Gisbert Seng mit dem Kulturpreis der Stadt Fulda ausgezeichnet

Verleihung der Urkunde. Foto: Stadt Fulda

Länger als jeder Fürstabt, Fürstbischof oder Oberbürgermeister hat er im Fuldaer Stadtschloss gewirkt: der Restaurator, Künstler und Sammler Gisbert Seng. Jetzt wurde ihm am Dienstagabend (28. Februar) im feierlichen Rahmen im Fürstensaal der Kulturpreis der Stadt Fulda verliehen. Der 89-Jährige ist damit der 17. Träger des Preises, der 1960 unter dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Alfred Dregger gestiftet wurde. Dessen vierter Nachfolger im Amt, OB Dr. Heiko Wingenfeld, würdigte in seiner Laudatio das umfangreiche Schaffen des neuen Kulturpreisträgers, der sich in herausragender Weise um das kulturelle Erbe der Stadt verdient gemacht habe.

Tatsächlich datiert die erste Begegnung Sengs mit der historischen Bausubstanz des Stadtschlosses auf das Jahr 1948: Damals durfte er als gerade einmal 14-jähriger Lehrling des bekannten Kunst- und Kirchenmalers Hugo Pfister bei der Restaurierung des „Blauen Zimmers“ helfen. In den 75 Jahren seither habe er sämtlichen historischen Räumen des Schlosses – vom Fürstensaal über den Marmorsaal und die Katharinenkapelle bis hin zum Vestibül und den Spiegelsälen – seinen künstlerischen und handwerklichen Stempel aufgedrückt, betonte der OB. In seinem Werk vereine Seng Leidenschaft, Können und Heimatliebe. Dass die wunderbaren Räume des Stadtschlosses jährlich von mehreren Zehntausend Besucherinnen und Besuchern bestaunt werden können, sei in erster Linie Persönlichkeiten wie Gisbert Seng oder dem Architekten Ernst Kramer zu verdanken, sagte Wingenfeld: „Es waren Menschen, die das nötige historische Denken, einen zähen Durchhaltewillen und das erforderliche handwerkliche Können mitgebracht haben und zugleich die politischen Entscheidungsträger überzeugen konnten.“ Dabei gingen die Fähigkeiten Sengs über das rein Restauratorische hinaus: Das Deckengemälde im oberen Vestibül etwa, das den „Sturz des Phaetons“ zeigt und das 1986 fertiggestellt wurde, sei eher eine künstlerische Neuschöpfung Sengs gewesen, erläuterte der OB.

Ein besonderes Gespür habe Seng auch als Sammler mit Blick auf die moderne Kunst an den Tag gelegt, so Wingenfeld: Schon Ende der 1950er Jahre erkannte er das Potenzial der Werke seines Freundes Franz Erhard Walther und legte mit seiner Sammlung der frühen Werke den Grundstock für die heutige Ausstellung in der VILLA Franz Erhard Walther. „Die Verbindung von Tradition mit der Offenheit für Neues ist charakteristisch für Gisbert Seng“, sagte der Laudator. Es sei ein „Glücksfall“, dass Seng seine Talente in den Dienst seiner Heimatstadt gestallt habe und allen „Abwerbeversuchen“ widerstanden habe.

In seiner Dankesrede ließ der Preisträger noch einmal wichtige Stationen seines Lebens Revue passieren und dankte neben seiner Familie auch zahlreichen Weggefährten, die zur Feierstunde in den Fürstensaal gekommen waren. Mit einigen Anekdoten erinnerte er an wichtige Impulsgeber wie Hugo Pfister oder Ernst Kramer sowie deren Unterstützer aus der Politik wie die anwesenden Ex-Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hamberger und Gerhard Möller. Eine besondere und sehr persönliche Note verlieh der Feierstunde die musikalische Umrahmung durch Sengs Sohn, den Saxophonisten Marcellus Seng, sowie durch die Sängerin Ina Krabes aus Köln. +++ pm

