DIW lobt Rentenpaket als „guten Schritt“

Kritik und Lob für Rentenpläne der Ampel

Rentenversicherung

DIW-Präsident Marcel Fratzscher hat das Rentenpaket als einen „guten Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt. „Es ist allerdings noch unzureichend, um den Anstieg der Altersarmut zu stoppen“, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“. „Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist die richtige Priorität. Die Erhöhung der Beitragssätze bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für Unternehmen und Beschäftigte, sollte aber für die meisten verkraftbar sein“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

„Die Koppelung der gesetzlichen Rente an die Entwicklung der Löhne – und nicht lediglich die Inflation – ist ein positives Element des Rentenpakets. Die Entscheidung, das Renteneintrittsalter nicht weiter zu erhöhen, ist nachvollziehbar. Allerdings muss das Renteneintrittsalter dringend flexibler werden, um mehr Menschen eine längere Tätigkeit zu ermöglichen, das Rentensystem zu entlasten und das Fachkräfteproblem etwas zu lindern“, so der DIW-Präsident. „Die größte Schwäche des Rentenpakets ist die unzureichende Absicherung gegen Altersarmut. Das Rentenpaket ist eine verpasste Chance, um die Grundrente zu stärken und auszuweiten“, fügte Fratzscher hinzu. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, stellt unterdessen die Vorausberechnungen der Bundesregierung zur Finanzierung des Rentenniveaus infrage. „Im Jahr 2035 bräuchte es bei einer Netto-Rendite – nach Abzug der Kreditkosten – des Generationenkapitals von drei Prozent 223 Milliarden Euro, um den von der Regierung prognostizierten Beitragssatz von gut 22 Prozent zu erreichen“, sagte Hüther der „Rheinischen Post“. „Dabei ist die Nettorendite von drei Prozent außerordentlich ambitioniert“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). „In diesem Jahr soll die Stiftung Generationenkapital 12,5 Milliarden Euro erhalten, bei gleichen Raten dann wären 2035 gerade mal 177 Milliarden Euro im Depot“, so Hüther.

Kritik und Lob für Rentenpläne der Ampel

Für die am Dienstag vorgestellten Rentenpläne erntet die Bundesregierung viel Kritik, aber auch etwas Lob. Kritisch äußerte sich unter anderem Ifo-Chef Clemens Fuest, der der „Rheinischen Post“ sagte: „Wenn die Politik Leistungen zusagt, sollte zugleich geklärt werden, wie diese Leistungen finanziert werden.“ Wenn die Politik einen erheblichen Anstieg der Beitragssätze oder der Steuerzuschüsse zur Rentenversicherung vermeiden wolle, „sollte sie die Lebensarbeitszeit verlängern, orientiert am Anstieg der Lebenserwartung“. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sieht im Rentenpaket II der Bundesregierung unterdessen ein neues Standortrisiko: „Der Kompromiss löst keines der Probleme, aber er schafft ein weiteres: Durch die Festsetzung des Rentenniveaus auf 48 Prozent wird die Last für die Beitrags- und die Steuerzahler immer höher“, sagte Grimm der „Rheinischen Post“. „Die Entscheidung ist immens teuer und geht zulasten der Beitragszahler oder der Steuerzahler.“ Letztlich gefährde man den Standort Deutschland durch eine solche Politik, die das Finanzierungsproblem der gesetzlichen Rentenversicherung „nicht wirksam adressiert“, sagte Grimm. „Die Spielräume im Haushalt werden durch die ständig steigenden Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung immer geringer, die Arbeitskosten in Deutschland durch die steigenden Beiträge zur Rentenversicherung immer höher“, so die Ökonomie-Professorin.

Der Sachverständigenrat schlage stattdessen die Koppelung des Renteneinstiegsalters an die fernere Lebenserwartung ab 2031, die Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors, die Koppelung der Rente an die Preisentwicklung statt an die Löhne sowie die Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit eignen Depots vor. „Außerdem sollte man die Rente ab 63 einschränken und die Witwenrente reformieren“, forderte Grimm. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor, die Kosten des demografischen Wandels „komplett auf die Beitragszahler abzuwälzen“. Den Rentnern werde das heutige Leistungsniveau garantiert, die Beiträge dagegen sollen dafür künftig „unbegrenzt steigen“ können, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online. „Das ist das Gegenteil einer generationengerechten Politik“, so Dulger weiter. „Insofern ist dieses Rentenpaket ein weiterer Baustein einer zukunftsvergessenen Sozialpolitik. Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sind.“ Was Deutschland stattdessen brauche, sei ein „neuer Agenda-2010-Moment“, damit das Land aus der Rezession herauskomme und langfristig den Wohlstand sichern könne. „Unser Sozialstaat muss dazu vom Kopf auf die Füße gestellt werden“, sagte Dulger. „Dazu gehören auch ehrliche Reformen in der Rentenpolitik: Langfristig das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus anheben und die abschlagsfreie Frührente für besonders langjährig Versicherte endlich abschaffen.“

Linken-Chef Martin Schirdewan nannte die Rentenpläne derweil „unanständig“. Dabei geht es ihm vor allem um die sogenannte Aktienrente: „Wenn Börsenspekulation ein solides Finanzierungsmodell wäre, könnte die Bundesregierung ja auch die Bundeswehr aus Aktienfonds finanzieren“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er finde den Plan sogar unanständig. „Mit Steuergeld spekuliert man nicht.“ Stattdessen plädiert Schirdewan für eine Rente, „die von allen gemeinsam getragen wird“. Es müsse Schluss damit sein, dass sich einzelne Berufsgruppen ganz und Menschen mit Spitzeneinkommen teilweise aus der Affäre ziehen. „Wenn die Rente solidarisch finanziert wird, können wir eine sichere Rente deutlich über dem aktuellen Niveau bieten“, so der Linken-Vorsitzende. Er sprach sich dafür aus, die Spekulation mit staatlichen Geldern für die Rente zu verbieten. „Das Verschieben von Rentengroschen an private Finanzhäuser muss verboten werden. Die Rente vom Zugriff privater Finanzkonzerne fernzuhalten bedeutet natürlich auch, die Riester-Rente in die gesetzliche Rente zurückzuholen“, so der Linken-Politiker.

