Hessen plant Haushalt ohne neue Schulden

SPD: Wahlkampfhaushalt ignoriert die wahren Problemen des Landes

Bei der Vorstellung in Wiesbaden. Foto: Hessische Staatskanzlei

Die hessische Landesregierung plant einen Haushalt ohne neue Schulden. Die Regierung hat ihren Entwurf für den Doppelhaushalt 2023 und 2024 im Kabinett beschlossen und heute öffentlich vorgestellt. „Mit dem Haushalt für die nächsten beiden Jahre halten wir das Land in unruhigen Zeiten klar auf Kurs: mit Zuversicht, Tatkraft und vielen Ideen für ein modernes Morgen. Wir werden alles tun, was erforderlich ist, um die aktuellen Krisen zu meistern, aber wir schauen mit gezielten Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Sicherheit und die Widerstandskraft des Landes natürlich über den Tag hinaus. Bei alldem gehen wir verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um. Wir planen nicht nur, keine neuen Schulden zu machen, sondern sehen sogar die Tilgung alter Schulden vor“, sagten Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Finanzminister Michael Boddenberg in Wiesbaden.

Haushalt in Krisenzeiten

„Natürlich entsteht dieser Haushalt in Zeiten diverser Krisen und großer Herausforderungen: Ukraine-Krieg, steigende Energiekosten, hohe Inflation, Corona und der Klimawandel. Aber genau dieser Etat wird zur Bewältigung der schwierigen Situation beitragen. Wir werden helfen, wo es nötig ist“, sagte Ministerpräsident Rhein. Er betonte dabei auch Hessens Bereitschaft, sich an dem vom Bund vorgestellten dritten Entlastungspaket zu beteiligen, obwohl die Länder nicht eingebunden worden waren. „Es steht außer Frage, dass wir unseren Beitrag leisten. Der Bund kann aber nicht diktieren, was die Länder zu zahlen haben. Er muss sich selbst stärker einbringen.“ Rhein bezifferte die Belastungen Hessens durch die aktuellen Vorschläge des Bundes auf rund zwei Milliarden Euro für den anstehenden Doppelhaushalt. „Der Haushaltsentwurf deckt die möglichen Folgen des dritten Entlastungspakets noch nicht ab. Zu viele Einzelheiten sind noch unklar, zudem stehen die Verhandlungen mit dem Bund über die Kostenaufteilung noch an.“ „Unabhängig von den bevorstehenden harten Verhandlungen mit dem Bund können die Menschen in unserem Land sich darauf verlassen: Wir werden einen der Krise angemessenen Beitrag Hessens stemmen können“, ergänzte Finanzminister Boddenberg.

Gesagt, getan: Haushalt setzt Regierungserklärung des Ministerpräsidenten um

„Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik dieser erfolgreichen Koalition. Der Doppelhaushalt steht somit auch für all das, was ich in meiner ersten Regierungserklärung als Ministerpräsident angekündigt habe. Der Klimaschutz gehört in den Mittelpunkt unseres Handelns. 1,8 Milliarden Euro stellen wir dafür bereit. Rund 4.000 neue Stellen unterstützen Hessens Schulen und das Bildungsland Hessen. Mehr als 500 neue Stellen für Justiz und Polizei stärken Recht und Sicherheit in unserem Land. Eine Milliarde Euro für Hessens Krankenhäuser und zusätzliches Geld für die Pflege bringen wir mit dem Haushalt ebenso auf den Weg wie 600 Millionen Euro für die Digitalisierung unseres Landes und weitere Anstrengungen für den hessischen Katastrophenschutz“, sagte Ministerpräsident Rhein. „Gesagt, getan: Mit diesem Haushaltsentwurf gibt die Landesregierung den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen Sicherheit in unsicheren Zeiten.“

