Festakt zum 34. Tag der Deutschen Einheit auf Point Alpha

Ehemalige Amtskollegen Bouffier und Ramelow würdigen gemeinsame politische Zusammenarbeit

Zahlreiche Gäste waren gestern einen Tag vor dem heutigen Tag der Deutschen Einheit zum traditionellen Festakt in der Gedenkstätte Point Alpha zusammengekommen. Der Vorsitzende der Point Alpha Stiftung, Staatssekretär des Landes Hessen a.D. Dr. Stefan Heck MdB, erinnerte im Beisein von Mitgliedern des Stiftungsrates in seiner Begrüßungsansprache daran, dass der Mauerfall gerade einmal 35 Jahre zurückliegt. „Für viele, die den Mauerfall persönlich nicht selbst miterlebt haben, auf diejenigen wirken die Bilder und Geschichten sehr abstrakt“, betonte der Stiftungsratsvorsitzende. Dieser weiter: „Das wiedervereinte Deutschland ist inzwischen für uns zur Gewohnheit, zu einer Selbstverständlichkeit geworden, ein großer Teil der Bevölkerung hat nie andere Verhältnisse kennengelernt.“ Genau hier setze die Point Alpha Stiftung an: Die Werte Demokratie, Freiheit und Frieden seien zentrale Punkte, die stets aufgegriffen und vermittelt werden.

Heck MdB: „Das wiedervereinigte Deutschland ist für uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden.“

Vorangegangen war dem Festakt in der Fahrzeughalle eine Kranzniederlegung unter Mitwirkung der Kyffhäuser – und Reservistenkameradschaft Grüsselbach mit dem Vorsitzenden Alfred Gollach sowie der Soldatenkameradschaft 1888 Fulda unter der Leitung von Jürgen Storch am Denkmal der deutschen Teilung und der Wiedervereinigung. Die Landtage und Staatskanzleien der Länder Thüringen und Hessen sowie die Landkreise Wartburgkreis und Fulda gedachten mit Gestecken der Grenzopfer. Erinnert wurde beim gestrigen Festakt aber auch an mutige Bürgerinnen und Bürger, die vor 35 Jahren mit der Friedlichen Revolution die Grenzöffnung erst möglich gemacht hatten.

Für das Land Hessen richtete der Staatssekretär aus dem Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat, Michael Ruhl MdL a.D., ein Grußwort an die Anwesenden. „Die Deutsche Einheit war kein Automatismus. Sie war das Ergebnis unzähliger mutiger Menschen, die für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eingetreten sind – auf beiden Seiten der Grenze. Ihr Engagement haben den Weg geebnet für das, was wir heute feiern dürfen: die Wiedervereinigung eines geteilten Landes“, betonte Ruhl, der die Grüße des Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein überbrachte und die gemeinsame Verantwortung der beiden Grenzländer Thüringen und Hessen hervorhob, die Gedenkstätte zu erhalten und zu unterstützen.

Ebenso sprach der Geschäftsführende Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, Bodo Ramelow, ein Grußwort, der, als er erfuhr, dass auch Volker Bouffier dem Festakt beiwohnt, von seiner ursprünglich geplanten Reise nach Schwerin abwich, um ein letztes Mal als Ministerpräsident gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, den Festakt zum Tag der Deutschen Einheit auf Point Alpha zu begehen, wie er vor der versammelten Festgemeinde betonte. Ramelow betonte, dass es eine europäische Friedensordnung brauche, die den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Chance auf Sicherheit bietet, sich in Frieden und Freiheit entwickeln zu können. Die Ostdeutschen können stolz auf das Erreichte sein, konstatierte der scheidende thüringische Ministerpräsident. Wie Ramelow weiter ausführte, führe man gegenwärtig eine Diskussion darüber, in der Annahme, dass alles negativ sei und sich in Anlehnung an das Ende der DDR „im Niedergang befinde“. Vieles sei besser geworden, habe sich seit der Wiedervereinigung auch in wirtschaftlicher Hinsicht für die neuen Bundesländer zum Positiven verändert, für manche heute noch in Ostdeutschland lebende Bürger bestehe aber auch heute noch, 34 Jahre nach der Wiedervereinigung, noch ein eklatanter Unterschied, insbesondere in der Wahrnehmung der Behandlung gegenüber in Westdeutschland lebender, betonte Ramelow.

Ministerpräsident Ramelow MdL: „War mir eine Ehre an der Seite meines ehem. hessischen Amtskollegen Volker Bouffier politisch wirken zu dürfen.“

Die politische Arbeit zusammen mit seinem ehemaligen hessischen Amtskollegen und Freund Volker Bouffier war ihm „eine Ehre.“ Mit Mut habe man gemeinsam die Zukunft zweier Bundesländer gestalten wollen, um das Beste für die Länder Hessen und Thüringen und den ihnen anvertrauten Bürger zu erreichen, und das obwohl die beiden Parteibücher nicht unterschiedlicher hätten sein können, wie Ramelow betonte. „Es ist mir eine Ehre, heute gemeinsam mit Volker Bouffier hier sein zu dürfen und anlässlich 34 Jahre Wiedervereinigung sprechen zu dürfen“, sagte Ramelow, der nach Beendigung seines Grußwortes von der Bühne trat und seinen langjährigen Freund und Weggefährten, den Ministerpräsidenten des Landes Hessen a.D. Volker Bouffier, umarmte. Ramelow, so versprach er gestern von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, werde sich um einen demokratischen Regierungswechsel in Thüringen bemühen.

