Die Bundesregierung ist am Dienstagmittag zu ihrer zweitägigen Klausur auf Schloss Meseberg in Brandenburg zusammengekommen. „Wir werden über die Möglichkeiten diskutieren, wie wir einen großen Schub in die Sache bringen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Auftakt mit Blick auf die derzeitigen Schwierigkeiten in der Wirtschaft. Die Konjunktur in Deutschland könne „noch mehr Wachstum verkraften“, fügte er hinzu. Es sei eine wichtige Klausur, nötig sei ein „gutes Miteinander“, so Scholz. „Das ist im Übrigen auch etwas, was ich mir insgesamt für die Regierung wünsche.“
Man könne eine „sehr erfolgreiche Leistungsbilanz“ im letzten und in diesem Jahr vorweisen. „Es wäre natürlich gut, wenn alle mit ihren Kommunikationsstrategien dazu beitragen“, fügte der Kanzler hinzu. „Ich habe das Gefühl, diese Klausur trägt dazu bei, dass das auch gut gelingen kann.“ Bei der Kabinettsklausur soll es einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt geben. Auch die Themen KI zur Verwaltungsdigitalisierung sowie Datenschutz stehen auf der Tagesordnung. Am Mittwoch soll zudem das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beschlossen werden. Dieses Gesetz hatte direkt nach der Sommerpause für neuen Streit in der Ampelkoalition gesorgt, nachdem es Familienministerin Lisa Paus (Grüne) blockiert hatte. Nach der Einigung der Koalition auf Eckpunkte für die Kindergrundsicherung hatte Paus ihren Widerstand aber am Montag aufgegeben.
Ampel einigt sich im Streit um Lindners „Wachstumschancengesetz“
Die Ampelkoalition hat im Streit um das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) offenbar eine Einigung erzielt. Die Bundesregierung werde die Wirtschaft etwas stärker entlasten als bisher geplant, berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf den finalen Gesetzesentwurf, den das Kabinett am Mittwoch auf ihrer Klausur in Meseberg beschließen will. Demnach beläuft sich das Entlastungsvolumen insgesamt nun auf 7,035 Milliarden Euro jährlich bis einschließlich 2028. Vor zwei Wochen war ein geplanter Kabinettsbeschluss an einem Leitungsvorbehalt von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gescheitert. Gegenüber diesem Entwurf enthält das finale Gesetz nun auch eine „befristete Einführung einer degressiven AfA (Abschreibung) für Wohngebäude“. Sie soll für Gebäude gelten, die Wohnzwecken dienen und mit deren Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Auch die steuerliche Anrechnung von Verlusten wird noch einmal leicht ausgeweitet. So sollen künftig nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein. Nicht geändert wurde der Passus, wonach negative Einkünfte bis zu einem Betrag von 10 Millionen Euro bei Einzelpersonen und bei Ehegatten von 20 Millionen Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte eines vorangegangenen Veranlagungszeitraums abgezogen werden können. Des Weiteren sieht das Paket die „Einführung einer Investitionsprämie zur Beförderung der Transformation der Wirtschaft in Richtung von insbesondere mehr Klimaschutz“, eine „befristete Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter“, eine „Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung“, eine „Verbesserung des steuerlichen Verlustabzugs“ sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen vor. Im nächsten Jahr sollen sich die Entlastungen des Wachstumschancengesetzes auf insgesamt 2,65 Milliarden Euro belaufen. Die größte Entlastungswirkung entfaltet das Paket im Jahr 2026 mit 10,2 Milliarden Euro, danach nimmt die Entlastung bis 2028 wieder etwas ab. „Die zwei Wochen Verzögerung hätten nicht sein müssen, haben aber dem Vorhaben gutgetan“, hieß es in Regierungskreisen.
Ökonomen halten Wachstumspaket der Bundesregierung für zu klein
Top-Ökonomen kritisieren das geplante „Entlastungspaket“ der Bundesregierung für die Wirtschaft als zu klein. So sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm dem „Handelsblatt“, dass das geplante Wachstumschancengesetz, welches die Bundesregierung am Mittwoch beschließen will, zwar wichtig sei, um „die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern“, generell sei das Gesetz aber „weiter nicht imstande, die Wachstumsschwäche Deutschlands zu adressieren“. Ähnlich sieht es der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum: „Das Wachstumschancengesetz bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Nun mögen es sieben statt sechseinhalb Milliarden werden, notwendig wäre eine Verdopplung bis Verdreifachung des Volumens gewesen“, sagte das Mitglied des Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Südekum lobte, dass für Bauinvestitionen die degressive Abschreibung gelten soll. „Der Neubau ist wegen der Zinsentwicklung komplett zum Stillstand gekommen.“ Nötig s ei aber noch mehr für den Bausektor, vor allem eine Offensive beim sozialen Wohnungsbau. Südekum kritisiert auch die geplante steuerliche Anrechnung von Verlusten aus den Vorjahren. „Dies hätte man besser ganz weggelassen und dafür die Investitionsprämien und die steuerliche Forschungsförderung ausbauen sollen.“