen.“

Der Grünen-Chef zeigte Verständnis für die Argumente des Kanzlers, der sich gegen die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus ausgesprochen hatte. „Ich verstehe alle Sorgen derjenigen, die jedes Mal abwägen und wollen, dass wir keinen Beitrag zur Entgrenzung des Krieges leisten“, sagte Nouripour dem „Focus“. „Gleichzeitig höre ich zum Beispiel von meinen baltischen Freunden die Sorge, ob sie nicht das nächste Opfer der russischen Aggression sind – und wir sie im Rahmen der Bündnisverteidigung unterstützen müssen. Am Ende ist es Putin, der es in der Hand hat, die Truppen aus der Ukraine abzuziehen und diesen Krieg zu beenden oder eben auch den Krieg zu entgrenzen. Dafür braucht er keine äußeren Anlässe“, sagte Nouripour.

Der Parteichef sieht eine „Neuordnung des internationalen Systems“ in Form einer systemischen Rivalität härtester Art zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien. Die Pandemie aber habe aber gezeigt, dass straff geführte Gesellschaften nicht überlegen seien. „Staaten wie Deutschland, die USA oder auch Neuseeland haben das Virus schneller und besser in den Griff bekommen. Bei uns gibt es eine Fehlerkultur, es wird diskutiert. Diese Art der demokratischen Diskussionskultur ist der Albtraum von Autokraten, wird der Komplexität der Realität aber gerechter. Das müssen wir laut und selbstbewusst vertreten.“

Estland schließt Bodentruppen in Ukraine nicht aus

Estland schließt den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus. „Ich befürworte diese Diskussion, die uns auf eine völlig neue Ebene bringt“, sagte der estnische Außenminister Margus Tsahkna dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Allerdings betonte er: „Es gibt keine Verhandlungen über den Einsatz von Bodentruppen und die Ukrainer bitten uns auch nicht, unsere Soldaten vor Ort zu stationieren.“ Statt Bodentruppen müsse der Westen Waffen liefern. „Ich hoffe, dass sich die Einsicht durchsetzt, dass es viel billiger und sicherer ist, den Ukrainern Munition und Waffen zu liefern, damit sie kämpfen können, anstatt darüber nachzudenken, ob wir einmarschieren sollen oder nicht“, sagte er. „Wenn wir der Ukraine in der Zeit der Not nicht helfen, werden wir bald selbst in Not sein.“

Der Außenminister rief Europa auf, sich nicht von Putin verängstigen zu lassen. „Denn Putin will, dass wir Angst haben. Putin isst unsere Angst zum Frühstück. Daraus zieht er seine Energie, um andere Länder zu bedrohen“, so Tsahkna. Wenn Europa Putin zeige, dass es keine Angst habe und dass es der Ukraine militärisch helfe, könne man ihm etwas entgegensetzen. Die Lage in der Ukraine bezeichnete Tsahkna als „sehr, sehr schwierig“ und forderte die EU-Staaten zur Ausweitung der Munitionsbestellungen auf. „Tatsache ist: Es gibt genug Munition auf der Welt, vielleicht nicht in Europa, aber anderswo. Und es gibt genügend Kapazitäten. Wir müssen nur Verträge abschließen, das Geld auf den Tisch legen und die Munition beschaffen.“

Er verwies darauf, dass die EU-Staaten sich kürzlich darauf verständigt haben, auch außerhalb der EU Munition zu kaufen. „Jetzt ist es an der Zeit zu liefern“, sagte er. „Estland ist in diesem Jahr einer der größten Munitionskäufer in Europa. Daher will ich wirklich keine Geschichten mehr hören, dass es keine Munition gebe.“ +++