Flüchtlingskosten: Auch in der Region sind Landkreise am Limit

Vor dem noch für Februar geplanten „Flüchtlingsgipfel“ von Bund, Ländern und Gemeinden hat der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), die Bundesregierung aufgefordert, Städte, Landkreise und Gemeinden von sämtlichen Kosten der Unterbringung von Migranten und Flüchtlingen zu befreien. „Der Bund muss ab sofort ab dem nächsten Treffen mit uns garantieren, dass sämtliche flüchtlingsbedingten Kosten nicht auf der kommunalen Ebene hängenbleiben. Nicht mehr und nicht weniger“, sagte Sager der „Welt“. Wir wollten wissen, wie es in den Landkreisen in Osthessen und im Main-Kinzig-Kreis aussieht.

Landrat Woide: Der Landkreis Fulda ist administrativ am Limit

Im Landkreis Fulda sind derzeit 1.852 Personen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Der Landkreis ist am Limit seiner Aufnahmemöglichkeiten, heißt es in einer Stellungnahme. Bei gleichbleibend hohen Zuweisungen reichen die Unterbringungsmöglichkeiten noch bis April. Im vergangenen Jahr beliefen sich im Landkreis Fulda die Aufwendungen für den Bereich Asyl auf rund 15,3 Millionen Euro. Landrat Bernd Woide erklärte hierzu: „Seit Monaten versuchen wir, zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Aber wir stoßen an Kapazitätsgrenzen. Das gilt zum einen für Gemeinschaftsunterkünfte, wo wir weiterhin versuchen wollen, Sporthallen für den Schul- und Vereinssport und Bürgerhäuser weitgehend freizuhalten, und es gilt zum anderen für Privatwohnungen. Es bleibt bei der Forderung an die Bundesregierung: Wir brauchen eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Komponente, wir sind vor allem administrativ am Limit. Die Situation überfordert uns alle. Die Menschen sind überfordert, die Gesellschaft ist überfordert und in besonderer Weise sind es auch die Kommunen, zumal viele weitere Aufgaben zu bewältigen sind. Gerade in der Sozialverwaltung sind wir am Ende unserer administrativen Möglichkeiten. Die Kommunen stehen vor großen Herausforderungen. Der Landkreis ist dabei, Gemeinschaftsunterkünfte für geflüchtete Menschen zu finden und zu schaffen. Genauso haben die Städte und Gemeinden ihrerseits mit dem Problem zu kämpfen, dass für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Region kein Wohnraum mehr zur Verfügung steht. Um gleichwohl die vom Land zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen, müssen andere Alternativen gesucht und gefunden werden. Hierzu gehört auch das Aufstellen von Wohncontainern.“

Landrat Stolz (Main-Kinzig-Kreis): Probleme gegenüber Landesregierung und Bundesregierung benannt

Landrat Thorsten Stolz, Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen eine gesetzliche Aufgabe und darüber hinaus eine humanitäre Verpflichtung ist. „Unsere Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltungen leisten einen großartigen Job, pausenlos und seit Monaten. Sie nehmen Menschen aus Krisenregionen auf, bringen sie in Wohnungen unter, schaffen neue Unterkünfte, sorgen für Orientierung. Das passiert seit Monaten fast komplett geräuschlos, trotz der hohen Zahl an Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen. Diese Leistung ist enorm und aller Ehren wert“, erklären Thorsten Stolz, Susanne Simmler und Winfried Ottmann. „Wir haben in einer riesigen Kraftanstrengung in 2022 rund 9.200 Geflüchtete und Asylsuchende untergebracht. Daran wird die ganze Dimension deutlich, was hier auf kommunaler Ebene geleistet wurde und weiter geleistet wird.“

Die Kreisspitze hat darüber hinaus bereits im vergangenen Sommer die Probleme gegenüber Landesregierung und Bundesregierung benannt und den dringenden Appell nach Berlin gesendet, dass auf dem damaligen Flüchtlingsgipfel am 11. Oktober in der Hauptstadt die Situation der Kommunen und Kreise in den Fokus gerückt werden müsse. „Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2022 haben wir ein Missverhältnis gesehen zwischen der Aufgabengröße der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung und der konkreten Würdigung dieser Arbeit in den Stadt- und Ortsteilen. Und damit meinen wir nicht die warmen Worte, die wir dazu hören, sondern ein gerechteres Verteilsystem, finanzielle Hilfen und Verlässlichkeit“, erklärten Thorsten Stolz, Susanne Simmler und Winfried Ottmann im vergangen Herbst. Diese Erwartung wurde bisher nicht erfüllt, so dass der Main-Kinzig-Kreis seine Forderung noch einmal bekräftigt. Denn nur mit großen Anstrengungen ist es möglich, die aktuell (im Jahr 2022) über 6.000 Vertriebenen aus der Ukraine und rund 3.200 Asylsuchende dezentral unterzubringen. Weiterer Wohnraum kann in vielen Kommunen aktuell nur durch das Aufstellen von Containeranlagen geschaffen werden. Der Kreis wie auch die Städte und Gemeinden vermissen zudem eine Hilfe, die eins zu eins ankommt. Von den zugesagten zwei Milliarden Euro des Bundes, die für die kommunale Ebene bestimmt waren, behält das Land einen Teil ein, für 2023 rund 50 Prozent.

