Historiker fordert klare Worte Berlins an Netanjahu

Deutsch, Bundestag

Der deutsch-israelische Historiker Meron Mendel fordert von der Bundesregierung klare Worte an die israelische Regierung. Die neue Regierungskoalition in Jerusalem unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu plane „die Abschaffung der liberalen Demokratie“, sagte Mendel dem Radiosender HR-Info am Mittwoch anlässlich des Netanjahu-Besuchs in Deutschland. Dabei gehe es ihr darum, „die Gewaltenteilung auszuhebeln und der Regierung eine unbegrenzte Macht zu geben“.

Meron Mendel, der in Frankfurt die Bildungsstätte Anne Frank leitet, sieht auf Seiten der Bundesregierung „eine sehr große Zurückhaltung“ gegenüber der neuen israelischen Regierung. Dafür habe er zum Teil Verständnis, er forderte die Bundesregierung aber auf, klar zu sagen, „welche gemeinsamen Werte uns verbinden“. Die aktuelle israelische Regierung habe „gemeinsame Werte mit der AfD, aber keinesfalls mit der Bundesregierung in Deutschland“, so Mendel. Die Menschen in Israel schauten genau darauf, wie in der westlichen Welt und in Europa mit der neuen Regierung in Jerusalem umgegangen werde. „Daher ist es die Verantwortung der Bundesregierung, ein Signal an die israelische Bevölkerung zu senden“, sagte Mendel.

Zentralrat der Juden besorgt über Demokratieentwicklung in Israel

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich angesichts des Berlin-Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu besorgt gezeigt über die politische Lage und die Gefährdung der Demokratie in Israel. „Der Deutschland-Besuch des israelischen Ministerpräsidenten ist wichtig; er ist ein Zeichen für die große Verbundenheit der beiden Länder und Gesellschaften“, sagte Schuster dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Sehr viele in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland sind allerdings besorgt über die gesellschaftliche Spaltung in Israel, die durch die von der aktuellen Regierung vorangetriebene Justizreform noch sichtbar verstärkt wird“, so Schuster. „Jüdische Werte sind in ihrem Kern demokratisch und zum Wohle des Einzelnen und der Gesellschaft ausgerichtet.“ Juden in aller Welt seien „stolz darauf, dass der jüdische Staat die einzige Demokratie im Nahen Osten ist“, so der Zentra  lratspräsident. „Ein Abbau demokratischer Strukturen wäre auch für die jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels nicht akzeptabel.“ Schuster soll Netanjahu am Rande der Gedenkveranstaltung an der Holocaust-Gedenkstätte „Gleis 17“ in Berlin treffen. Netanjahus rechtsreligiöse Regierung will die Justizreform bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen. Kernelemente wurden bereits in erster Lesung im Parlament gebilligt. Ziel der Reform ist Beobachtern zufolge die gezielte Schwächung der unabhängigen Justiz. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Seit mehr als zwei Monaten gibt es massive Proteste gegen die Justizreform. +++