Hausärzte kritisieren Stiko-Empfehlung zur Kreuzimpfung

Intensivmediziner für Festhalten an Impfzentren

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, kritisiert die neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Kreuzimpfung mit mRNA-Präparaten. Man sei überrascht worden und bei den Patienten sei Verunsicherung ausgelöst worden, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Die ad-hoc Anpassung der Empfehlung hat bereits am ersten Tag in vielen Praxen für einen enormen Mehraufwand gesorgt“, so der Mediziner. Patienten erfragten, welchen Impfstoff sie nun bei der Zweitimpfung erhalten werden und wollten auch ihren Termin entsprechend vorziehen. „Für sie macht es natürlich – gerade mit Blick auf die anstehenden Sommerferien – einen großen Unterschied, ob sie neun bis zwölf Wochen auf ihre Zweitimpfung warten oder nur vier.“

Das stelle Ärzte und Praxisteams von einem Tag auf den anderen vor enorme logistische Herausforderungen – „gerade auch, weil der mRNA-Impfstoff nur begrenzt verfügbar ist“, sagte Weigeldt. Auch der Beratungsaufwand steige deutlich, insbesondere für die Hausärzte, „die sich fleißig für die Impfungen mit Astrazeneca eingesetzt haben und somit sowieso schon einen deutlich höheren Aufklärungsaufwand hatten“. Gleichzeitig werfe die Mitteilung der Stiko noch viele Fragen auf, etwa was die Empfehlung für bereits zweimal mit Astrazeneca geimpfte Patienten bedeute und was bei einem „heterologen Impfschema“ der maximale Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung sei. Den Mindestabstand hatte die Stiko in ihrer jüngsten Empfehlung auf vier Wochen verkürzt. Natürlich sei es Aufgabe der Wissenschaft, Empfehlungen dem aktuellen Erkenntnisstand anzupassen, sagte Weigeldt. „Das spricht aber nicht gegen eine klare Kommunikation und die frühzeitige Einbindung derer, die letztlich die Empfehlungen umsetzen. Wenn wir ins Schlingern kommen, dann auch die gesamte Impfkampagne.“

Intensivmediziner für Festhalten an Impfzentren

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, hat sich für die Beibehaltung von Impfzentren ausgesprochen. „Wir brauchen in Deutschland ein nochmal gesteigertes Impftempo“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Es komme jetzt auf jeden vollständig Geimpften an, um der „Delta“-Variante möglichst wenig Angriffsfläche zu geben. „Fünf Prozent mehr oder weniger Geimpfte machen für eine eventuelle vierte Welle enorm viel aus.“ Karagiannidis sprach sich daher im Rennen gegen die Delta-Variante des Coronavirus gegen ein Ende der Impfzentren aus. „Die Impfzentren werden dafür auch künftig gebraucht, ich kann von einer Abschaffung nur abraten. Im Gegenteil: Wir müssen Impfungen in sozialen Brennpunkten mit mobilen Impfteams verstärken“, so der Intensivmediziner. Um die Folgen der Delta-Ausbreitung besser abschätzen zu können, forderte er eine Abkehr vom Fokus auf die Inzidenzwerte. „Ich plädiere für erweiterte Messwerte in der Pandemiebekämpfung. Mit steigender Impfquote ist der Inzidenzwert alleine weniger aussagekräftig, um die potentielle Gefahr für das Gesundheitssystem messen zu können“, sagte er. „Wir rechnen damit, dass die Inzidenzwerte im Herbst, wie in England aktuell schon der Fall, stärker steigen werden als die Zahl der Intensivpatienten“, so der Intensivmediziner. „Welche Gefahr die Delta-Variante aber für jüngere Menschen birgt, lässt sich im Moment noch nicht abschließend sagen“, sagte Karagiannidis. +++