Infektiologe Schrappe kritisiert Corona-Politik des Bundes

Ärztegewerkschaft drängt zu höherem Tempo in den Impfzentren

Matthias Schrappe, Infektiologe und Gesundheitsökonom an der Universität Köln, hat die Corona-Maßnahmen der Berliner Koalition in „Bild“ (Samstagausgabe) scharf kritisiert. „Die Bundesregierung steht mit ihrer Corona-Politik vor einem Scherbenhaufen“, sagte er der „Bild“. Mit Blick auf die Landtagswahlen am Sonntag sagte der Wissenschaftler: „Ich würde mich nicht wundern, wenn die Politik dafür nun abgestraft wird.“ Eine Impfkampagne sei das „komplexeste gesellschaftliche Projekt“ das denkbar ist, so der Medizinprofessor. Die Bundesregierung habe dies „unterschätzt“. Konkret kritisierte er auch die zu starke Orientierung des Regierungshandelns an Inzidenzwerten: „Es ist tragisch, wie die Bundesregierung den Inzidenzwert benutzt, um politische Entscheidungen durchzusetzen.“ Die täglich verkündeten Zahlen des Robert-Koch-Instituts seien von der Zahl der Getesteten abhängig, würden aber dennoch auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet, kritisierte Schrappe die Methodik. „Den Inzidenzwert für die gesamte Stadt oder den Kreis zu nutzen ist somit blanker Unsinn. Er sagt nichts aus.“ Man steuere die ganze Zeit mit „unzuverlässigen“ Werten. „Das ist eine Sünde.“

Ärztegewerkschaft drängt zu höherem Tempo in den Impfzentren

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund fordert ein höheres Tempo in den Impfzentren: „Die Impfzentren der Länder müssen endlich besser aufgestellt werden“, sagte die Vorsitzende, Susanne Johna, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass durch ausgefallene Termine Impfstoff vorübergehend auf Halde liege oder gar verworfen werde. „Alles, was an einem Tag verimpft werden kann, muss jetzt schnell an die Leute.“ Nötig seien dazu „flexible und pragmatische Lösungen, um das Tempo beim Impfen weiter zu erhöhen“. Gerade angesichts der dritten Welle komme es buchstäblich auf jeden Tag an, so Johna. Konkret schlug sie vor, mit Hilfe von Nachrückerlisten und lokalen Hotlines übrig gebliebenen Impfstoff noch am selben Tag zu verimpfen: „Nachrücker müssten die aktuelle Impfpriorität oder die nächste aufweisen, möglichst schnell ins Impfzentrum kommen können und einverstanden sein, dass ihre Telefonnummer dem Im pfzentrum bekannt ist.“ Dazu müsse es in jedem Impfzentrum eine Art Disponenten geben, der die Nachrückerlisten führe und die Impfkandidaten anrufe, sobald ein Termin freigeworden sei. Zudem müsse es eine Nachrücker-Hotline in jedem Impfzentrum geben, bei der sich jeden Tag für kurze Zeit Interessenten melden könnten. Am kommenden Mittwoch wollen Bund und Länder abschließend über den Start der Impfungen in Arztpraxen entscheiden. Die lokalen Impfzentren sollen jedoch zunächst weiter betrieben werden. Sie sollen im April nach einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz wöchentlich mit 2,25 Millionen Impfdosen beliefert werden.

Impfstoffbeauftragter will massiven Ausbau der Produktion

Der Impfstoffbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Krupp, fordert einen massiven Ausbau der deutschen und europäischen Impfstoffproduktion. „Im Pandemiefall sollten die Europäer in der Lage sein, einen neuen Wirkstoff in einem Vierteljahr für die gesamte europäische Bevölkerung zu herzustellen“, sagte Krupp den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das wären 500 Millionen Impfdosen. Dazu sollte Deutschland einen kraftvollen Beitrag leisten.“ Von 2022 an solle „eine sichere Versorgung Deutschlands über eigene Produktionskapazitäten gewährleistet“ sein, so Krupp. Die Taskforce der Bundesregierung werde dazu bis Mai ein Konzept erstellen. Im Vordergrund stünden neuartige Technologien wie mRNA. Dabei baue er besonders auf die deutschen Impfstoffhersteller Biontech und Curevac. „Aber auch Johnson & Johnson und Astrazeneca wollen in Deutschland produzieren“, berichtete Krupp. Man brauche ein Netzwerk von Unternehmen, die die verschiedenen Produktionsschritte machen. Dabei gehe es um die gesamte Wertschöpfungskette. Es gehe ihm um eine staatlich abgesicherte Impfstoffproduktion, fügte Krupp hinzu. „Es kann dabei zum Beispiel um eine Risikoabsicherung für Unternehmen gehen.“ Für konkrete Zahlen sei es aber noch zu früh. Aber es werde deutlich weniger Geld sein, als Deutschland derzeit für Impfstoffe ausgebe. +++

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