EU-Rat bei Abschöpfung russischer Zinsgewinne noch unsicher

Estland will gesamte Vermögenswerte für Ukraine

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sind sich noch unsicher, ob und wie genau Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen für die Ukraine abgezweigt werden können. „Der Europäische Rat hat die Fortschritte hinsichtlich der nächsten konkreten Schritte überprüft, mit denen außerordentliche Einnahmen aus Russlands immobilisierten Vermögenswerten zugunsten der Ukraine umgelenkt werden sollen“, heißt es dazu kryptisch in einer schriftlichen Erklärung zur Halbzeit des Gipfels. Auch die Möglichkeit der Finanzierung von militärischer Unterstützung gehöre zu den denkbaren Verwendungen.

Der Rat wolle „die Arbeit an den jüngsten Vorschlägen des Hohen Vertreters und der Kommission voranbringen“, heiß es weiter. Im Klartext: Eine klare Strategie gibt es bis jetzt noch nicht. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuletzt klar für eine entsprechende Maßnahme ausgesprochen. Kritiker hatten aber rechtliche Bedenken angemeldet, ob Erträge einfach so abgeschöpft werden können, oder wie die Ukraine es fordert, auch das gesamte Vermögen selbst. So sind nicht nur staatliche russische Besitztümer eingefroren, sondern auch Werte von russischen Unternehmen und Privatpersonen. Die genauen Besitzverhältnisse sind dabei oft undurchsichtig.

Estland will gesamte Vermögenswerte für Ukraine

Estland will nicht nur die Zinserträge aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen, sondern die gesamten Vermögenswerte der Ukraine zur Finanzierung ihrer Verteidigung zur Verfügung stellen. „Die Erträge sind für uns nur ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Wir wollen aber auch die eingefrorenen Vermögenswerte selbst nutzen“, sagte Außenminister Margus Tsahkna dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Er kritisierte, dass EU-Staaten diese Gelder nicht anzurühren wagen. „Ich verstehe nicht, wie Politiker, die wiedergewählt werden wollen, das ihren Steuerzahlern erklären wollen.“ Rechtliche Bedenken, die zuvor andere Staaten geäußert hatten, wies der Außenminister zurück. „Ich bin überzeugt, dass es rechtlich möglich ist, auch das eingefrorene russische Vermögen der Ukraine zu geben.“ Das estnische Außenministerium habe einen entsprechenden Gesetzesentwurf erarbeitet und die estnische Verfassung sei beim Schutz von Privateigentum eine der konservativsten in Europa. „Was Europa jetzt fehlt, ist der politische Wille.“ Er verwies darauf, dass Russland Vermögenswerte in Milliardenhöhe in der Ukraine vernichte. „Es gibt den Grundsatz, dass der Aggressor für seine Taten zahlen muss“, sagte er. Zudem sprach er sich dafür aus, auch eingefrorene russische Privatvermögen an die Ukraine auszuzahlen. +++