Kassen wollen sich nicht an Impfpflicht-Durchsetzung beteiligen

Geplante Bundestags-Debatte über Impfpflicht vor Verschiebung

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen will sich nicht an der Durchsetzung und Kontrolle einer allgemeinen Impfpflicht beteiligen. Die Kassen seien „natürlich bereit, ihre Aufgaben in der Information und Beratung der 73 Millionen gesetzlich Versicherten wahrzunehmen“, sagte ein Sprecher den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die Durchsetzung und Kontrolle einer eventuellen gesetzlichen Impfpflicht wäre dagegen die Aufgabe des Staates.“

Die Absage des GKV-Spitzenverbands richtet sich an den Vorschlag einer Abgeordnetengruppe, die zur Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht für alle Erwachsenen an zentraler Stelle auf die Beteiligung der Krankenkassen setzt. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bekräftigte das Vorhaben der Parlamentariergruppe gegenüber den Funke-Zeitungen: „Wir wollen den Weg über die Krankenkassen gehen. Dies ist aus unserer Sicht sinnvoll, rechtlich zulässig und auch durchführbar.“ Die Einhaltung der allgemeinen Impfpflicht solle einerseits mit Stichproben kontrolliert werden, andererseits wolle man „parallel dazu die Krankenkassen mit ins Boot“ holen. Der Gesetzentwurf der Gruppe soll nach Wieses Worten „vor der kommenden Woche“ veröffentlicht werden. Der Vorschlag zu einer Impfpflicht ab 18 Jahren ernte viel Zustimmung aus verschiedenen Fraktionen, so der Sozialdemokrat. „Uns sagen auch Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hinter vorgehaltener Hand, dass sie unseren Weg, genau wie die Ministerpräsidenten der Union, für richtig halten.“ Aus Sicht des SPD-Politikers ist die Union aufgrund der neuen Machtverhältnisse in dieser Frage aber noch „sehr unsortiert“.

Geplante Bundestags-Debatte über Impfpflicht vor Verschiebung

Die für kommende Woche geplante erste Lesung des Bundestages zur Impfpflicht soll verschoben werden. Darüber informierte Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, gestern die Abgeordneten in einer internen Sitzung, berichtet die „Bild“ unter Berufung auf eigene Informationen. Grund für den Aufschub sei demnach, dass zwei der drei fraktionsübergreifend angestrebten Gesetzentwürfe nicht rechtzeitig fertig zu werden drohen. Beim Bundestagspräsidium ist laut „Bild“ tatsächlich bisher nur der Entwurf gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht eingegangen, den die FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki und Linda Teuteberg federführend entwickelt haben. Zudem sei bisher für die Gesetzentwürfe „keine erste Lesung beantragt“ worden. Laut „Bild“ unter Berufung auf Regierungskreise wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wegen des zeitlichen Drucks – entgegen seiner ursprünglichen Absicht – selbst an dem Entwurf für die Einführung der Impfpflicht ab 18 Jahren mit den Ressourcen seines Ministerium arbeiten. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte der „Bild“ dazu: „Wir werden mit unserem Gesetzentwurf einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 pünktlich zur kommenden Sitzungswoche fertig sein.“

Arbeitsrechtler: Söder kann Impfpflicht nicht aussetzen

Mit deutlicher Kritik haben Arbeitsrechtler auf die Pläne des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Aussetzung der Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen reagiert. „Söder kann die Gesetzesbestimmungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht aussetzen oder Übergangsfristen anordnen“, sagte die Gießener Arbeitsrechtlerin Lena Rudkowski der FAZ. Gregor Thüsing, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht an der Universität Bonn, ergänzte auf Anfrage, „bei der Weigerung der bayerischen Staatsregierung, das Gesetz zu vollziehen, bleiben auch Einrichtungen in Bayern verpflichtet, Meldungen an die Gesundheitsämter zu machen.“ Für die Gesundheitsämter würde das Vorhaben Söders, die Impfpflicht auszusetzen, zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten führen. „Wenn das Gesundheitsamt sehenden Auges auf Reaktionsmöglichkeiten verzichtet, die rechtlich vorgesehen und angemessen gewesen wären, ja vielleicht zwingend erforderlich, dann handelt auch die Aufsicht rechtswidrig“, gab Thüsing zu bedenken. „Ein Gesetz, das nicht angewendet werden soll, hätte man nicht erlassen.“ Die Einzelfallentscheidungen, die die Gesundheitsämter gegen Impfverweigerer zu treffen hätten seien, „etwas anderes als ein angekündigter Rechtsbruch“, sagte Thüsing mit Blick auf die Pläne Söders. Zu einer von Unionspolitikern befürchteten Kündigungswelle für ungeimpfte Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sagten die Rechtswissenschaftler, allein die Entscheidung einer Pflegekraft, sich nicht impfen zu lassen, rechtfertige nicht automatisch eine Kündigung. „Kündigungen sind keine Sanktionen“, stellte Rudkowski klar.

Länder unterließen schriftliche Impfaufrufe an Über-60-Jährige

Mehrere Bundesländer haben die Vereinbarung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. November 2021, alle Bürger über 60 Jahre schriftlich zur Impfung aufzurufen, nicht eingehalten. Das berichtet die „Bild“ unter Berufung auf Angaben aus den Landesgesundheitsministerien. Demnach wurden in Sachsen bislang kein solcher Brief verschickt. Der Versand werde „gerade vorbereitet“, hieß es laut Bericht. Auch Baden-Württemberg hat den verabredeten Brief nicht verschickt. Stattdessen seien „andere“ Formen der Ansprache gewählt worden. Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben zwar solche Schreiben verschickt, aber nur an Bürger über 70 Jahre. Thüringen wendete sich schriftlich an Bürger über 60 Jahre, bei denen nach der Erst- und Zweit-Impfung Adressdaten vorhanden waren und lud diese zum Booster ein. Bayern und Sachsen-Anhalt hatten die Aufgabe an die Landekreise delegiert und konnte keine Angaben machen, ob der Versand erfolgt ist. Das Saarland gab gar keine Auskunft. In allen anderen Bundesländern war der Versand der Impf-Anschreiben an alle Bürger über 60 Jahre spätestens Mitte Januar abgeschlossen. +++

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