Im Koalitionsstreit um das Heizungsgesetz hat die grüne Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, mangelnde Unterstützung durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beklagt. „Einen Klimakanzler kann ich schwer erkennen“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wenn man als Regierung so ein Großprojekt anstößt, muss man es auch gemeinsam tragen.“ Davon sei man in der Ampel leider weit entfernt. „Der Kanzler darf es sich nicht leicht machen. Das ist kein Spezialthema von Robert Habeck oder den Bündnisgrünen. Das mag uns als Partei oder dem Vizekanzler aktuell schaden, aber es geht ansonsten zulasten aller, auch schon in naher Zukunft.“
Die Grünen-Politikerin warnte vor einer Verschiebung des Heizungsgesetzes. „Ich halte es für sehr sinnvoll, beim 1. Januar zu bleiben. Wir müssen Planungssicherheit schaffen“, forderte sie. „Jede Verzögerung sendet das falsche Signal, dass es noch ein bisschen so weitergehen könne wie bisher. Ich möchte nicht, dass Menschen aus Verunsicherung durch irgendwelche Kampagnen sich jetzt noch für Öl- und Gasheizungen entscheiden – und am Ende in einer fossilen Sackgasse stecken und draufzahlen.“ Göring-Eckardt mahnte allerdings Korrekturen an dem Gesetzentwurf an. So müsse es eine nach Einkommen gestaffelte Förderung für den Einbau einer klimafreundlichen Heizung geben. „Niemand darf gezwungen werden, sein Haus zu verkaufen.“ Und auch für Mieter dürfe es keine großen Belastungen geben, sagte sie. „Deswegen wollen wir die neue Heizung bis zu 80 Prozent fördern – und nicht wie im aktuellen Entwurf vorgesehen nur zu maximal 50 Prozent.“ Weitere Ausnahmen von der Austauschpflicht lehnte die Vizepräsidentin des Bundestages ab. „Ich finde es besser, mit einer höheren Förderung für diejenigen zu arbeiten, die es brauchen, als mit weiteren Ausnahmen“, so Göring-Eckardt. „Das Beste ist, wenn beim Heizungstausch alle mitmachen können.“
Klimaforscher für kompletten Neustart von Heizungsgesetz
Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat einen kompletten Neustart für das umstrittene Heizungsgesetz gefordert. „Meine Empfehlung an die Ampel wäre es, kurz durchzuatmen, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen“, sagte PIK-Direktor Ottmar Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) und machte einen Gegenvorschlag: „Den nationalen Emissionshandel mit Emissionsobergrenzen sofort arbeiten zu lassen ist klüger als die Verbots- und Gebotspolitik.“ Die Ampel habe sich beim Klimaschutz verheddert, beklagte der führende Klima-Ökonom angesichts des heftigen Koalitionsstreits über das Gebäudeenergiegesetz. „Dabei gäbe es einen einfachen, geradezu eleganten Weg hinaus aus dem Heizungs-Dilemma, und zwar über den nationalen Zertifikatehandel für Brennstoff-Emissionen.“ Im sogenannten Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ließe sich eine Obergrenze für Emissionen festlegen, die das Heizen mit Gas s chrittweise, aber deutlich verteuern würde, wobei der Preisanstieg gedeckelt werden könnte, um die Bürger vor Preisschocks zu schützen, so Edenhofer. „Die Regierung hat mit dem BEHG wirklich alle rechtlichen Möglichkeiten schon in der Hand.“ Er höre sehr oft, dass höhere CO2-Preise politisch nicht durchzusetzen seien. „Aber auch detaillierte Vorschriften wie beim Heizungstauschgesetz verärgern die Menschen und sind schwer durchzusetzen“, sagte der Wissenschaftler und Institutsdirektor. Er sei überzeugt: „Eine klare Kommunikation der Regierung, die den Leuten erklärt, warum das Heizen mit Gas teurer werden muss, mit welchen Preisanstiegen zu rechnen ist und wer mit welchen Rückerstattungen vor den Preisanstiegen geschützt wird, würde von der Bevölkerung akzeptiert.“ Dann würden die Menschen von sich aus auf weniger CO2-intensive Heizungen umstellen, und es brauche keine Heizungsverbote. Klimaschutz funktioniere nur, wenn er verständlich erklärt werde und sozialverträglich sei, also w enn Einkommensschwache die Mehrkosten durch die CO2-Bepreisung erstattet bekommen, so Edenhofer weiter. „Es ist aus meiner Sicht ein großes Versäumnis der Ampel, dafür noch kein Instrument entwickelt zu haben“, kritisierte der Klima-Ökonom. Ob Energiegeld oder Klimaschutzdividende, Konzepte lägen bereit. „Wenn sie nicht genutzt werden, muss sich die Politik nicht wundern, dass ihre Klimaschutz-Agenda nicht verstanden und akzeptiert wird. Wenn man keine passgenauen Kompensationsmaßnahmen parat hat, braucht man gar nicht erst anzufangen.“
Wirtschaftsweise für Nachbesserungen bei Heizungsförderungen
In der Debatte um das Heizungsgesetz hat sich die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, für Nachbesserungen bei der staatlichen Förderung ausgesprochen. „Hier ist wichtig, dass Menschen mit niedrigerem Einkommen nicht überfordert werden“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben). „Gleichzeitig sollten die Fördermaßnahmen zielgenau sein, denn Menschen mit höherem Einkommen brauchen keine Förderung.“ Schnitzer forderte schnell Klarheit über die genauen Regelungen. „Auf den genauen Monat als Starttermin kommt es nicht an, aber darauf, dass dieser bald verbindlich festgelegt wird“, sagte sie. „Dann können sich alle darauf einstellen und rechtzeitig die notwendigen Kapazitäten aufbauen: das Handwerk und die Anbieter von Heizungsanlagen.“ +++