Kanzleramtschef verteidigt Vorstoß zu Nicht-Geimpften

Verfassungsrechtler stützen Braun bei Rechten für Geimpfte

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU)

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hat seinen Vorstoß zu möglichen Einschränkungen der Rechte Ungeimpfter gegen Kritik verteidigt. Wenn es im Herbst zu hohem Infektionsgeschehen komme, dann sei es „die Ultima Ratio“, Kontakte zu beschränken, um die Infektionen zu bremsen, sagte er der „Bild“. Mit der Akzeptanz von negativen Tests könne man den Ungeimpften generell viel, aber nicht alles ermöglichen. Bei einer entsprechenden Corona-Lage müsse sich diese Gruppe darauf einstellen, dass sie mit „Beschränkungen“ konfrontiert werden könnte, so Braun.

Deutschland brauche grundsätzlich eine „Gemeinschaftsimmunität“. Das bedeute, dass „die Zahl derer, die sich impfen lassen“, so hoch sein müsse, „dass sie den gesellschaftlichen Schutz für die Gruppe der Ungeimpften mitstützt“. Tatsächlich drohe wegen des stockenden Impffortschritts und der Delta-Welle, die „schneller“ steige „als die Wellen, die wir bislang gesehen haben“, aber nun eine „Überlastung für di  e Intensivstationen im Herbst“. Man könne es nicht ausschließen, dass sich die Delta-Variante so entwickele.

Verfassungsrechtler stützen Braun bei Rechten für Geimpfte
Staatsrechtler stützen Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) in seiner Forderung nach unterschiedlichen Rechten von Geimpften und Nicht-Geimpften. Sie widersprechen dabei FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der diese Unterscheidung als „grob verfassungswidrig“ bezeichnet hatte, berichtet die „Welt“. „Ungeimpfte stellen eine Gefahr für andere dar. Auch sind sie selbst stärker gefährdet, an Corona schwer zu erkranken. Hieran darf staatliches Gefahrenabwehrrecht nicht nur anknüpfen, es muss es sogar. Das hat weder etwas mit Diskriminierungen noch mit Privilegierungen zu tun, sondern schlicht damit, dass der Staat nur in Freiheitsrechte eingreifen darf, soweit das zur Gefahrenabwehr erforderlich ist“, sagte Thorsten Kingreen, der an der Uni Regensburg einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht besetzt, der „Welt“. Kingreen sagte, dass selbstverständlich auch Ungeimpfte Freiheitsrechte hätten. „Einen pauschalen Lockdown nur für Ungeimpfte, das kann es nicht geben.“

Freiheitsbeschränkungen dürften auch nicht, wie das nach wie vor geschehe, an Inzidenzwerten anknüpfen. „Wenn wir aber, wie jetzt in den USA, feststellen sollten, dass auf den Intensivstationen ein überwiegender Teil der Patienten ungeimpft ist und die Kapazitätsgrenzen der Krankenhäuser erreicht zu werden drohen, muss der Staat handeln und darf Beschränkungen überall dort verfügen, wo es für den Einzelnen nicht lebensnotwendig ist.“ Der freiheitliche Staat setze darauf, dass Menschen verantwortlich handelten, und wenn sie das nicht täten, müssten sie auch mit den Konsequenzen leben. Der Augsburger Staatsrechtler Josef Lindner teilte Kingreens Auffassung. „Man wird sich schwertun, einschränkende Maßnahmen gegen Geimpfte zu verhängen. Wenn man nicht grundsätzlich an der Wirksamkeit der Impfung zweifelt, kommt ein Lockdown für alle aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr infrage.“

Von diesem Standpunkt abgeleitet, hält es Lindner auch für nicht mehr erklärbar, dass Geimpfte weiterhin Quarantänepflichten auferlegt werden. „Geimpfte in Quarantäne zu schicken, ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar“, sagte Lindner. Von den Geimpften gehe schließlich kaum eine Gefahr aus. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt plädiert dafür, Geimpfte von Quarantänepflichten zu befreien. „Die Delta-Variante erhöht das Risiko für Nicht-Geimpfte eine Infektion zu bekommen und sie weiter zu verbreiten. Deswegen müssen sich Quarantäne-Regeln von Nicht-Geimpften und Geimpften unterscheiden. Mittelfristig sollten Tests auch wieder selbst bezahlt werden“, sagte Dobrindt der „Welt“. Die Juristen vertreten zudem die Auffassung, dass man Kinder rechtlich wie Geimpfte behandeln müsse. „Menschen, die nicht geimpft werden können, müssen die gleichen Freiheitsrechte wie Geimpfte haben. Von ihnen geht zwar eine Gefahr aus und sie sind gefährdet, aber sie können dieser Gefahr durch eigenmächtiges Handeln nicht begegnen. Der freiheitliche Staat setzt dar  auf, dass Menschen verantwortlich handeln. Es braucht also eine entsprechende Bescheinigung für Kinder und jene, die nicht geimpft werden sollen“, sagte Kingreen. Lindner sieht die Sache ähnlich: „Es ist eine Frage, die die Politik dringend beantworten muss. Man kann Kinder und jene, die nicht geimpft werden können, pauschal nicht wie Menschen behandeln, die sich nicht impfen lassen wollen. Das hätte vor keinem Gericht bestand. Davon bin ich überzeugt.“ +++