
„Der Hessische Gründerpreis hebt sich von anderen Preisen für Existenzgründer dadurch ab, dass er nur Unternehmen auszeichnet, die erfolgreich am Markt agieren. Nicht preiswürdig sind dagegen bloße Konzepte oder Businesspläne“. Das schrieb fuldainfo.de. im November 2017, um seinerzeit die Verleihung des Hessischen Gründerpreises „Geschaffene Arbeitsplätze“ an Mario-Sebastian Fertig und Stefan Krause (Howa Management GmbH) und den damit verbundenen Mut und Weitblick hervorzuheben. Leerstände in der Gastronomie von Rhön und Vogelsberg wollten Fertig und Krause besiegen und der Gastronomie wieder ein Gesicht geben. Das hörte sich gut an und verbreitete angesichts der strukturellen Probleme in der Gastronomie neue Hoffnung. Ein Betrieb nach dem anderen wurde gegründet. An dem märchenhaften Aufwärtsstreben der beiden Herren schien niemand öffentlich zweifeln zu wollen.
Keine zwei Jahre sind vergangen, haben wir den Eindruck, dass den Initiatoren und Jury-Mitgliedern des Gründerpreises, einschließlich ihrem Schirmherren, dem hessischen Wirtschaftsminister, Tarek Al-Wazir, die Verleihung dieses Preises im Nachhinein eher peinlich zu sein scheint. Denn statt von den einst vollmundig angekündigten Arbeitsplätzen reden wir nun von Insolvenz sowie tiefen Wunden bei Lieferanten, Sozialversicherungsträgern, Verpächtern und Mitarbeitern. Die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet. Alles andere wird sich im Interesse der Geschädigten hoffentlich bald auf juristischem Weg klären. – Wenngleich damit ganz sicher der Imageschaden für das Land Hessen, die Region und die riesengroße Enttäuschung bei den ehemaligen Mitarbeitern von Howa nicht mehr aus der Welt geschafft werden können.
Um vor allem zum Letzteren etwas mehr Schärfe in diese traurige Geschichte zu bekommen, haben wir mit dem Politik- und Innovationsberater Prof. Dr. Joseph Dehler gesprochen. Dehler war u.a. Innovationsbeauftragter der Bundesländer Hessen und Sachsen-Anhalt sowie in ähnlicher Funktion für die Bundesregierung tätig. Nicht nur das, er kommt ursprünglich aus der Gastronomie, hat im legendären Fuldaer „Hotel zum Kurfürsten“ Koch gelernt, in einigen gastronomischen Betrieben gearbeitet und die Hotelfachschule Tegernsee absolviert. Außerdem hat er von 2012 bis vor kurzem mit seiner Frau das AltstadtCafé MandelRose® in Fulda geführt. Die „MandelRose®“ ist nun in Gersfeld, im Café am Markplatz, beheimatet. An dem Ort, wo einst die Howa zwei ihrer Betriebe und das „Headquarter“ hatte.
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Wir erinnern uns angesichts der für die Gastronomie in der Region sehr unschönen Entwicklung von Howa daran, dass Sie 2017/2018, als die Howa GmbH noch in der Fuldaer Karlstraße residierte, uns gegenüber von Anfang an sehr skeptisch waren, ob deren, als originär erscheinende Geschäftsidee, die Gastronomie in Rhön und Vogelsberg zu beleben, aufgehen würde. Schon gar nicht glauben wollten Sie damals, dass die Herren Fertig und Krause von der Howa Management GmbH dann auch noch nach kurzer Zeit den „Hessischen Gründerpreis für geschaffene Arbeitsplätze“ erhielten. Was waren damals die Gründe für Ihre Einschätzung?
Dehler
Es war zunächst nur eine reine „Bauchgeschichte“, denn weder wollte noch konnte ich mich in das Konzept der HOWA einarbeiten. Mir erschien lediglich der ganze Hype, den die Herren um sich herum und andere um diese herum veranstalteten, als höchst wirklichkeitsfremd. Ganz sicher hatte das mit meinen eigenen Erfahrungen in der Gastronomie schon als Lehrling und viele Jahre später dann mit dem Aufbau des AltstadtCafé MandelRose® zu tun. Vor allem aber auch mit meinen langjährigen beruflichen Erfahrungen im Innovationsgeschäft. Im einen wie im anderen Geschäft wird mit harten Bandagen gekämpft. Und nichts fällt dabei einfach so vom Himmel.
