Dialog ist das A und O der Entwicklung von Religion und Demokratie

Der frühere hr-Redaktionsleiter Meinhard Schmidt Degenhard moderierte eine spannende Akademie-Runde mit Dr. Frido Mann und Alexandra Mann unter dem Leitgedanken "Democracy will win". (v.l.)

Nobelpreisträger Thomas Mann prophezeite schon 1938 in einem Interview während der Überfahrt ins amerikanischen Exil: „Democracy will win“. Gemeint war, „wir müssen die Faschisten besiegen, sonst geht alles schief.“ „Demokratie muss gelingen“. Auf diese Formel bringt Prof. Frido Mann deshalb das berühmte Zitat seines Großvaters, das ihm selbst zum Leitgedanken und Titel eines seiner Bücher geworden ist. Was dazu „Religionen in einer Welt voller Spannungen, Krisen und Kriege für die Gesellschaft beitragen können“ beschrieb der erklärte Weltbürger zusammen mit Alexandra Mann, 1. Vorsitzende des Vereins „Weltkloster“, auf einem gemeinsamen Veranstaltungsabend der Katholischen Akademie des Bistums Fulda mit der „Friedrich-Naumann Stiftung für Freiheit“ und der „Karl-Hermann-Flach Stiftung.“ Im Gespräch mit dem früheren hr-Redaktionsleiter und Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard veranschaulichte der Theologe, Psychologe und Schriftsteller unter anderem am Beispiel der USA den Einfluss der Religion. Im Guten wie im Schlechten habe sie auf Amerikas Demokratie eingewirkt.

Mit Religion zur Demokratie

Scharfsinnig und engagiert trug der Psychologe, Theologe und Schriftsteller Dr. Frido Mann seine Gedanken vor. Fotos: Michhael Schwab

Und das, obwohl die Väter der amerikanischen Verfassung die Religion eigentlich ausklammern wollten. Denn sie hatten noch den englischen Bürgerkrieg, die Revolution unter Cromwell und den Puritanern sowie die erste Auswanderungswelle der auf der Mayflower geflohenen calvinistischen Pilgerväter vor Augen. Religion jedoch spielte in der US-Politik immer wieder eine Rolle, beispielsweise die  evangelikale Strömung unter dem früheren US-Präsidenten Trump. Selbst in der Ukraine offenbart sich aktuell der religiöse Einfluss oder besser gesagt Konflikt am Beispiel des Weihnachtsfestes. Immerhin konnten sich die verschiedenen orthodoxen Kirchen in der Ukraine auf den 24.12. als Feiertag verständigen, während die russlandtreue russisch-orthodoxe Kirche am Datum des 6.1. für das Hochfest festhielt.  Dennoch ist Frido Mann überzeugt, dass „wir nur über Religion und Spiritualität erfassen können, wie man zur Demokratie und nicht zur Diktatur kommt.“ Und: Der Dialog sei das A und O der Entwicklung von Religion und Demokratie. Damit griff er einen Gedanken der übrigens nicht mit ihm verwandten Religionswissenschaftlerin Alexandra Mann auf. Nachdrücklich hatte auch sie darauf verwiesen, dass „Religion Dialog, ja Verbundenheit ist.“

„Weltkloster“-Konzept

Durch Dialog trete man miteinander in Verbindung und trage Verantwortung. Diesem Geist fühlt sich der Verein „Weltkloster“ verpflichtet, der im baden-württembergischen Radolfzell zuhause ist. Alexandra Mann als Vorsitzende sowie Frido Mann als Schirmherr und weitere Beteiligte  versuchen vom Vereinssitz in einem ehemaligen Kloster aus das Augenmerk auf die „friedensstiftende Kraft des Dialogs zwischen Religionen und Kulturen auf der Ebene gemeinsamer innerer Erfahrung“ zu lenken. Klösterliche Tugenden wie ernsthaftes Studium, Achtsamkeit und Mitgefühl sollen hierbei leiten und als „Brücke zwischen den spirituellen Traditionen dienen“. So beschreibt der Verein selbst seine Zielsetzung. Aus dem festen Ort des interreligiösen Dialogs in Radolfzell, an dem Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionen unter einem Dach einander begegnen sollten, ist längst der Ausgangspunkt geworden, von dem aus das „Weltkloster“-Konzept in alle Welt hinausgetragen wird. Gerade erst war die Vereinsvorsitzende in einem Kloster in Österreich. Dort wie auch an anderen Orten arbeitet Alexandra Mann mit Vertretern des Buddhismus, des Islams, des Juden- und des Christentums zusammen, um auf Zeit, also in der Regel für fünf bis sieben Tage, gemeinsam „monastisch zu leben“. Zusammensein, das Gebet still teilen, aber auch „Dinge behutsam aufgreifen“ zählt zum Ziel ihrer Arbeit. Denn gerade „durch Erfahrung entwickelt man sich weiter, ohne die eigenen Wurzeln zu verlieren“, erläutert die Vereinsvorsitzende mit Blick auf eine besonderen Erfahrung, die sie mit einem Rabbiner während einer Meditation gemacht hatte.

