Kritik am Gewerbegebiet „Weißer Weg“ in Alsfeld

Der Teufel steckt im Detail

Bürgermeister Paule verspricht „hunderte neue Arbeitsplätze“ und „klimaneutrale Gebäude“. Hehre und gute Ziele. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail, so Michael Baumarth Anwohner aus Alsfeld-Heidelbach. Wo sollen denn die zu Beschäftigenden dafür herkommen? Und was für Arbeitsplätze sind das? Schon jetzt ist in der Region Mittelhessen für den Bereich Logistik kaum ein Arbeitnehmer mehr zu finden, im Gegenteil werden hier dringend Arbeitskräfte gesucht. Die Arbeitslosenquote liegt in der Region bei knapp 3,5 Prozent (davon mehr als die Hälfte mit „Vermittlungseinschränkungen“; Statistik Arbeitsagentur). Auch z.B. Betriebselektriker, eine der Berufsgruppen mit Facharbeiterlohn, sind schon jetzt Mangelware. Sie könnten nur durch Abwerbungen aus anderen, ansässigen Firmen erreicht werden. Bleibt also das „Auspendeln“ zu verringern. Aber dazu ist ein Blick nötig, wer denn auspendelt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass z. B. ein Landesbeamter, der als Lehrkraft oder Polizeibeschäftigter außerhalb Dienst tut, jetzt auf Lagerist umschult. Oder Menschen, die im Rhein-Main-Gebiet als Facharbeiter, Techniker, Angestellte in der Finanzbranche usw. gute Einkommen auf vergleichsweise sicheren Arbeitsplätzen erzielen?

Und so bleibt eher das System von Leiharbeitern, die von Subunternehmen angeworben werden, häufig in (EU-)Billiglohnländern. Diese Kräfte kaufen in Alsfeld keine Häuser, holen kaum Familien nach und kaufen wenig ein. Sie unterstützen mit ihrem Lohn die Familien daheim. Im Übrigen fragt sich, wie die vage Annahme zustande kommt, dass „hunderte neue Arbeitsplätze für die Region entstehen“ – angesichts einer Branche, in der die Automatisierung massiv voranschreitet. Nicht zuletzt wären Arbeitszeiten, häufig in den Nachtstunden, auch alles andere als Familien-freundlich. Herr Paule verspricht einen Beitrag zur „Modernisierung und Transformation der deutschen Wirtschaft“. Was ist an einem auf LKW-Verkehr basierenden Geschäftszweig denn modern und gar ökologisch? Es gäbe bei diesem Gelände ja sogar die Möglichkeit eines Bahnanschlusses, der ja noch vorhanden ist. Aber von einer solchen Überlegung findet sich keine Spur. Auch die Möglichkeit, Photovoltaik auf den Dächern verpflichtend zu machen, ist nicht genutzt worden. Der CO²-Fußabdruck der Logistikbranche jedenfalls ist immens – und damit das Gegenteil von klimafreundlicher Transformation. Herr Paule behauptet, dass auf der Demonstration gesagt wurde „alle Alsfelder Häuser würden taghell angestrahlt“. Das war so nicht zu hören. Gesagt wurde: Dieses Gelände wird taghell angestrahlt und ist von allen Alsfelder Häusern aus zu sehen. Wer einmal einen Eindruck gewinnen will, kann sich ja die ‚Nordfrost‘ Lagerhallen an der A5 Ausfahrt Homberg anschauen. Außerdem besteht ein großes Problem dieser drohenden Lichtverschmutzung in dem unvermeidlichen, massiven Insektensterben, welches wiederum einer Vielzahl anderer Tiere, wie z.B. Vögeln und Fledermäusen, die Lebensgrundlage weiter entziehen würde.

Ebenso verwundert seine Aussage „durch den Riegel Autobahn erreichten die Geräuschemissionen gar nicht die Kernstadt“. Die Autobahn verläuft über weite Strecken ebenerdig. Wie funktioniert also dieser ‚Riegel‘? Ist vielleicht einfach gemeint: Durch die Autobahn ist es in Alsfeld eh schon so laut, da kommt es jetzt auch nicht mehr drauf an. Dann wäre allerdings die Einführung einer deutlichen Geschwindigkeitsbegrenzung das wirksamere Mittel zur Lärmbekämpfung. Oder kommt jetzt etwa die seit Jahrzehnten immer mal wieder ins Gespräch gebrachte Lärmschutzwand?
Das angenommene zusätzliche Aufkommen von täglich 400 LKW, die wiederum eine entsprechend riesige Flotte von Zustellerfahrzeugen beschicken, und welches sich rund um die Uhr in alle Richtungen und auf alle Straßen in und um Alsfeld auswirken wird, die schon jetzt durch Lärm und Abgase überlastet sind, wird durch den ‚Riegel‘ jedenfalls kaum verschwinden! Interessant ist ja der Satz: „Die Stadt habe über die Gewerbesteuer eine breitere wirtschaftliche Basis“. Da liegt ja wohl der Kern, der landauf landab aus dem Boden sprießenden Gewerbegebiete: Die kommunalen Finanzen sind so schlecht aufgestellt, dass die Kommunen zum Verkauf von Gelände quasi verpflichtet sind. Hier liegt das Grundübel. Aber welche Parteien haben denn in den letzten Jahren in Bund und Land regiert und dieses Einnahmesystem geschaffen? Und die Erfahrung anderer Kommunen zeigt: Bis Gewerbesteuern fließen, vergehen oft viele Jahre, da die Firmen durch die Kosten des Neubaus ihre Gewinne ganz klein rechnen.

Wenn nicht dann der Ackerboden unwiederbringlich dahin wäre, könnte man ja sagen: Na gut, lass es uns fünf Jahre versuchen und wenn die Versprechungen dann nicht eingetreten sind, machen wir alles wieder rückgängig. Nur das geht leider nicht. Aber wir würden dafür eine Ackerfläche opfern, die als Kartoffeläcker ganz Alsfeld und umliegende Dörfer komplett mit Kartoffeln – ob ‚Bio‘ oder konventionell – versorgen könnte (bei durchschnittlich 42,5 Tonnen Ertrag je Hektar und 57 Kilo Jahresverbrauch pro Person ). Da reichen die 44 Hektar für rund 30.000 Menschen, so Michael Baumarth abschließend. +++