Hessen hat Wolfsmanagementplan vorgestellt

Vollmundige Ankündigungen der Umweltministerin müssen Taten folgen

„Der Wolf ist nach Hessen zurückgekehrt. Wir sind überzeugt, dass ein konfliktarmes Zusammenleben von Mensch und Wolf gelingen kann und schaffen mit dem neuen Wolfsmanagementplan die Rahmenbedingungen dafür. Sorgen der Bevölkerung und der Nutztierhalterinnen und -halter nehmen wir dabei sehr ernst. Es ist unser Ziel, mit größtmöglicher Aufklärung, Unterstützung der Weidetierhaltung und in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden aus Landwirtschaft, Naturschutz und Jagd die Rückkehr des Wolfes transparent und tragbar für alle zu gestalten“, erklärt Umweltministerin Priska Hinz in Wiesbaden. Der Wolfsmanagementplan bietet für Bürgerinnen und Bürger hilfreiche Informationen rund um das Verhalten von Wölfen und erklärt, was z.B. bei einer Wolfssichtung zu tun ist. Nutztierhalterinnen und -halter erhalten einen Überblick über Fördermöglichkeiten, Beratungsangebote und Ansprechpersonen.

Klar bleibt auch, dass der Wolf unter Naturschutz steht. Nur bei einer Gefährdung von Menschen und zur Abwehr ernster wirtschaftlicher Schäden kommt ein Abschuss in Betracht. „Die Tötung eines Wolfes ist immer umstritten und darf nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Alternative Maßnahmen müssen vorher ausgeschöpft sein. Deswegen konzentrieren wir uns vielmehr darauf, die Weidetierhaltungen bestmöglich beim Schutz ihrer Herden zu unterstützen“, erläutert Hinz. Darüber hinaus legt der Wolfsmanagementplan die Zuständigkeiten und Aufgaben der hessischen Behörden fest, denn mit dem neuen Wolfszentrum Hessen (WZH), den amtlichen Wolfsberaterinnen und -beratern sowie der AG „Wolf in Hessen“ gibt es neue Strukturen: Das WZH kümmert sich künftig um das Wolfsmonitoring und die Weiterentwicklung des Wolfsmanagementplans. HessenForst stellt außerdem in jedem der 39 Forstämter hessenweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung, die neben Aufgaben im Naturschutz das Wolfsmanagement unterstützen werden und als amtliche Wolfsberaterinnen und -berater das Netz der ehrenamtlichen Ansprechpersonen bei möglichen Wolfshinweisen erweitern. Die AG „Wolf in Hessen“ überträgt den Verbänden darüber hinaus eine zentrale Beratungsfunktion, insbesondere bei der Weiterentwicklung des Wolfsmanagements.

Erfolgreiche Verbändeanhörung

Insgesamt 19 Verbände haben Vorschläge und Anmerkungen bei der Anhörung zum Wolfsmanagementplan in den letzten Wochen eingereicht. „Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für die Mitarbeit. Nur gemeinsam können wir den Wolfsmanagementplan erfolgreich weiterentwickeln. Weiteren Abstimmungsbedarf gibt es z.B. bei dem Thema Herdenschutzhunde und dem Einsatz von Nachtpferchen“, sagte Hinz. „Die AG ‚Wolf in Hessen‘ soll die Fachfragen nun aufgreifen.“

Das Wolfszentrum Hessen (WZH)

Im Mittelpunkt des hessischen Wolfsmanagements steht das neu gegründete Wolfszentrum Hessen (WZH) im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). „Der Wolf ist eines der seltensten Säugetiere in Hessen,“ so HLNUG-Präsident Prof. Dr. Thomas Schmid, „es ist gut, dass Wölfe hierher zurückkehren und die Lebensräume wieder besiedeln, in denen sie einst ausgerottet waren. Ich bin davon überzeugt, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Wölfen möglich ist – ebenso wie der Interessensausgleich zwischen Weidetierhaltung und Naturschutz. Dafür wird das HLNUG sich künftig verstärkt einsetzen.“

