Habermas übt scharfe Kritik an Euro-Rettungspolitik von Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Angela Merkel

Berlin. Der Philosoph Jürgen Habermas äußert in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ scharfe Kritik an der Euro-Rettungspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bereits im Mai 2010 seien Merkel die „Anlegerinteressen wichtiger“ gewesen „als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft“, schreibt Habermas und fährt mit Blick auf die aktuellen Verhandlungen fort: In der Sache gehe es „um das sture Festhalten an einer Sparpolitik, die nicht nur in der internationalen Wissenschaft überwiegend auf Kritik stößt, sondern in Griechenland barbarische Kosten verursacht hat und hier nachweislich gescheitert ist.“

Für Habermas offenbart sich in dem Grundkonflikt, dass die eine Seite einen Wechsel dieser Politik herbeiführen wolle, während sich die andere Seite hartnäckig weigere, sich überhaupt auf politische Verhandlungen einzulassen, „eine tiefer liegende Asymmetrie“. Man müsse sich, betont der Philosoph, „das Anstößige, ja Skandalöse dieser Weigerung klarmachen: Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, nicht einmal an dieser oder jener Auflage, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt – oder einer äquivalenten Regelung, beispielsweise einem wachstumsabhängigen Schuldenmoratorium – einen neuen Anfang zu ermöglichen.“ Stattdessen bestünden die Gläubiger auf der Anerkennung eines Schuldenberges, „den die griechische Wirtschaft niemals wird abtragen können“.

Nicht Banken, sondern Bürger müssten über Europa entscheiden, forderte Habermas. Der Philosoph übt aber auch Kritik an der Regierung Tsipras: „Ich kann nicht beurteilen, ob dem taktischen Vorgehen der griechischen Regierung eine überlegte Strategie zugrunde liegt, und was daran mit politischen Zwängen, was mit der Unerfahrenheit oder der Inkompetenz des handelnden Personals zu erklären ist.“ Auch über die verbreiteten Praktiken und die gesellschaftlichen Strukturen, die möglichen Reformen entgegenstehen, sei er „unzureichend informiert“, so Habermas weiter. Die griechische Regierung mache es „selbst ihren Sympathisanten schwer“, eine Linie in ihrem erratischen Verhalten zu erkennen. +++ fuldainfo