Kriminalstatistik: Osthessen auch in „herausfordernden Zeiten“ top

Insgesamt positive Zahlen konnte das Polizeipräsidium Osthessen am Dienstag vorstellen: Die Kriminalstatistik des Jahres 2022 war das Thema, und Polizeipräsident Michael Tegethoff machte es kurz: „Osthessen bleibt eine der sichersten Regionen in Hessen“. Zwei von drei Fällen werden im Zuständigkeitsgebiet der Landkreise Fulda, Vogelsberg und Hersfeld-Rotenburg aufgeklärt, das ist zum vierten Mal in Folge der Spitzenwert in Hessen.

Die Bilanz der Polizei fällt positiv aus: Polizeipräsident Michael Tegethoff und Polizeidirektor Martin Nickl, Leiter der Kriminaldirektion, stellten am Dienstag die Zahlen zur Kriminalstatistik 2022 vor. Osthessen hat mit 67,5 Prozent abermals die höchste Aufklärungsquote Hessens – trotz eines Anstiegs der Gesamtfallzahlen um gut 13 Prozent auf 19.605 registrierte Straftaten. Bei Straftaten gegen das Leben beträgt die Aufklärungsquote gar 100 Prozent. Tegethoff dankte allen Kolleginnen und Kollegen für ihr Engagement und versicherte: „Wir werden uns nicht auf den guten Werten ausruhen, sondern wollen weiterhin unserem Anspruch gerecht werden und zielgerichtet zum Wohle der Bürger Straftaten verhindern und Präventionsarbeit leisten“.

Der Anstieg der Gesamtfallzahlen, der dem Hessen- und Bundestrend entspricht, sei begründbar durch den Wegfall nahezu aller Corona-Beschränkungen. „Öffentliches und soziales Leben haben an Fahrt aufgenommen, das liegt in der Natur der Sache, dass ein höheres Risiko besteht, wenn sich mehr Menschen in der Öffentlichkeit aufhalten“, begründete Tegethoff, der erstmals als Polizeipräsident die Zahlen vorstellte. Seit 2014 liegt die Zahl der Straftaten aber unter 20.000. Die Aufklärungsquote in Osthessen ist zwar zum Vorjahr von 70,6 auf 67,5 Prozent gesunken, liegt aber weiter deutlich über dem Schnitt und ist wie erwähnt zum vierten Mal in Folge hessenweit top unter allen Polizeipräsidien. Den zweiten Platz belegt Osthessen bei der Häufigkeitszahl an Straftaten, die pro 100.000 Einwohner errechnet wird. Tegethoff erklärte, „dass wir nach wie vor in besonderen und herausfordernden Zeiten leben“ – nicht nur mit Blick auf die Aufhebung von Corona-Beschränkungen, sondern auch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Auswirkungen auf Ressourcen und Finanzen.

Tatverdächtige zu 78 Prozent männlich

Die Polizei schlüsselte die Straftaten des Vorjahres auf – deutlich zu sehen: Die Eigentumskriminalität macht den größten Anteil aus, alleine Diebstahls- und Betrugsdelikte bilden 43 Prozent der Gesamtfallzahlen ab. Die Diebstähle sind außerdem um satte 39,6 Prozent gestiegen. Alle 19.605 Delikte zusammengenommen, konnten 78,1 Prozent der Tatverdächtigen als männlich festgestellt werden. 69 Prozent aller Tatverdächtigen des Vorjahres stammen aus dem deutschen Staatsgebiet, Nichtdeutsche seien schwerpunktmäßig in Vermögens- und Fälschungsdelikten sowie bei Diebstählen auffällig gewesen. Einen Anstieg gab es bei den Tatverdächtigen, die im Jugendlichen-Alter (unter 21) sind: Hier wurden vorrangig Ladendiebstähle, Körperverletzungen und das Verbreiten pornografischer Inhalte registriert.

Alle Straftaten gegen das Leben aufgeklärt

29 Fälle gab es 2022 im Deliktsbereich der Straftaten gegen das Leben. Mehr als zwei Drittel blieben im Versuchsstadium, neun Todesfälle gab es zu verzeichnen. In 15 Fällen wurden Messer als Tatmittel registriert, in einem Fall eine Schusswaffe. Die Aufklärungsquote betrug 100 Prozent – und Martin Nickl beantwortete gleich mit Blick auf den Fall der ermordeten Schülerin Luise: „Es gibt in Osthessen keine tatverdächtigen Kinder“.

„Trickbetrug kann jeden treffen“

„Sorge“ bereite Tegethoff der Anstieg der Fälle von Straftaten gegen ältere Menschen: Von 132 auf 188 ist die Zahl auf einen Höchststand angestiegen, doch der Trickbetrug, der hier zumeist angewandt wird, betreffe nicht mehr nur Menschen über 60: Die Maschen haben sich verändert und sind vielfältig Schockanrufe und Co. können „jeden treffen“, so der Polizeipräsident. Die Polizei sei bemüht, Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung in allen Altersschichten zu betreiben und zu intensivieren. Bei 188 Vollendungen kamen insgesamt fast eine Million Euro Vermögensschaden zusammen. Ein hohes Dunkelfeld ist darüber hinaus noch zu vermuten. In Sachen Geldautomaten-Sprengungen berichtete Nickl von einigen Fällen und stellte fest, „dass das Täterklientel überwiegend im Ausland sitzt“. Täter würden bundesweit über Automaten herfallen du bei Fluchtversuchen beispielsweise derart rücksichtslos vorgehen, „dass Menschenleben keine Rolle spielen“.

