Ex-Botschafter Israels fordert Scholz zu Netanjahu-Kritik auf

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat den Bundeskanzler aufgefordert, Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur Achtung demokratischer Grundsätze zu ermahnen und die umstrittene Justizreform seiner rechts-religiösen Regierung deutlich zu kritisieren. „Wenn sich die liberale Ordnung zur Autokratie in Israel entwickelt, muss der Bundeskanzler eine Mahnung aussprechen. Er sollte keine rote Karte zeigen, aber eine gelbe. Macht Scholz das nicht, hat er seine Mission verfehlt“, sagte Stein dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ zum Treffen von Olaf Scholz und Netanjahu an diesem Donnerstag in Berlin.

Die Lage seines Landes beschreibt Stein, der von 2001 bis 2007 Botschafter in Deutschland war, in drastischen Worten: „Netanjahu hat eine Koalition zusammengestellt, die ihm helfen soll, eine Amtsenthebung wegen seines Korruptionsprozesses sowie eine Gefängnisstrafe zu umgehen. Das ist der einzige Gru  nd für diese Justizreform. Und an dieser Koalition, die zum Teil missionarisch und faschistisch ist und ihn erpressen kann, hängt Netanjahus Schicksal.“ Die Demokratie in Israel sei ohnehin brüchig und könne jetzt unterwandert werden, so Stein. „Sollten sich Netanjahu und sein Lager durchsetzen, wird Israel keine liberale Demokratie mehr sein.“ Die Spaltung des Landes habe Einfluss auf die Sicherheit. „Zeichen der Schwäche sind in dieser Region nie belohnt worden. Deshalb haben wir nicht nur innenpolitisch, sondern auch außen- und sicherheitspolitisch ein Problem.“ Der Diplomat setzt auf Druck von innen und von außen. Netanjahu könne sich dann gezwungen sehen, Neuwahlen auszurufen. Die Forderung israelischer Künstler nach einer Absage des Besuches unterstützte Stein nicht. Netanjahu sei immer noch der gewählte Premierminister Israels. „Es sollte aber ein Besuch unter echten Freunden werden“, sagte Stein. Dazu gehöre, dass Scholz seine Besorgnis über die Entwicklung in Israel klar zu  m Ausdruck bringe.

Heusgen fürchtet Demokratieabbau in Israel

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hat die rechtsreligiöse Regierung von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor dessen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz scharf kritisiert und vor einem Untergang der Demokratie in Israel gewarnt. Netanjahus nationalistische Rechtsregierung sei gerade dabei, mit ihrer umstrittenen Justizreform und jüdischem Siedlungsbau in Palästinensergebieten das Fundament eines jüdischen und demokratischen Staates zu zerstören, sagte Heusgen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ vor dem Treffen des Kanzlers mit Netanjahu an diesem Donnerstag in Berlin. „Wir haben immer geglaubt, dass Israel felsenfest auf diesem Fundament steht.“ Aber: „Die massive Ausweitung des jüdischen Siedlungsbaus zerstört jegliche Hoffnung auf eine Zweistaatenlösung, denn der den Palästinensern verbleibende Flickenteppich auf dem Westjordanland erlaubt keinen eigenständigen, zusammenhängenden St  aat mehr. Die Zweistaatenlösung ist praktisch tot“, sagte Heusgen. Aufgrund der Bevölkerungszusammensetzung werde die sich in der Praxis entwickelnde Einstaatenlösung ihren jüdischen Charakter nur noch dann erhalten, wenn die palästinensische Bevölkerung diskriminiert werde. „Damit würde sich Israel aber aus dem Kreis der demokratischen Staaten verabschieden, wofür die jetzt von der Knesset geplante Verabschiedung eines Gesetzes, mit dem das höchste Gericht dem Parlament untergeordnet und damit die Gewaltenteilung aufgehoben wird, ein weiteres trauriges Anzeichen ist“, sagte Heusgen. +++