Rückschlag

„Demokratie muss gelingen“, das sei kein „frommer Wunsch“, bekräftigte Frido Mann im Verlauf seines Vortrags. Der Zeitraum ab 1989 (deutsche Wiedervereinigung, Ende der Sowjetunion und des so genannten „Kalten Krieges“, Unabhängigkeit mittel- und osteuropäischer  Staaten) habe für eine positive Entwicklung gestanden. 2015 sei jedoch der „Rückschlag“ gekommen. Seine Vorstellung jetzt und für die Zukunft: In „Richtung einer gerechten Demokratie muss es gehen.“

Geistesschulung notwendig

Als Grund, warum Verschwörungstheorien bei manchen Wirkung  zeigen, führte Mann an, dass diese „Menschen noch nicht soweit sind.“ Da müsse noch viel an „Geistesschulung“ getan werden. „Jeder“, so seine Grundsatzposition, „muss an sich selbst arbeiten und seinen Geist schulen.“ Demokratie fange im Kleinsten an. Schon bei den Kindern sollte man beginnen, sind sich übrigens beide Referenten einig. Denn im Kindergarten könnten die Jüngsten lernen, sich frei zu äußern und früh Verantwortung zu tragen. Das wirke sich später positiv in der Schule aus, wie eine Studie inzwischen bewiese habe.

Herzlichkeit und Freundlichkeit

Religion, so Alexandra Mann, solle dem Einzelnen helfen, „innerlich stabil zu werden und Halt zu finden.“ Es komme darauf an, „wie wir den Wert der Religion deutlich machen können.“ Der liege darin, dass der Einzelne zu einer spirituellen Grundhaltung komme. Hierfür habe etwa der Buddhismus hilfreiche meditative Techniken. Für wichtig hält die Vereinsvorsitzende ferner, „zu üben, wie ich mich stark gegen Hass, Wut oder schlechte Nachrichten machen kann.“ Mit „Herzlichkeit und Freundlichkeit“ begegneten sich die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Religionen untereinander auf den „Weltkloster“-Treffen. Das zählt für Alexandra Mann zu den „immer wieder beeindruckenden“ Erfahrungen ihrer Vereinsarbeit.

Vertrauen

Für Frido Mann, der zeitweise Assistent des renommierten katholischen Theologen Karl Rahner gewesen war, bedeutet Glaube schließlich, „etwas für wahr halten und das Vertrauen, dass es so ist.“ Mehr, so meint der Theologe, könne „unser Verstand nicht fassen.“ Dem Einzelnen bleibe das höhere Ziel zu hoffen, „noch mehr Vertrauen zu gewinnen.“ Von „Schieflage“ spricht er allerdings, wenn Religion Angst statt Hoffnung vermittelte. Auf die Frage des Moderators, ob Demokratie ein spirituelles Projekt sei, sagte Mann, der Verein „Weltkloster“ stehe für Spiritualität. Durch Meditation könne der Einzelne zu sich selbst kommen, Authentizität und Empathie entwickeln. „Das sind die Werte, die Demokratie leisten muss.“ Diese Gedanken müssten solche Projekte wie „Weltkloster“ in die Gesellschaft hineintragen.

Einen wichtigen Impuls zur Diskussion habe der Abend mit Fragerunde jedenfalls geliefert, freute sich Akademiedirektor Gunter Geiger. +++ fdi/mb