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Was heißt das in Bezug auf ihre Erfahrungen in der Gastronomie?
Dehler
Wenn Sie bereits als 14-Jähriger in der Gastronomie täglich über 10 Stunden gearbeitet haben, und dann, 50 Jahre später, einen ganz kleinen Betrieb mit aufgebaut haben, wissen Sie, wie hart das Brot verdient werden muss, um es etwas flapsig zu sagen. Schon alleine vor diesem Hintergrund erschien mir die Howa-Himmelsstürmerei von Anfang an als eine große Luftnummer. Während andere, meist Fachfremde, die Herren überall hofierten, hatte ich im Gefühl: „Das wird nix“. Es gab leider keine Gelegenheit, dieses den Herren mitzuteilen. Zudem: Weder hätten sie dies hören wollen noch hatte ich einen Anlass, sie vom Gegenteil bekehren zu müssen. Wir hatten schließlich genug mit unserem kleinen Betrieb zu tun. Einen solchen mit aller Kraft und persönlichem Einsatz führen zu müssen, das hätte ich Krause und Fertig gerne gewünscht. Diese Erfahrung aber ist ihnen vollkommen entgangen. Sie wäre aber eine handfeste Grundlage gewesen, sich für oder gegen den Aufbau weiterer Betriebe zu entscheiden. Aber sie nannten sich ja auch nicht „Arbeiter“, sondern „Manager“.
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Wie haben Sie das als Innovationsfachmann beurteilt?
Dehler
Ich habe über Jahre mit meinen Mitarbeitern versucht, hunderte von Existenzgründern erfolgreich in eine dauerhafte Selbständigkeit zu führen sowie Innovationen und Geschäftsideen unterstützend zu begleiten. Abgesehen von einigen wenigen, deren geniale Ideen in der richtigen Zeit geboren wurden, zum Beispiel im Internetgeschäft, hat sich jedoch gezeigt, dass nachhaltige Entwicklungen reifen müssen. Ein Beispiel aus der Region ist hier für mich u.a. immer wieder die erfolgreiche, in Fulda ansässige Firma Juchheim. Hier verbinden sich auf hervorragende Weise Tradition, gewachsene Strukturen, Erfahrungen, Wissen und die daraus erst entstehende Innovationskraft. Und vor allem das dazu gehörende Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitarbeitern und der Region. Auch im Gastronomiegewerbe ließen sich analog etliche Beispiele nennen. So z.B. „Dreilinden“ in Neuenberg, dass „Casino“ in Petersberg oder das Landhotel am Trätzhof. Alle von Tradition, den jeweiligen Generationen sowie deren Innovationsfähigkeit geprägt. Das Howa-Konzept hingegen war für mich von Anfang personell wie strategisch gesehen ein „aufgesetztes Ding“: Die Region wie das Personal waren dabei nur das „Vehikel“ bei fehlendem Herzblut und ohne wirkliche Verantwortung für das Umfeld. Nur das kurzsichtige Geschäft im Auge. Das konnte einfach nichts werden.
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Können Sie das näher erläutern?
Dehler
Wenn ich in Vorträgen über erfolgreiche Innovationen gesprochen habe, dann meist unter dem Blickpunkt von Tradition und Innovation. Symbol für erfolgreiche Innovation ist für mich die „Kettenschaukel“. Nach vorne und in die Höhe kommt man nur, wenn man erst einen Schritt zurückgeht und auch dann andauernd zurückkommen muss, um sich überhaupt hochschaukeln zu können. Krause und Fertig hingegen versuchten mit aller Kraft aus dem Stand nach oben zu kommen. Das funktioniert eben nicht. So einfach ist das. Langlebige Innovationen entstehen meist von unten, sie knüpfen an, sind durchdacht und müssen durch und durch gelebt werden. Innovation ist so etwas wie ein Wellenspiel. Sie braucht Erfahrung (auch überlieferte), Sensibilität für das Umfeld und Durchhaltevermögen.
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Läuft da heute etwas falsch?
Dehler
Ich glaube, dass heute mehr denn je Hirngespinste mit Innovation verwechselt werden. Dazu trägt das Internet erheblich bei. Hier kann vor allem die Selbstdarstellung unbegrenzt ihre Blüten treiben. … Natürlich ein gutes Marketing muss sein. Es darf aber nicht am Anfang stehen und sich nicht verselbständigen. Gute Ideen müssen reifen, andauernd reflektiert werden und sich Schritt für Schritt entfalten. Auf Howa bezogen können Sie selber interpretieren, was ich meine.
fuldainfo.de
Mit einem Unterschied: Howa hat einen Hessischen Gründerpreis des Landes Hessen erhalten.