Kreis Main-Kinzig: Das Land Hessen muss bei der Ausweitung von Flüchtlingsunterkünften mithelfen!

Als weiteren Kritikpunkt führt der Main-Kinzig-Kreis an, dass sich im dritten Quartal aufgrund besonderer Verteilsystematiken innerhalb Hessens zehn von 21 Gebietskörperschaften keine Asylsuchenden aufnehmen mussten, ganz abgesehen von ganzen Bundesländern, die sich zeitweise von der Zuteilung durch den Bund abgemeldet hätten. Die Kreisspitze erneuert daher ihren Appell an die Landesregierung, schleunigst eine gerechtere Verteilsystematik in Kraft zu setzen. Zudem müsse das Land Hessen selbst mithelfen, die Unterbringungsplätze für Asylsuchende auszuweiten. Eine dringende Bitte von Landrat Thorsten Stolz, der Ersten Kreisbeigeordneten Susanne Simmler und Kreisbeigeordnetem Winfried Ottmann um ein Gespräch mit Ministerpräsident Boris Rhein – immerhin schon im August – ist noch immer unbeantwortet. Erhalten hat der Main-Kinzig-Kreis lediglich eine Eingangsbestätigung aus Wiesbaden, auf den Gesprächstermin warten wir noch. Landrat Thorsten Stolz sieht die kommunale Ebene in einem Dilemma. „Der Bund und das Land überlassen das Thema Unterbringung im Moment komplett der Politik und den Verwaltungen vor Ort. Wir erhalten nach wie vor keine Entlastung, weder bei der Unterbringung noch bei der Refinanzierung unserer Maßnahmen. Dabei braucht es zum Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts das Zutun aller“, macht der Landrat deutlich.

Vogelsberger Landrat Görig: Unsere Ressourcen sind endlich

Im Vogelsbergkries sind insgesamt 1.660 Flüchtlinge in verschiedenen vom Kreis angemieteten Unterkünften untergebracht. 605 Menschen, die Aufgrund des Krieges in der Ukraine in den Vogelsbergkreis gekommen sind, sind in vom Vogelsbergkreis angemieteten Wohnungen oder den Notunterkünften der Kommunen untergebracht. Weiterhin leben 1.055 Geflüchtete in vom Kreis angemieteten Wohnungen, Gemeinschaftsunterkünften, im Zeltlager Landenhausen oder im Ankunftszentrum, heißt aus der Kreisverwaltung des Vogelsbergkreises. An der Einschätzung aus dem vergangenen Oktober zur Aufnahme von Geflüchteten habe sich im Wesentlichen nichts geändert. Zwar habe sich durch die sinkenden Zuweisungszahlen die Lage an dieser Stelle etwas entspannt, dennoch: „Unsere Strukturen sind weiterhin an der Belastungsgrenze“, sagt Landrat Manfred Görig. „Dabei ist es nicht alleine die Frage der Finanzierung, die uns große Sorgen bereitet. Unsere Ressourcen sind endlich, und gerade mit Blick auf Unterkunfts-, Personal-, und Betreuungskapazitäten ist die Belastung für die Landkreise nach wie vor hoch.“ Der Landkreis geht für das laufende Jahr aktuell von Kosten im Produkt „Hilfen für Asylbewerber“ in Höhe von rund 20 Millionen Euro aus und einem nicht durch Landeszuschüsse gedeckten Eigenanteil von etwa 3,5 Millionen Euro. Diese Annahme unterstellt aber, dass die durch angekündigte höhere Flüchtlingszahlen getätigten Vorhaltekosten vollständig durch Bund/Land ausgeglichen werden. Ausgehend von den derzeit erteilten Zusagen klafft da bis jetzt noch eine weitere Lücke zwischen 4 und 5 Millionen Euro, die nicht anderweitig gedeckt werden kann. Aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg hat uns keine Antwort erreicht. +++