„Um die Freiheit zu schützen, braucht es keine Helden, sondern engagierte Demokraten“, betonte Hessens ehemaliger Ministerpräsident Volker Bouffier beim gestrigen Festakt anlässlich des 34. Tags der Deutschen Einheit in der Gedenkstätte Point Alpha. Wer glaube, bei aller Unruhe in der Welt die Lösung im Nationalismus zu suchen, der sei auf dem Holzweg. Nur ein geeintes und handlungsfähiges Europa, so Bouffier, werde in der Lage sein, hier, auf Point Alpha und überall in der Welt, die Zukunft für Frieden und Freiheit zu sichern. Frieden und Freiheit können nur gedeihen im Bündnis. Der Tag der Deutschen Einheit muss immer auch ein Appell sein an die europäische Solidarität.

Ministerpräsident a.D. Bouffier MdL a.D.: „Der Garant für Frieden und Freiheit kann nur ein geeintes und handlungsfähiges Europa sein.“

Neben seinen Bewertungen zur Einheit schilderte der ehemalige langjährige hessische Ministerpräsident den damaligen Einheitsprozess und spannte in seiner Analyse einen Bogen zur aktuellen europäischen und deutschen Politik im Kontext des Ukraine-Krieges und der vielfältigen aktuellen Herausforderungen in einer Welt mit völlig veränderter Machtkonstellation. Auf die selbstauferlegte Frage, ob die Einheit gelungen oder gar vollendet sei, antwortete Bouffier diplomatisch: Vieles sei gelungen; einige Enttäuschungen seien aber auch geblieben. Je nachdem aus welcher Perspektive sich man der Frage annähert, falle die Antwort aus. Die Einheit habe aber nie bedeutet, dass alles gleich ist. Er selbst habe früher nie den Eindruck gehabt, dass die Unterschiedlichkeit das Gefühl für ein gemeinsames Deutschland verstellt habe. Eine gemeinsame Freiheit könne nur gedeihen, wenn Sie von innen und außen nicht bedroht sei, verdeutlichte Bouffier mit Blick auf den russischen Aggressor und die für ihn verstörenden Wahlergebnisse in Ostdeutschland. Die Demokratie sei auf dem Rückzug, zeichne ein düsteres Bild, sagte Bouffier bezugnehmend der globalen Unruhen wie dem Konflikt in Nahost oder dem weiterhin andauernden Krieg in der Ukraine. Der ehemalige hessische Ministerpräsident rief weiter dazu auf, die Ukraine weiterhin mit aller Kraft weiterhin zu unterstützen. Um langanhaltenden Frieden sicherzustellen, bedürfe es starke Partnerschaften und ein starkes Verteidigungsbündnis. Point Alpha müsse auch in Zukunft ein Lern- und Erinnerungsort und ein Mahnmal sein, konstatierte Bouffier. Auch der ehemalige hessische Ministerpräsident ging in seiner Festrede auf die gemeinsamen Jahre politischen Wirkens mit seinem thüringischen Amtskollegen Bodo Ramelow ein. Trotz sehr unterschiedlicher Parteibücher hatte man einen gemeinsamen Kurs, wo wir hinwollten und für die Menschen, die uns anvertraut waren, das Beste zu erreichen. „Wir konnten uns immer auf uns verlassen und haben die Gemeinsamkeiten gesehen“, konstatierte Bouffier.

Den Dienst und die Zuverlässigkeit der US-Veteranen im Blackhorse-Regiment an einem Hotspot des Kalten Krieges, den Zusammenhalt der Verbündeten,die Entschlossenheit und der Einheits-Geist der Thüringer und Hessen nahm Andrew D. Cecil in den Fokus. Nach Ansicht des Brigadegenerals der U.S. Army Europa und Afrika brauche es auch heute diese Eigenschaften, um den Bedrohungen des Friedens entgegenzustehen. Sein Dank ging an die Point Alpha Stiftung, die im Rahmen ihrer Bildungsarbeit Schüler und Studenten dazu befähige, über Historie nachzudenken, ein politisches Urteilsvermögen zu bilden, um dann als Teil einer Zivilgesellschaft Verantwortung für die Gestaltung des demokratischen Prozesses zu übernehmen.

Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung, verwies auf die historischen Meilensteine der Grenzöffnung vor 35 Jahren sowie auf das Grundgesetz, das in diesem Jahr 75. Geburtstag feierte und in dem die Gründungsväter den Auftrag zur Wiedervereinigung deutlich formuliert hatten. In einer Phase mit wirtschaftlichen Unwägbarkeiten und einer gespannten Stimmungslage, habe mit dem Prozess der Einheit zusätzlich eine schier unlösbare Aufgabe vor der Tür gestanden. Dennoch habe die Gesellschaft das Problem gemeistert. Daher mache der Blick in die Vergangenheit Mut und Hoffnung, dass sich am Ende auch für die gegenwärtigen Krisen Lösungen finden werden. Stock endete mit einem Zitat von Alfred Dregger: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Musikalisch umrahmt wurde der Festakt durch die Stadtkapelle Geisa unter der Leitung von Stephan Nimmich, die mit Stücken wie „Euregio-Hymnus“, dem Marsch „Die Sonne geht auf“ oder mit der Ballade „The Story“ souverän unterhielt.  +++ jessica auth

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen. Diskutieren kann man auf X oder Facebook