Dehler
Ja. Und dieser hat letztlich leider mit dazu beigetragen, dass nun dieser Riesenschaden und die große Enttäuschung entstanden sind. Der Preis hat die jetzt Geschädigten zusätzlich ermutigt, mit Howa Geschäfte einzugehen. Sie konnten davon ausgehen, dass der Gründerpreis, im Hintergrund der hessische Wirtschaftsminister als Schirmherr, so etwas wie ein Qualitätssiegel für gute unternehmerische Geschäftsbeziehungen ist.
fuldainfo.de
Zu Unrecht?
Dehler
Hierdurch konnte sich die Selbstdarstellung und Überheblichkeit der Inhaber nahezu ins Unendliche steigern. Und da, wo längst die Reißleine hätte gezogen werden müssen, wäre es ja wohl ein Affront gegen die Preisgeber gewesen, aufzugeben. Dies ist aber nur am Rande. Auf jeden Fall sollte sich der Wirtschaftsminister unbedingt zu der Fehlentscheidung der Jury äußern, um Schaden vom Gründerpreis als solchem abzuwenden. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass solche Preise genau das Ziel haben, Aufmerksamkeit zu erzeugen, um mitzuhelfen, eine Geschäftsidee nach vorne zu treiben. Vom Ansatz her richtig und gut gemeint.
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Ist da etwas falsch gelaufen?
Dehler
Auf jeden Fall, wie wir sehen. Aber ich möchte mir nicht anmaßen, im Einzelnen zu beurteilen, was. Dazu müsste ich mich näher mit diesem besonderen Preis, dem Verfahren und der Jury beschäftigen, wofür mir die Zeit fehlt. Jedenfalls, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, kann ich nicht verstehen. Mir sind auch im Nachhinein keine substantiellen Aussagen der Jury zum Scheitern von Howa mit Bezug auf den Gründerpreis bekannt. Aus meinen Erfahrungen mit Innovationspreisen kann ich nur immer wieder vor Zurückhaltung in der Bewertung bzw. Überbewertung raten. Jedenfalls tragen die Verleiher des Preises eine große Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Dieser sollten sie wenigstens im Nachhinein mit aufklärenden Worten nachkommen.
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Sie stehen doch sicherlich permanent in Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen aus der Gastronomie. Lediglich auf die Entwicklung von Howa in der Entstehungsphase bezogen: Wie wurde Howa in Fachkreisen beurteilt?
Dehler
Nicht viel anders, als ich sie beurteilt habe. Ich erinnere mich an die geniale Aussage eines erfahrenen Gastronomen, welche bei mir bis zum heutigen Tage hängen geblieben ist, und die eigentlich alles sagt: „Wenn die wirklich Erfolg haben, dann haben wir bisher alles falsch gemacht“.
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Letzte Frage: Was wünschen Sie sich angesichts des zuvor besprochenen Dilemmas?
Dehler
Auch wenn es schwer fällt, das zu verstehen: Ich wünsche mir oft, dass erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern weniger Steine in Form von immer neuen Vorschriften in den Weg gelegt werden, als mit viel Geld ständig neue Maßnahmen, auch in Form von ausgelobten Preisen, zu erfinden, die letztlich vor allem dazu dienen, dass sich Politiker und Funktionsträger ins Rampenlicht rücken können. Im konkreten Fall sollte man einmal überlegen, wie in Form des Patenschafts-Gedankens potentielle Gründer erfahrenen Unternehmen zum gegenseitigen Nutzen zur Seite gestellt werden können. Und zwar nicht, um Ideen jedweder Art abzutöten, sondern damit sie sich fundamental entwickeln können. +++
Das trifft natürlich auch auf die Grünen zu! Völlig zu Recht!
Der Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ist bei Bündnis90/Die Grünen. Er hat den Preis verliehen. Nur so am Rande.