Keine neuen Schulden: Land plant Rekordinvestitionen

„Wir planen, 2023 ohne neue Schulden auszukommen und 2024 sogar 110 Millionen Euro alter Schulden zurückzuzahlen. Trotz aller Unwägbarkeiten der aktuellen Lage muss es unser Ziel bleiben, alle Hilfs- und Stützungsmaßnahmen innerhalb der Schuldenbremse zu ermöglichen. Sie ist selbst ein Instrument zur Krisenbewältigung, denn sie fördert das Vertrauen in die langfristige Solidität der öffentlichen Haushalte und reduziert inflationäre Tendenzen“, erläuterte Finanzminister Boddenberg. „Das ist nicht nur mit Blick auf die außerordentlich hohe Inflation und steigende Zinskosten geboten, sondern auch unsere Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen. Wir müssen ihnen finanzielle Spielräume erhalten.“ Boddenberg sagte weiter: „Erstmals liegen die Investitionen im Landeshaushalt über drei Milliarden Euro – sowohl 2023 als auch 2024. Diese Rekordinvestitionen stützen die Konjunktur. Wir investieren beispielsweise weiterhin viel in Hochschulbauten, gerade auch in die energetische Sanierung.“ „Hessen ist bislang immer gut damit gefahren, Haushalte vorausschauend und konservativ aufzustellen. Als Vorsorge für weitere derzeit noch nicht absehbare krisenhafte Entwicklungen sind für 2023 200 Millionen Euro eingeplant“, sagte Boddenberg.

Haushalt für Klimaschutz und ein soziales Hessen

„Viele Menschen machen sich derzeit Sorgen, was die steigenden Preise für sie bedeuten. Sicher können wir nicht alle Probleme von Wiesbaden aus lösen. Aber wir unterstützen diejenigen, die anderen helfen. Wir setzen alles daran, gut durch diesen Herbst und Winter zu kommen. Und wir haben einen Plan, wie wir unser Land durch die Krise führen“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Darum stocken wir unser Sozialbudget nochmals auf, um insgesamt neun Millionen Euro. Zudem stecken wir mehr Geld in die Energie- und Schuldnerberatung sowie in eine stärkere Unterstützung der Tafeln. Alleine die Mittel für die Energieberatung für private Haushalte erhöhen wir im kommenden Jahr um rund 40 Prozent.“ Im Wohnungsbau wird das Budget für Sozialwohnungen und Wohngeld in den kommenden beiden Jahren um durchschnittlich zehn Prozent erhöht. Insgesamt stehen für den Wohnungs- und Städtebau in den nächsten zwei Jahren mehr als eine Milliarde Euro bereit. Zudem hat die Landesregierung für den 30. September zu einem Sozialgipfel eingeladen. Al-Wazir sagte: „Für uns ist völlig klar: Wir müssen und werden alles Nötige tun, um niemanden im Regen stehen zu lassen.“

1,8 Milliarden Euro für Klimaschutz

Auch das Land selbst geht mit gutem Beispiel voran und hat sich zum Ziel gesetzt, den eigenen Energieverbrauch in der aktuellen Heizperiode um 15 Prozent und den Stromverbrauch um fünf Prozent zu senken. „Und perspektivisch soll es noch mehr werden“, so Al-Wazir. „Ein Beispiel, was das konkret heißt: Wir schaffen ein Sonderprogramm für Photovoltaik-Anlagen auf unseren hessischen Hochschulen. Dafür stehen 21 Millionen Euro zur Verfügung. Das wird wirken.“ Neben der Bewältigung der aktuellen Krise setze der Doppelhaushalt wichtige mittel- und langfristige Schwerpunkte. „Beim Klimaschutz legen wir sektorübergreifend eine Schippe oben drauf und nehmen allein 2023 und 2024 rund 1,8 Milliarden Euro in die Hand“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Mit 155 Millionen Euro kümmern wir uns um Hessens Wälder. Beispielsweise indem wir Flächen aufforsten, die besonders unter Trockenheit und Hitze gelitten haben. Für den klimafreundlichen öffentlichen Nahverkehr sind Rekordmittel von insgesamt jährlich mehr als einer Milliarde Euro geplant. Den Rad- und Fußverkehr möchten wir mit mehr als 60 Millionen Euro stärken.“ Um kleine und mittlere Unternehmen bei der Transformation hin zum klimafreundlichen Wirtschaften zu unterstützen, stehen alleine für das Ressourcenwende-Paket sowie die Servicestelle „WirtschaftsWandel Hessen“ in den kommenden beiden Jahren sechs Millionen Euro bereit.