Das WZH ist ab sofort der zentrale Ansprechpartner für fachliche Fragen zu Verhalten und Vorkommen des Wolfs, Ratgeber für die Vollzugs- und Förderverwaltung und zuständig für den Wissens- und Erfahrungsaustausch mit anderen Behörden sowie den involvierten Verbänden – damit übernimmt das HLNUG zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben im Rahmen des Wolfsmonitorings – Erfassung, Bewertung und Dokumentation aller Meldungen, Ereignisse, Nachweise und sonstiger Daten zum Wolf in Hessen – künftig auch weitergehende Aufgaben: Konkret gehören dazu unter anderem – in Zusammenarbeit mit anderen hessischen Behörden – die Koordination und Betreuung der Wolfshotline (per Mail oder telefonisch) sowie die fachliche Beratung von Einzelpersonen, Tierhalterinnen und -haltern, Institutionen, Behörden und Verbänden. Es ist außerdem zuständig für den permanenten Wissenstransfer innerhalb der Landesverwaltung und mit den betroffenen Interessensverbänden, Forschungseinrichtungen, Fachdienststellen der anderen Bundesländer und des Bundes sowie für die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Wolf. Darüber hinaus übernimmt das WZH die Leitung und Geschäftsführung der neuen AG „Wolf in Hessen und entwickelt auf der Grundlage des Austauschs mit den Verbänden und seiner fachlichen Arbeit den Wolfsmanagementplan weiter. „Wir freuen uns, dass mit der Gründung des neuen Wolfszentrums Hessen ab sofort alle Fäden und Daten zum Thema Wolf im HLNUG zusammenlaufen,“ so HLNUG-Präsident Schmid. „Die Rückkehr der Wölfe ist ein natürlicher Prozess, dieser muss aber nicht nur wissenschaftlich beobachtet, sondern auch für alle Beteiligten akzeptabel gemanagt werden. Im neuen WZH haben wir ein kompetentes Team, das viele Fragen direkt beantworten oder mit der Vermittlung von Ansprechpartnern in anderen Landesbehörden weiterhelfen kann.“

Zur Erfüllung seiner Aufgaben wird das neue Wolfszentrum Hessen eng mit den Naturschutzbehörden aller Ebenen, dem Landesbetrieb Landwirtschaft, dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor sowie dem Landesbetrieb HessenForst zusammenarbeiten. Als jährliche Bilanz wird das WZH einen „Hessischen Wolfsbericht“ erstellen und veröffentlichen. Dieser soll einerseits die Ergebnisse des wissenschaftlichen Wolfsmonitorings enthalten, andererseits aber auch Zahlen zum Schadensmanagement und zur Förderung des Herdenschutzes. Auch ein Überblick über die Öffentlichkeitsarbeit des jeweiligen Wolfsjahres wird Bestandteil dieses jährlichen Berichts sein. Die nächsten Schritte im neu gegründeten WZH werden unter anderem die Einbindung und Schulung der neuen amtlichen Wolfsberaterinnen und -berater von HessenForst sein, gemeinsam mit diesen der Ausbau der Wolfshotline Hessen zu einer 7-Tage-Hotline sowie die Vorbereitung der konstituierenden Sitzung der AG Wolf. Außerdem ist die Entwicklung eines Online-Meldesystems per Web und App geplant.

Förderung in Wolfspräventionsgebieten

„Die aktuell fünf Wolfsterritorien in Hessen stellen die dort ansässigen Weidetierhaltungen vor die Herausforderung, ihre Herden bestmöglich zu schützen. Wir planen daher, die Weidetierhalterinnen und -halter in sogenannten Wolfspräventionsgebieten bei Investitionen rund um einen erweiterten Herdenschutz finanziell zu unterstützen. Dazu zählt z.B. eine Erhöhung der Zäune, eine stärkere Elektrifizierung oder auch ein verbesserter Untergrabschutz. Auch die Einrichtung von Nachtpferchen oder die Anschaffung von Herdenschutzhunden kann im Einzelfall hilfreich sein. Wichtig ist, dass es erstmals auch Unterstützung für die Unterhaltung der Herdenschutzmaßnahmen gibt. Die genauen Förderbedingungen sind noch in der Abstimmung. Die Verbändeanhörung zur Förderrichtlinie ist letzte Woche bereits abgeschlossen worden. Wir werden die zahlreichen Rückmeldungen schnellstmöglich prüfen und die Richtlinie auf den Weg bringen“, so Hinz.

SPD: Vollmundige Ankündigungen der Umweltministerin müssen Taten folgen

Umweltministerin Hinz (Grüne) hat heute den lang angekündigten Wolfsmanagementplan für Hessen der Öffentlichkeit präsentiert. Der forst- und jagdpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Heinz Lotz, sagte in einer ersten Reaktion, dass man die Ministerin nicht an wohlfeilen Worten messen wolle, sondern an Taten. Lotz sagte am Freitag in Wiesbaden: „Die Geheimniskrämerei seitens der Umweltministerin hat zwar heute ein Ende, jedoch haben wir nach mehr als einem Jahr Arbeit in Hinterzimmern mehr erwartet. Die Aussage der Ministerin, dass der Wolf lernen müsse, dass Weidetiere keine leichte Beute seien, grenzt schon an Verhöhnung der hessischen Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter. Teilweise alter Wein in neuen Schläuchen, Politikmarketing anstatt wirklicher Problemlösungen, werden dem Thema nicht gerecht. Insgesamt haben wir uns mehr erwartet.“ Überrascht zeigte sich Lotz teilweise von den Aussagen des Leiters des neu gegründeten Wolfzentrums Hessen, der von sogenannten Problemwölfen nichts wissen wollte. „Dabei wissen wir nicht erst seit gestern, dass eine Wölfin im nordhessischen Stölzinger Gebirge, die Nutztiere reißt und Elektrozäune überwindet, sehr wohl ein Problem für die dortigen Weidetierhalterinnen und -halter darstellt“, bekräftigte Lotz. Es sei in seinen Augen unverständlich, wieso die Förderrichtlinie zur Entschädigung von Rissen durch Wölfe immer noch nicht fertig sei. Genug Zeit zur Erstellung einer solchen sei vorhanden gewesen. Zudem wögen die genannten Summen bei den Entschädigungen den ideellen Wert der Pferde oder Rinder bei weitem nicht auf. „Man darf gespannt sein, ob die von der Ministerin zugesicherte rund um die Uhr Rissbegutachtung auch möglich ist. Insgesamt bleibt abzuwarten, ob die vorgestellten Maßnahmen angemessen dafür sind, dass Hessen wieder die Heimat von Wölfen ist“, so der SPD-Abgeordnete.

