Linnemann verteidigt Vorgehen der Thüringer CDU

Rechtsextremismus-Experte warnt vor Normalisierung der AfD durch CDU

Carsten Linnemann (CDU)

Nach der Durchsetzung einer Steuersenkung der CDU in Thüringen mit Stimmen der AfD verteidigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Vorgehen seiner Partei. „Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht Maßstab sein“, sagte Linnemann der „Rheinischen Post“. Er ergänzte: „Die CDU konzentriert sich auf Sacharbeit. Uns geht es um die richtigen Weichenstellungen für unser Land und nicht um taktisches Geplänkel.“ Deswegen sei es richtig gewesen, einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer in den Thüringer Landtag einzubringen. „Denn damit entlasten wir gerade junge Familien und kurbeln die Wirtschaft an. Hier geht es um CDU pur.“ Darüber hinaus sagte der Generalsekretär, selbst Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe kürzlich gesagt, „man dürfe sich nicht abhängig machen vom Abstimmungsverhalten anderer“. Außerdem stehe die Senkung der Grunderwerbsteuer im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. „Deshalb ist die Aufregung von SPD und Grünen unglaubwürdig“, so Linnemann.

Rechtsextremismus-Experte warnt vor Normalisierung der AfD durch CDU

Nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Thüringer Landtag warnt der Soziologe und Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent vor einem Verschieben der Politik weiter nach rechts. Eine rechtsextremistische Partei wie die Thüringer AfD werde durch die Abstimmung über die Grunderwerbssteuer gemeinsam mit der CDU „normalisiert“, sagte Quent den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Dahinter steht ein Zeitgeist, der für die Demokratie gefährlich wird“, so Quent. Die AfD stehe bundesweit bei mehr als 20 Prozent, zugleich würden Politiker demokratischer Parteien „den Rechten nach dem Mund“ reden. In Bayern sehe Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Grünen als „Hauptfeind“ und der Antisemitismus-Skandal um Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bleibe „folgenlos“, sagte Quent. „Schon 2020 wurde der FDP-Mann Thomas Kemmerich in Thüringen mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt, ohne nachhaltige Konsequenzen.“ Der Soziologe hob hervor: „Die sogenannte Brandmauer ist taktische Verschiebemasse. Es fehlt den Parteien und der Gesellschaft eine Strategie des Umgangs mit der Partei, gerade angesichts der aktuellen Prognosen: Stattdessen bestärkt die Zusammenarbeit wie jetzt beim Steuergesetz bei den Anhängern der AfD das Gefühl: Wenn ich die AfD wähle, ändert sich etwas. Das gefährdet auch CDU und FDP.“

Ex-Innenminister Baum kritisiert FDP-Landtagsfraktion in Thüringen

Der frühere Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum hat die Unterstützung des CDU-Steuersenkungsbeschlusses im Thüringer Landtag durch die FDP-Fraktion verurteilt: „Vor allem vor dem Hintergrund der Vorgeschichte des Fraktions- und Landesvorsitzenden Kemmerich hätte die FDP das nicht tun sollen: Für mich ist das eine Grenzüberschreitung“, sagte Baum dem „Spiegel“. Am Donnerstag hatte die CDU im Landtag die Senkung der Grunderwerbsteuer durchgesetzt, obwohl sie dort in der Opposition ist. Der Entwurf erhielt eine Mehrheit, weil auch Abgeordnete von AfD, FDP und Fraktionslose dafür stimmten. Der Thüringer FDP-Politiker Thomas Kemmerich wiederum hatte sich im Februar 2020 mit den Stimmen von CDU und AfD im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten wählen lassen, war aber nach Druck aus der FDP-Bundesspitze drei Tage später von seinem Amt zurückgetreten. Der Vorgang hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Baum kritisiert nun indirekt auch FDP-Chef Christian Lindner, der eine Verantwortung der FDP für den Steuerbeschluss nicht gelten lassen will. „Für mich ist die Sache eindeutig: Verantwortlich für den Erfolg dieses CDU-Antrages sind beide demokratische Parteien, CDU und FDP. Ohne die FDP hätte es im Landtag von Thüringen keine Mehrheit dafür gegeben“, so Baum. Lindner hatte am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung der „Augsburger Allgemeinen“ erklärt: „Jetzt wollen wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Es war ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion“. Deshalb sei „das jetzt die Verantwortung der CDU.“ Baum erklärte zudem, ihm mache die Wirkung der Entscheidung von Erfurt Sorge: „Das motiviert Menschen, die sich fragen, ob sie sich bei der nächsten Wahl für die AfD entscheiden sollen, wenn sie sehen, dass CDU und FDP jetzt schon gemeinsam mit der AfD in einer Sachfrage abstimmen. Die Hemmschwelle, die AfD zu wählen, wird so weiter herabgesetzt.“ Baum hatte zuletzt wiederholt die demokratischen Parteien aufgefordert,  die Gefahr durch die AfD ernst zu nehmen. Die AfD sei die „größte Gefahr für unsere Demokratie seit Gründung der Bundesrepublik vor 74 Jahren“, warnte Baum kürzlich als Reaktion auf Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Wer wie Scholz die AfD als „Schlechte-Laune-Partei“ abtue, verharmlose sie.

Günther übt scharfe Kritik an Thüringer CDU

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Daniel Günther hält es für falsch, dass die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag mit Hilfe der AfD-Fraktion eine Steuersenkung durchgesetzt hat und fordert eine konsequentere Abgrenzung. „Die Haltung der CDU Schleswig-Holstein ist klar: Ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist ausgeschlossen“, sagte Günther der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Das gilt auch für eigene Initiativen, die absehbar nur mit Hilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben.“ Der Ministerpräsident fügte hinzu: „Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordert eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei. Ein Vorgehen wie aktuell in Thüringen widerspricht dieser Haltung.“ Nötig sei eine „CDU mit einer unverrückbaren Haltung: Es gibt mit unseren Stimmen keine Mehrheit, die auf die Stimmen der AfD angewiesen ist.“ Günther erläuterte, diese Haltung „bedeutet aber nicht, als CDU die eigene Position hintenanzustellen – auch dann nicht, wenn andere Parteien aus dem demokratischen Spektrum Initiativen starten, die nicht unserer Position entsprechen.“ Er warf der von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) geführten Thüringer Landesregierung eine schwere Mitschuld vor: „Die Minderheitenregierung in Thüringen hat es versäumt, eine Mehrheit der demokratischen Mitte mit der CDU zu organisieren. Das war ebenfalls ein schwerer Fehler.“ +++

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