Nach seinem Vorschlag, über Wege hin zu einem „Einfrieren“ des Krieges in der Ukraine nachzudenken, bekommt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach eigenen Angaben überwiegend positive Zuschriften. „Mehr als 1.400 waren es sicherlich“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“. „Ohne, dass es mir gleich wieder falsch ausgelegt wird: Etwa 70 Prozent unterstützen meine Position, 30 Prozent sind kritisch. Das eine oder andere Wort gibt mir auch Kraft.“ Er wehrt sich gegen Vorwürfe, er betreibe eine Beschwichtigungspolitik gegenüber Wladimir Putin. „Ich habe mit Kritik nicht nur gerechnet, sondern diese auch gewünscht, denn damit verändert sich ja eine Diskussion, die ich bislang zu einseitig finde“, sagte Mützenich. Er wolle die Diskussion öffnen, die sich seit zwei Jahren fast ausschließlich um einzelne Waffensysteme drehe.
„Das Ausmaß der Kritik hat mich allerdings überrascht. Es wirkt wie ein Stöpsel, den man gezogen hat“. Mützenich betonte: „Ich bin kein Russlandversteher.“ Er fordere auch nicht von der Ukraine ein Abtreten der von Russland besetzten Landesteile. „Der Begriff Einfrieren
bedeutet ja gerade, dass nichts endgültig entschieden ist. Sondern dass man erst einmal verhandelt.“ Etwa über Feuerpausen oder humanitäre Korridore, es seien auch schon in diesem Krieg Gefangenenaustausche und das Getreideabkommen für den Transport über das Schwarze Meer vereinbart worden. Es gebe etliche Modelle, demilitarisierte Zonen zum Beispiel, oder den Einsatz von bewaffneten Blauhelmsoldaten, die dazu beitragen, ein Abkommen zu überwachen und als Sicherheitsgaranten fungieren. „Ja, ich weiß, Putin ist momentan dazu nicht bereit. Aber Kriege enden eben nur selten auf dem Schlachtfeld“, sagte der SPD-Politiker, der einst über atomwaffenfreie Zonen promoviert hat. Es gebe viele Beispiele für eingefrorene Konflikte: Korea, Südossetien und in Europa: Zypern.
Auf den Einwand, dass Putin das Einfrieren nach der Krim-Annexion zum Aufrüsten und späteren Angriff auf die gesamte Ukraine genutzt habe, sagte Mützenich, man habe da nach 2014 der Ukraine zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. „Diesen Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen.“ Vergleiche mit der Appeasement-Politik des britischen Premiers Chamberlain gegenüber Adolf Hitler wies Mützenich scharf zurück: „Ich habe weder von Konzessionen noch von Besänftigen gesprochen.“ Aber man erlebe derzeit einen enorm opferreichen Stellungskrieg auf einem sehr eng begrenzten Kriegsschauplatz. „Militärexperten sprechen von einer Situation, die an die Grabenkämpfe an der Westfront im Ersten Weltkrieg erinnert.“ Er glaube, dass historische Herleitungen nur selten der aktuellen Debatte gerecht werden. „Jede Zeit braucht ihre Antworten“. Skeptisch äußerte sich Mützenich zu einer deutlichen Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Auf die Frage, ob es mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung brauche, sagte Mützenich: Prozentzahlen allein sagen nichts darüber aus, ob ein Land verteidigungsfähig oder stark ist.“ Zudem wies er den Vorwurf zurück, seine Einlassungen seien den nahenden Wahlkämpfen und schlechten SPD-Umfragewerten geschuldet: „Ich führe diese Diskussion aus Überzeugung seit Jahren.“
Grünen-Fraktionsspitze sieht Taurus-Debatte noch nicht beendet
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hält die Debatte um mögliche Lieferungen für Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine nicht für beendet. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) sagte sie: „Bei der Unterstützung der Ukraine geht es um nicht weniger als die große Frage, wie wir Frieden und Sicherheit in und für Europa wiederherstellen. Hier um den richtigen Weg zu ringen ist keine Debatte, die man einfach beenden kann.“ Sie werbe dafür, „die Ukraine noch mehr und besser zu unterstützen, weil das im Interesse unserer eigenen Sicherheit ist. Auch beim Taurus“. Der russische Präsident Wladimir Putin betrachte Zögern als Einladung. +++