Hintergrund – Zur Person
Gisbert Seng wurde am 12. November 1933 in Fulda-Johannesberg geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Johannesberg (1940-1949) absolvierte er in Fulda eine Lehre als Kunst- und Kirchenmaler bei Hugo Pfister (1876-1968), um darauf zunächst im elterlichen Betrieb zu arbeiten. Parallel besuchte er in dieser Zeit die Privatkunstschule Pfisters in Fulda. Schon in diesen frühen Jahren beschäftigte sich Seng intensiv mit den mittelalterlichen und barocken kunsthandwerklichen Techniken wie etwa der Freskoübertragung, der Vergoldung und der plastischen Malerei. Zudem bildete er sich mit kunsthistorischen Studienreisen u.a. durch Italien, Österreich, Schweiz, den Niederlanden und Frankreich fort. Von 1957 bis 1960 arbeitete Seng als Restaurator in Bad Mergentheim. In dieser Zeit war er verantwortlich für umfangreiche Freilegungen und Restaurierungen von Wand- und Deckenmalereien, so etwa in der Klosterkirche in Schöntal an der Jagst.

Seit 1960 stellte Seng – zunächst als freischaffender Restaurator – seine kunsthandwerklichen Fähigkeiten in den Dienst der Stadt Fulda. Im Zusammenwirken mit dem Architekten Ernst Kramer „schuf“ er die historischen Räume im Stadtschloss so, wie sie sich heute präsentieren. Sowohl das Spiegelkabinett als auch sämtliche Deckenmalereien im Stadtschloss tragen seine restauratorische wie auch künstlerische Handschrift. Gleiches gilt für die Säle in der Orangerie, die Katharinenkapelle sowie den Rokokosaal im Palais Altenstein. Für die Stadt Fulda war es ein Glücksfall, dass sich Gisbert Seng 1973 bereit erklärte, sein umfangreiches Wissen in die Arbeit des Vonderau-Museums wie auch der städtischen Baudenkmalpflege einzubringen. Als Restaurator in der Werkstatt des Regionalmuseums hat er ein Vierteljahrhundert bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1998 dessen Arbeit und insbesondere die Neugestaltung der Ausstellung in den 90er Jahren maßgeblich mitgeprägt. Noch vor wenigen Jahren verantwortete Seng die Sanierungsarbeiten an den Deckengemälden im Nordflügel des Stadtschlosses sowie die Restaurierung des Spiegelkabinetts.

Auch als Sammler verdankt ihm die Stadt Fulda viel. Schon früh erkannten er und seine Ehefrau Helga Seng das neue Wege beschreitende Potential im Werk seines Freundes Franz Erhard Walther. Nach Walthers Umzug nach New York 1967 war es Gisbert Seng, der eine Auswahl wichtiger Werke aufbewahrte, die ansonsten verloren gegangen wären. Mehr als 50 Jahre lang lebten Seng und seine zweite Ehefrau Katharina Bongartz mit diesen Arbeiten in ihrem Haus in Johannesberg und sorgten dafür, dass diese für eine schon seit den späten 1960er Jahren geplante öffentliche Präsentation erhalten blieben. 2019 übergab die Familie Seng das bei ihr verwahrte Frühwerk Walthers als Teil-Schenkung an die Franz Erhard Walther Foundation, verbunden mit dem ausdrücklichen Wunsch, dass die Arbeiten in ihrem Entstehungsort Fulda gezeigt werden. Mit der Eröffnung der „Villa“ am 24. September 2022 hat sich diese Hoffnung nun erfüllt.

Hintergrund – Kulturpreis der Stadt Fulda
Nach der städtischen Ehrenordnung kann die Stadt Fulda für besondere Leistungen kultureller Art den Kulturpreis der Stadt verleihen. Seit der Erstvergabe 1960 wurden bisher 16 Persönlichkeiten mit dem Preis ausgezeichnet, um auf diese Weise deren langjährige Verdienste auf dem Gebiet der Bildenden Kunst, der Literatur oder der Regionalgeschichtsforschung zu würdigen: Prof. Edmund Stengel, Dr. Aloys Jestaedt, Leonhard Fessel, Ernst Kramer, Dr. Naftali Herbert Sonn, Lioba Munz OSB, Erwin Sturm, Prof. Günther Willms, Dr. Otto Berge, Gerold Effert und Walter Heller, Franz Erhard Walther und die Eheleute Helen und Prof. Tassilo Bonzel sowie Günter Sagan und Elmar Schick.