Die Gewerkschaft Verdi sieht das Rentenpaket II ebenfalls als schlechten Kompromiss: Erfreulich sei, dass das Rentenniveau vorerst bis 2039 gesichert werde, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag. „Das kann aber nur ein erster Schritt sein – mittelfristig muss das Niveau weiter angehoben werden, um Altersarmut in größerem Umfang dauerhaft zu verhindern.“ Den geplanten Aufbau eines sogenannten „Generationenkapitals“ kritisierte der Gewerkschafter unterdessen scharf: Das sei auf lange Sicht „der Einstieg in den Ausstieg“ aus der umlagefinanzierten Altersrente – „eine absolute Fehlentwicklung“, so Werneke. „Stoppt die Zockerei mit unserer Rente“, fügte er hinzu. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, begrüßte die Stabilisierung des Rentenniveaus. Skeptisch sei und bleibe man aber beim sogenannten Generationenkapital, sagte Bentele dem Nachrichtenportal T-Online. „Damit zukünftig alle Menschen mit einem Rentenniveau von 53 Prozent abgesichert sind, braucht es mehr.“ Der VdK fordere eine Erwerbstätigenversicherung, eine höhere Beitragsbemessungsgrenze und eine überproportionale Beteiligung der Arbeitgeber an den Rentenbeiträgen. „Aber am Wichtigsten ist und bleibt für die Rente gute und gut bezahlte Arbeit“, so Bentele. Es brauche mehr Kitaplätze, damit Eltern in Vollzeit arbeiten könnten. „Auch ein Mindestlohn von mindestens 14 Euro könnte eine armutsfeste Rente ermöglichen.“

Scholz lehnt Anhebung des Renteneintrittsalters ab

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine Anhebung des Renteneintrittsalters kategorisch ab. „Mit mir gibt es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters und auch keine Änderung bei der Regelung zur Rente nach 45 Beitragsjahren“, sagte der Kanzler in einer neuen Folge seines Video-Podcasts, die am Dienstagnachmittag in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde. „Beides wäre nichts anderes als eine Rentenkürzung für alle. Und dafür bin ich nicht zu haben.“ Scholz kritisierte, dass von einigen Null-Runden für Rentner gefordert würden – obwohl die Löhne und die Preise im vergangenen Jahr so stark gestiegen seien, wie lange nicht. Oft werde dann behauptet, es ginge um „Generationengerechtigkeit“, dabei könnte nichts „generationenungerechter“ sein, „als denen, die ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet haben, den verdienten Ruhestand streitig zu machen“. Scholz warb in diesem Zusammenhang für das zweite Rentenpaket der Ampelkoalition: Damit stabilisiere man das Rentenniveau „langfristig“, indem man festschreibe, dass die Rente nicht unter ein bestimmtes Niveau absinken dürfe. Mit dem neuen „Generationenkapital“ leiste man zudem einen Beitrag, um die Rentenbeiträge stabil zu halten. „Auch das entlastet die jüngere Generation“, so der SPD-Politiker. Gleichzeitig unterstütze man jeden, „der sich im Rentenalter noch fit genug fühlt und Spaß daran hat, freiwillig weiterzuarbeiten“. Wer vorzeitig in Altersrente gehe, könne seine Rente beziehen und unbegrenzt hinzuverdienen. „Wie wir das noch attraktiver machen, freiwillig beruflich aktiv zu bleiben, darüber beraten wir gerade“, kündigte Scholz an. Es solle aber die „freie Entscheidung jedes Einzelnen“ bleiben, noch länger aktiv zu sein.

Kober mahnt zügige Umsetzung des Rentenpakets II an

Pascal Kober, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hat für das Rentenpaket II, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, ein zügiges parlamentarisches Verfahren angemahnt. Der „inhaltliche Widerstand“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe „bereits wichtige Zeit gekostet, die künftige Generationen für ihre Altersvorsorge schlichtweg nicht haben“, sagte er dem „Tagesspiegel“ zum geplanten „Generationenkapital“. Das Projekt dürfe im parlamentarischen Verfahren „nicht aus ideologischen Gründen weiter verzögert werden“. Auch müsse das Projekt so ausgestaltet werden, „dass es für weitere Schritte, wie individuelle Beitragszahlungen, offen bleibt“, sagte der FDP-Politiker. Mit der Einführung des „Generationenkapitals“ finde ein wichtiger und überfälliger Paradigmenwechsel statt, so Kober. „Das erste Mal seit Jahrzehnten wird der Herausforderung der Finanzierung der gesetzlichen Rente mit einem neuen Konzept begegnet. Ein wichtiges Umdenken, das nun auf Drängen der FDP in die Tat umgesetzt wird, denn ein einfaches Weiter-so wäre besonders für die nachfolgenden Generationen ohne immer weiter steigende Belastungen finanziell nicht zu stemmen.“ +++