Ehemaliger Schulleiter: 100 Missbrauchsfälle in 23 Jahren

Besonders herausfordernd und emotional war der Fall des ehemaligen Schulleiters aus Hersfeld-Rotenburg, der die Polizei das ganze Jahr beschäftigte und aktuell vor dem Landgericht Fulda verhandelt wird. Dabei gebe es 100 mutmaßliche Missbrauchsfälle, die der 47-jährige ehemalige Lehrer und Chorgruppen-Leiter begangen haben soll – zwischen 1998 und 2021. Der psychische Schaden, den die Opfer erlitten, sei riesig. Der Fall ist mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bearbeitet worden, wo „mehrere Aktenschränke“ mit Material gefüllt seien. Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben sich insgesamt erhöht und sind auf 607 Fälle angestiegen. Aufgeklärt wurden 93,2 Prozent – Höchstwert in Osthessen seit Bestehen des Polizeipräsidiums. Der Anstieg ist allerdings zurückzuführen auf gesetzliche Meldeverpflichtungen von US-Internet-Providern, erklärte Nickl: „Wir haben ein Schlaglicht auf ein bisheriges Dunkelfeld geworfen“. „Sehr bedenklich“ sei dagegen der Fakt, dass jeder dritte Tatverdächtige in diesem Bereich zwischen 14 und 17 Jahre alt ist. Tegethoff fügte an, dass die Polizei auch hier mit Maßnahmen repressiv und präventiv tätig sei. Die Fuldaer Idee der Präventionsmaßnahme „Digital Native“ wird ist sogar schon bundesweitvorgestellt worden und soll in ganz Hessen umgesetzt werden“.

Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte – Kampagne der Solidarität

Ein Bereich, der dem Polizeipräsidenten weiterhin Sorge bereitet, ist die Gewalt gegen Polizisten. 318 Polizeibedienstete wurden 2022 als Opfer registriert, hinzu kommen 15 Rettungskräfte und zwei Feuerwehrleute. „Das macht uns fassungslos. Gewalt und Respektlosigkeiten haben spürbar zugenommen“, so Tegethoff. Einerseits erklärbar durch den Wertewandel in der Bevölkerung und andererseits durch unkontrollierten Umgang mit Alkohol und Drogen. „Viele pochen auf ihr eigenes Recht“, so Tegethoff. Eine Kampagne gibt es vom hessischen Innenministerium: Mit der „Schutzschleife“, kann jeder Solidarität für diejenigen bekennen, die täglich im Einsatz sind und für die Sicherheit sorgen. „Es ist ganz einfach. Schutzschleife tragen, danke sagen“, stellte Tegethoff klar. Die Schleife steht farblich mit blau, weiß und rot für Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. Sie ist kostenlos unter www.schutzschleife.de zu erhalten. Die Polizei möchte außerdem den im vergangenen Jahr durch Zivilcourage aufgefallenen Personen noch ein Dankeschön entgegenbringen.

Weitere Zahlen

Ein weiterer Bereich, der vorgestellt wurde, war unter anderem die Körperverletzung: Hier gibt es ein beständig hohes Niveau, die Aufklärungsquote liegt bei 93,8 Prozent. In Sachen häuslicher Gewalt sogar bei 100 Prozent. 80 Prozent der Opfer seien hier Frauen, in fast drei Viertel der Fälle liegt Körperverletzung vor. Den Rest machen Bedrohungen, Sexualstraftaten und Freiheitsberaubungen aus. Internetkriminalität ist ein großes Thema, wobei Nickl hier mit Blick auf die viel diskutierte Anonymität sagen konnte, dass die Aufklärungsquote von 91,9 Prozent eine deutliche Sprache spricht. In Sachen Vermögens- und Fälschungsdelikten, die gut 20 Prozent der Gesamtstraftaten des Vorjahres ausmachten, ist vor allem ein Anstieg bei Urkundenfälschungen und Tankbetrug erkennbar gewesen. Auch bei Raubstraftaten leistete die Polizei gute Arbeit, als Beleg führte Nickl den Überfall auf die Tankstelle in Arzell im Oktober 2022 an, als es drei Festnahmen innerhalb von 24 Stunden gab. Eine hohe Aufklärungsquote gibt es außerdem bei Wohnungseinbrüchen: Zwar liegt diese „nur“ bei 29,7 Prozent, im Vergleich zu den Corona-Jahren (16 beziehungsweise 21 Prozent) ist sei aber „herausragend“, wie Nickl feststellte. Die Polizei leiste auch hier Präventionsarbeit, in den vergangenen Jahren gab es 1200 kostenlose kriminalpolizeiliche Beratungsangebote zur Sicherung des Eigenheims. Das Highlight-Beispiel aus dem Vorjahr in Sachen Einbrüche: Im Juli wurde eine Serie von Einbrüchen in Schulen, Kitas und gewerbliche Betriebe aufgehalten, die Zahl der Fälle lag im mittleren zweistelligen Bereich. +++