FDP: Problemwölfe dürfen nicht weiter verneint werden

„Es ist unfassbar, dass Problemwölfe weiter verneint werden. Das zeigt, wie wenig ernst die Sorgen und Nöte der Tierhalter und anderer Bürgerinnen und Bürger genommen werden“, erklärt Wiebke Knell, landwirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag. Sie nimmt Bezug auf entsprechende Äußerungen des Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie heute bei der Vorstellung des Wolfsmanagementplans. „Mittlerweile sind in Hessen fünf Wölfe nachgewiesen. Vor einem Jahr waren es lediglich zwei. Dass die Population wächst und Rudelbildung droht, lässt sich nicht verneinen. Die nahezu täglichen Sichtungen von Wölfen in vielen Regionen Hessens lassen außerdem darauf schließen, dass die wirkliche Zahl deutlich höher liegen muss“, gibt Knell zu bedenken. Mit dem vorgestellten Plan kann Knell nicht zufrieden sein: „Es wird jede Menge Bürokratie aufgebaut, ohne dass die eigentlichen Probleme gelöst werden. Es ist praxisfern, alle Weiden so einzuzäunen, dass Weidetiere vor Wolfsrissen geschützt werden können“, erklärt Knell. Die Interessen der Tierhalter seien zu wenig berücksichtigt worden. „Da verwundert es, dass die zuständige Ministerin Priska Hinz von einer erfolgreichen Anhörung der Verbände spricht. Im Plan haben die Bedenken der Verbände jedenfalls kaum Niederschlag gefunden.“
Die Ausgestaltung der neu hinzugekommenen Förderung von erweiterten Herdenschutzmaßnahmen auch für Rinder- und Pferdehalter sei schlecht, denn die Förderung gibt es erst nach einem bereits erfolgten Wolfsangriff. „Dann ist es ja schon zu spät – abgesehen davon, dass die Tierhalter nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional Schaden erleiden“, gibt Knell zu bedenken und ergänzt: „Dass diese Risse nur in seltenen Ausnahmefällen vorkämen, ist nicht richtig. Es gibt in Hessen bereits mehrere bestätigte Kälberrisse, ein Fohlen wurde gerissen und ein Shetlandpony angegriffen. Auch in Niedersachsen wurden bereits Pferde gerissen. Größere Tiere werden vermehrt dann vom Wolf angegriffen, wenn dieser anfängt, im Rudel zu jagen. Ein Szenario, das auch in Hessen droht! In Niedersachsen ist man bereits zum Abschuss übergegangen.“ Zufrieden zeigt sich Knell damit, dass den Forstämtern nun hauptamtliche Kräfte für die Begutachtung von Rissen und für die Probenentnahme zur Seite gestellt werden. „Das ist ein Eingeständnis, dass die bisherige Praxis nicht funktioniert hat. In einigen Fällen konnte der Wolf nicht mehr als Verursacher eines Risses nachgewiesen werden, weil die Probe schlicht und ergreifend zu spät entnommen wurde. Daher dürfte die Zahl an Nutztierrissen im Jahr 2020 auch deutlich höher liegen als die offiziell angegebenen 30 bei 7 sogenannten Rissvorfällen“, sagt Knell. „Man kann nur hoffen, dass das Dunkelfeld nun aufgehellt wird. Dann dürfte auch in Hessen nicht mehr verneint werden, dass es ein Problem mit Wölfen gibt.“

Grüne: Es ist ein wichtiger Schritt

„Am Tag des Wolfes wurde der Wolfsmanagementplan Hessen veröffentlicht. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu guten, konstruktiven Rahmenbedingungen, damit Nutztiere und Wolf gleichermaßen geschützt werden. Der flächendeckende Grundschutz bleibt der essentielle Aspekt des Weidetierschutzes. Das nun eröffnete Wolfzentrum Hessen (WZH) wird einen jährlichen Monitoring-Bericht vorlegen und eng mit den ehrenamtlichen Wolfsberaterinnen, dem Landesbetrieb HessenForst, dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor und dem Landesbetrieb Landwirtschaft zusammenarbeiten. Das wird zu einer guten Datengrundlage führen, die wiederum Voraussetzung für eine gute Information der Bürgerinnen ist und damit Akzeptanz und Vertrauen schaffen wird.“ +++

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