Hebammenverstärkung in Zeiten des Babybooms

Nach fünf Jahren Berufserfahrung in der Bundeshauptstadt kehrt Denise Finke zurück in Heimat

Denise Finke foto: privat

Aus Berlin zurück in die Heimat: Denise Finke hat trotz oder gerade wegen Corona den Schritt gewagt und sich im Frühjahr dieses Jahres mit ihrer eigenen Hebammenpraxis „Hand aufs Herz“ mitten in Fulda einen Traum erfüllt. Ein herausfordernder Start für die 29-Jährige, die durch Pandemie, Babyboom und Weiterbildungen bislang noch keine Zeit zum Durchatmen hatte. Wieder war die Verzweiflung am anderen Ende der Leitung hörbar. Schon zum wiederholten Male musste Denise Finke in dieser Woche einer Schwangeren den Wunsch abschlagen, vor, während und nach der Geburt von ihr betreut zu werden. Der Kalender ist bereits prall gefüllt, alle Kapazitäten erschöpft. Alltag für die Hebammen in der Region Fulda und darüber hinaus. Während Corona für einen Babyboom in Deutschland sorgt, – der März 2021 war laut Statistischem Bundesamt der geburtenstärkste Monat seit über 20 Jahren – werden Hebammen händeringend gesucht.

„Corona war für mich das ausschlaggebende Signal für den Umbruch. Die beruflichen Möglichkeiten in Berlin waren toll, aber privat hat es mich in die Heimat zurückgezogen. Als Corona aufkam, habe ich das als Zeichen gedeutet, Berlin schweren Herzens zu verlassen“, berichtet die 29-Jährige, die nach einer ersten Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte 2015 das Staatsexamen an der Hebammenschule in Ahlen erlangt hatte. Fortan war die Hauptstadt für fünf Jahre die Heimat der gebürtigen Fuldaerin, die im geburtenstärksten Kreißsaal Deutschlands zunächst als angestellte Hebamme viel Praxiserfahrung sammelte. 2017 dann der Schritt in die Selbstständigkeit: Als Beleghebamme erweiterte sich der Horizont durch außerklinische und klinische Geburtshilfe: „Mein Wunsch war es, mich voll und ganz einer Rundumbetreuung von werdenden Müttern bzw. Paaren zu konzentrieren und ihren ganz individuellen Bedürfnissen nachzugehen“, erzählt die Osthessin, die sich dieser Berufung nun auch in Fulda widmet.

Noch nicht einmal geöffnet, hatte ihre eigene Praxis in der Marktstraße Ende 2020, als die ersten Anfragen bei Finke eintrudelten. Kolleginnen der Region, die von der geplanten Eröffnung wussten, hatten Schwangere an die Rückkehrerin verwiesen. Inzwischen muss Finke selbst immer wieder schweren Herzens den werdenden Mamas Absagen erteilen, denn die Kapazitäten sind, auch aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes der jungen Frau, begrenzt: „Ich konzentriere mich vor allem auf Hausgeburten, da es das Modell der Begleit-Beleghebamme in Fulda noch nicht gibt.“ In Berlin hatte Finke mit ihrer Teamkollegin aus der dortigen Praxis die Möglichkeit, Frauen bei Einsetzen der Wehen zuhause und schließlich während der Geburt im Krankenhaus zu betreuen. In Fulda setzen die Krankenhäuser auf ihre angestellten oder freiberuflich tätigen Hebammen im Schichtsystem, sodass Finke sich nun als einzige Geburtshelferin der Stadt auf Hausgeburten konzentriert, aber auch Frauen in der Vor- und Nachsorge betreut. „Schön wäre, wenn ich auch hier wieder Teammitglieder für die außerklinische Geburtshilfe finden würde, sodass man die Schwangeren dann immer zu zweit betreuen könnte“, hofft sie auf starke Partnerinnen, die das Angebot der Praxis noch erweitern. Bereits jetzt setzt Finke mit einer Ernährungsberaterin und Fitnesstrainerin, einer Doula sowie einer Hebammenkollegin auf ein kleines Team aus unterschiedlichen Bereichen, um in der Praxis „einen Ort zu schaffen, in dem Paare rundum betreut werden können. Es soll eine Anlaufstelle für werdende Familien werden mit immer neuen Angeboten wie vielleicht mal einem Zwillingstreff oder einem Kurs für werdende Großeltern“, so Finke, die ihre Räumlichkeiten für solche Zwecke auch vermietet.

Die aktuelle Zeit sei dabei allerdings besonders herausfordernd: Da Kurse mit wenigen Ausnahmen nur online stattfinden können, keine Kreißsaalbesichtigungen durchgeführt werden und allgemein der Austausch fehlt, häufen sich auch die Fragen und Unsicherheiten der Schwangeren. „Ich bin froh, dass wir in der Praxis zumindest die Geburtsvorbereitungskurse am Wochenende mit unserem Hygienekonzept in Präsenz durchführen können. In einer kleinen Gruppe lassen sich Fragen gut beantworten und der Austausch untereinander gibt den Frauen eine große Sicherheit.“ Entsprechend groß ist die Hoffnung, dass in der modern eingerichteten Praxis im Herzen von Fulda schon bald noch mehr Leben herrschen wird. Neben den klassischen Geburtsvorbereitungskursen bietet Finke mit ihren Kooperationspartnern dort auch Rückbildung, Schwangeren-Yoga, Babymassage oder einen Fitnesskurs für werdende Mamas an. Persönlich bildet sich die 29-Jährige darüber hinaus stets weiter: Akkupunktur, Taping, Schwangerenmassage oder Klangtherapie gehören zu den Qualifikationen, die Finke immer wieder auffrischt. Diese Möglichkeit besteht unter anderem dank des Hebammen-Förderprogramms des Landkreises Fulda, an dem Finke teilnimmt. Verpflichten sich ausgebildete Hebammen, für mindestens zwei Jahre in der Barockstadt ansässig zu werden, unterstützt der Kreis entsprechend notwendige Qualifizierungsmaßnahmen finanziell.

Inzwischen gibt Finke ihr Wissen bereits selbst an junge Kolleginnen weiter, die an der Hochschule Fulda ihr duales Studium der Hebammenkunde absolvieren. „Damit schließt sich für mich quasi ein Kreis, da ich selbst immer gerne daran denke, wie ich vor acht Jahren in Fulda als Hebammenschülerin bei zwei erfahrenen Kolleginnen Erfahrungen sammeln durfte. Ich weiß, wie viel positiven Einfluss die Praxiserfahrung hat und freue mich darauf, diese weitergeben zu können.“ +++ pm

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