Deutliche Kritik an Weidel nach „Sommerinterview“

Historiker Wagner kritisiert Weidel für "Geschichtsrevisionismus"

Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, hat Alice Weidel nach ihrem „Sommerinterview“ als „Opportunistin der schlimmsten Sorte“ bezeichnet. Noch vor Kurzem habe sie für den Parteiausschluss Björn Höckes votiert, tue aber mittlerweile so, als sei das nie passiert, sagte Winkel dem Nachrichtenportal T-Online. „Daran erkennt man nicht nur, dass Rechtsextremismus in der AfD machtpolitisch tonangebend geworden ist, sondern auch den schwachen Charakter Weidels.“

Diese hatte im ARD-Sommerinterview den Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland als „Niederlage des eigenen Landes“ bezeichnet, die sie nicht befeiern wolle. Im Gegensatz zu ihren Amtsvorgängern, die die Radikalisierung der Partei zwar nicht hätten aufhalten können, aber mit ihren Austritten persönliche Konsequenzen gezogen hätten, „steht bei Weidel der blanke Machterhalt über jedem Rest politischer Integrität oder persönlicher Verantwortung“, sagte Winkel. „Das macht Alice Weidel so gefährlich. Sie ist sozusagen der Franz von Papen für Arme.“ Der Grünen-Fraktionsvize und Innenpolitiker Konstantin von Notz kritisierte Weidels Aussagen ebenfalls deutlich. „Der Versuch, den Tag der Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur, die Deutschland in den absoluten Untergang geführt, systematisch das Menschheitsverbrechen der Shoa organisiert und Aber- und Abermillionen von Kriegstoten direkt zu verantworten hat, zu einem ‚Tag der Niederlage‘ umzudeklarieren, markiert einen weiteren Schritt der AfD in Richtung offener NS-Verherrlichung“, sagte von Notz dem Nachrichtenportal T-Online. „Die Partei wendet sich immer offener und aggressiver gegen die verfassungsrechtliche Ordnung unseres Landes.“

Historiker Wagner kritisiert Weidel für „Geschichtsrevisionismus“

Der Historiker und NS-Forscher Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, übt scharfe Kritik an der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel. „Das ist klassischer Geschichtsrevisionismus, wie wir ihn seit den 1950er-Jahren aus der extremen Rechten kennen“, sagte Wagner der „Welt“ (Dienstagausgabe). „Mit einem solchen Geschichtsbild zeigt man keinerlei Bereitschaft, sich gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland abzugrenzen und deutlich zu machen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus war. Weidel deutet ihn um in einen Tag der Niederlage.“ Weidel hatte am Sonntag im ARD-Sommerinterview gesagt, sie habe sich dagegen entschieden, „die Niederlage des eigenen Landes mit einer ehemaligen Besatzungsmacht zu befeiern“. Angesprochen worden war sie auf einen Empfang der russischen Botschaft am 9. Mai dieses Jahres, an dem AfD-Chef Tino Chrupalla teilgenommen hatte. „Weidel macht die Sowjetunion einseitig zur Besatzungsmacht und nimmt damit eine Schuldumkehr vor“, sagte Wagner. „Es hätte keine Besatzungsherrschaft gegeben, wenn Deutschland nicht den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätte.“ In Bezug auf Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, sagte Wagner: „Das ist dumpfer Nationalismus, pure Verharmlosung des Nationalsozialismus und geht sogar in die Richtung der Verleugnung von NS-Verbrechen. Die AfD hat zuletzt immer mehr die Fassade fallen lassen. Krah postuliert eine drastische Absage an alles, was wir in Deutschland an liberaler Erinnerungskultur haben. Wir erleben in der mühsam aufgebauten Erinnerungskultur einen Hangrutsch. Das macht mir große Sorgen.“ Krah hatte in einem Video gesagt: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“

Wissler kritisiert Weidels Geschichtsverständnis

Nach dem ARD-Sommerinterview kritisiert Linken-Chefin Janine Wissler AfD-Chefin Alice Weidel scharf. Es sage viel aus über das Geschichtsverständnis und die Beurteilung der NS-Zeit, wenn Weidel bei der Befreiung Deutschlands von den Nazis von einer Niederlage spreche, sagte Wissler dem Nachrichtenportal T-Online. „Das zeigt den Charakter der AfD und wie wichtig es ist, dass es eine Brandmauer gibt und keinerlei Zusammenarbeit.“ Wissler weiter: „Dass so etwas offen und unverhohlen gesagt werden kann, ist auch dem geschuldet, dass der Raum für rechte und menschenverachtende Positionen immer weiter geöffnet wird.“ Weidel hatte im im ARD-Sommerinterview den Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland als „Niederlage des eigenen Landes“ bezeichnet, die sie nicht befeiern wolle. +++

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