Die ganze Geschichte, die ich hier lese, erinnert mich doch sehr an den Frankfurter „Immobilientycoon“ Dr. Jürgen Schneider, der von den Banken in den 90-er Jahren jede Menge Kohle eingesammelt hatte, von vielen hochgelobt wurde und 1994 dann eine krachende Pleite hingelegt hat inklusive anschließender Flucht ins Ausland. Manch einer der älteren Leser hier wird sich daran sicher noch erinnern. Also was Blender und Täuscher angeht haben wir hier in Hessen doch wohl einige Erfahrungen gemacht. Leider leider lernt niemand daraus. Und die Trumps und Johnson´s dieser Welt zeigen uns eindrucksvoll, wie leicht es immer noch ist, Menschen zu blenden; im Geschäftsleben und in der Politik! Die Ursache übrigens hat Dehler in einem Nebensatz erwähnt: keine Zeit! Keine Zeit, Preisträger gründlich zu prüfen, keine Zeit, genauer hinzuschauen, keine Zeit Aussagen zu hinterfragen. In unserer schnelllebigen Zeit wollen Politiker aller Couleur offenbar nur schnelle Ergebnisse und sind für solche Blender gerne anfällig. Weil eben keiner mehr Zeit hat oder haben will, gründlicher und genauer zu arbeiten. Und genau deshalb passiert so etwas. Nur frage ich mich: Dehler ist doch Politikberater mit einiger Erfahrung im Gastrobereich. Warum hat niemand auf ihn gehört und ihn auch niemand aus Wiesbaden um Rat gefragt? Weil er eher links eingestellt ist?
Auch auf die mahnenden Worte eines Fachmanns hat seinerzeit Fulda nicht gehört, als man die Bodenplatten auf dem Uniplatz verlegt hat. Weil er in der falschen Partei war. Und auch da beklagen jetzt alle den Pfusch, der Fulda noch viel Geld kosten wird.
Dummheit und Ignoranz ist offenbar von Fulda bis Wiesbaden immer noch innerhalb der CDU beheimatet. Sorry Boys, es ist aber so!
Wie die anderen Kommentatoren schon sagten, sehr guter Bericht, kompetent und ehrlich. Auch von mir vielen Dank dafür. Allerdings: Erfolg in der Gastronomie gibt es auch ohne gelebte Innovation mit Herzblut etc, siehe McDonalds, Burger King et al. Davon abgesehen: Wenn die HOWAS ihren Preis bekommen haben, ohne je eine Bilanz angefertigt zu haben, was haben bitte die Preisverleiher da geprüft? Was haben sie geprüft, wenn es bei HOWA gar keine vernünftige Buchhaltung gab? Mich erinnert das an den Hauptmann von Köpenick, der mit einer schicken Uniform auch alle getäuscht hat. So einfach ist es also, in Wiesbaden die Bussi-Bussi-Minister mit ihren ach-so-schlauen Beratern hinters Licht zu führen. Mein Rat wäre, diese Preise erst mal nicht mehr zu vergeben. Es braucht sie keiner, denn wer wirklich erfolgreich ist, kann auf die Goldmedaille um den Hals gut verzichten. Nach dieser Katastrophe traut man solchen Preisträgern doch ohnehin nicht weiter über den Weg. Es wäre wichtig und richtig, dass der kleine grüne Alleskönner aus dem Ministerium sich hinstellt und öffentlich macht, wie eine derartige Aktion passieren konnte, in allen Einzelheiten. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, was da mit ihren Steuergeldern veranstaltet wird. Solange es keine Erklärung des Ministers gibt, sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Man hört ja schon ein Munkeln von Nepotismus.
Gut, dass dies einmal so deutlich gesagt wurde. Danke. Schaumschläger gibt es überall und immer mehr. Die HOVAS überbieten jedoch alles je in der Gastronomie der Region Dagewesene. Man denkt manchmal, dass wir, die wir tagtäglich unsere Arbeit zu viel zu günstigen Preisen machen, gar keine Aufmerksamkeit der Medien haben. Diejenigen, die am meisten Schaum schlagen, werden in den Medien hoch gehievt. Die anderen, die gar keine Zeit für Selbstdarstellung haben, werden mit einem solchen Hype gegenüber diesen Schaumschlägern indirekt auch noch abgewertet. Mal alle 14 Tage oder so eines unserer Unternehmen vorgestellt, das wäre mal ein Vorschlag an fuldainfo. Und zwar nicht nur die schönen Seiten, auch alle unsere Probleme, unter anderem mit gut ausgebildeten Personal.
Jedenfalls danken wir fuldainfo für das Interview.
Ich kann es auch nicht richtig glauben. Wie konnten so viele auf die Burschen reinfallen. Ich hoffe das sowas nicht mehr passiert.
Wurde Zeit, dass das einmal gesagt wurde.
Richtig. Eine Blamage für das Land Hessen und die Region. Und nicht imagefördernd für die Gastronomie.