Ausblick

„Mit dem Doppelhaushalt ist Hessen gut gerüstet: für aktuelle Krisen ebenso wie für wichtige Zukunftsthemen. Mit dem Entwurf ist die Arbeit gleichwohl nicht getan, sondern sie beginnt gerade erst. Wir gehen sie zuversichtlich an“, sagten Ministerpräsident Rhein, Finanzminister Boddenberg und Wirtschaftsminister Al-Wazir. Der Haushaltsentwurf der Landesregierung wird im Oktober-Plenum vom Finanzminister in den Hessischen Landtag eingebracht und dort in erster Lesung beraten. Die Verabschiedung ist für Januar 2023 vorgesehen.

Weiß (SPD): Wahlkampfhaushalt ignoriert die wahren Problemen des Landes

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Marius Weiß, hat von einem Zahlenwerk gesprochen, das nicht die Probleme im Land in den Mittelpunkt stelle, sondern sich eher am aufziehenden Landtagswahlkampf von CDU und Grünen orientiere. Marius Weiß sagte in einer ersten Reaktion in Wiesbaden: „Letztes Jahr durfte Finanzminister Boddenberg (CDU) den Landeshaushalt noch alleine vorstellen. Dieses Jahr musste er sich die Bühne mit Ministerpräsident Rhein (CDU) und Wirtschaftsminister Al-Wazir (Grüne) teilen. Dies zeigt, dass keiner der beiden Koalitionspartner zu kurz kommen wollte und findet auch Ausdruck bei den gewählten Schwerpunkten. Dabei kommt Schwarzgrün ein signifikanter Steuersegen zur Hilfe. Im Vergleich zum Haushalt für dieses Jahr kann der Finanzminister für die nächsten beiden Jahre in Summe mit Mehreinnahmen über fünf Milliarden Euro rechnen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist der vorgelegte Doppelhaushalt enttäuschend.“ Weiß nannte es unbegreiflich, dass die Landesregierung im Haushaltsentwurf eine Beteiligung des Landes an dem dritten Entlastungpaket der Bundesregierung noch nicht eingepreist habe. „Dabei reden wir ‚nur‘ von einer prozentualen Beteiligung an einem Entlastungspaket des Bundes. Dafür sind keine Mittel veranschlagt und es gibt dafür auch keine Rücklage mehr als Puffer. Ein eigenes Landesprogramm zur Hilfe für Menschen und Unternehmen in der Krise, so wie es beispielsweise das Land Niedersachsen mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) aufgelegt hat, sucht man vergeblich. Angesichts einer Inflationsrate, die in Richtung des zweistelligen Bereichs geht, weiter hohen Energiepreisen und einer erwarteten Schrumpfung der Wirtschaft im nächsten Jahr ist das mehr als fahrlässig“, so der finanzpolitische Sprecher.

Einen avisierten Zuwachs von 4.000 Stellen im Schulbereich in den kommenden beiden Jahren nannte Weiß illusorisch, weswegen diese nur „Phantom-Stellen“ seien. Schon lange könnten viele Stellen in den Haushaltplänen am Ende nicht besetzt werden. Das Problem sei, dass Schwarzgrün in den letzten Jahren zu wenig Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet habe und die Stellen im Vergleich zu anderen Ländern in puncto Besoldung und Arbeitsbedingungen unattraktiv seien. Die 4.000 neuen Lehrerstellen seien lediglich eine Zahl, die vermutlich gewählt worden sei, weil sie sich auf CDU-Wahlplakaten gut vermarkten lasse. In den Schulen sorgten die Pläne wohl eher für höhnisches Gelächter sorgen. Dagegen sei der Zuwachs bei der hessischen Polizei mit nicht einmal 25 Stellen pro Jahr geradezu lächerlich, so Marius Weiß: „Dieser Zahl ist wird bei den Dienststellen vor Ort nicht spürbar sein. Angesichts ihrer Belastungssituation ist das ein Schlag ins Gesicht der vielen Polizeibeamtinnen und –beamten, die jeden Tag für uns die Knochen hinhalten.“ „Im Bereich des ÖPNV entzieht sich die schwarzgrüne Landesregierung weiterhin ihrer Verantwortung. Nach Abzug von Bundesmitteln und kommunaler Mittel bleibt der Zuwachs der Landesmittel weit hinter den Bedarfen und den Forderungen der kommunalen Familie und der Verkehrsverbünde zurück. Auch im Gesundheitsbereich vernachlässigen CDU und Grüne drängende Probleme, beim Klimaschutz bleiben sie vage und der ländliche Raum wird weiter vernachlässigt“, bilanzierte Weiß. +++