Bundesverfassungsgericht: Regelungen zur Datenanalyse bei der Polizei in Hessen und Hamburg verfassungswidrig

Die Regelungen zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten bei der Polizei in Hessen und Hamburg sind in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag in Karlsruhe. Die Vorschriften verstoßen demnach gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil sie keine „ausreichende Eingriffsschwelle“ enthalten.

Die beanstandeten Regelungen ermächtigten die Polizei, Daten „in begründeten Einzelfällen“ zur vorbeugenden Bekämpfung bestimmter Straftaten mittels automatisierter Anwendung im Rahmen einer Datenanalyse (Hessen) oder einer Datenauswertung (Hamburg) weiter zu verarbeiten. Dieser Eingriffsanlass bleibe angesichts der besonders daten- und methodenoffen formulierten Befugnisse „weit hinter der wegen des konkreten Eingriffsgewichts verfassungsrechtlich gebotenen Schwelle einer konkretisierten Gefahr zurück“, so die Karlsruher Richter. Auch wenn das Urteil nur für Hamburg und Hessen gilt, dürfte es Auswirkungen auf andere Bundesländer haben, die ebenfalls an der Einführung von Datenanalyse-Systemen arbeiten. Das Gesetz in Hessen gilt dem Urteil aus Karlsruhe zufolge bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 30. September 2023 mit einschränkender Maßgabe fort, während das Hamburger Gesetz für nichtig erklärt wurde (Urteil vom 16. Februar 2023 – 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20).

Mohrherr: Unbestreitbare Gesetze sind Grundlagen jedweder Polizeiarbeit

Die GdP Hessen fordert Polizeigesetze, die rechtlichen Bedenken wirksam begegnen und auch für die Polizeibeschäftigten anwendbar und durchsetzbar sind. Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur automatisierten Datenauswertung im hessischen Polizeigesetz (HSOG) entfaltet eine direkte Wirkung auf die rechtlichen Grundlagen der Polizeiarbeit, nicht nur in Hessen. Seit dem 1. Oktober 2020 bündelt und intensiviert beispielsweise die BAO FOKUS in Hessen (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sex. Missbrauch von Kindern) die polizeilichen Maßnahmen. In dieser Zeit wurden 2.947 Durchsuchungen durchgeführt, 41 Haftbefehle vollstreckt und 46.304 Datenträger (PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CD/DVD und mobile Endgeräte) sichergestellt. Geeignete Software ermöglicht die ermittlungsrelevante Datenauswertung in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Straftat. „Abgesehen von der Steigerung der Polizeiarbeit ist das auch praktizierter Opferschutz“, stellte der Gewerkschafter fest. „Wir haben die Zusammenarbeit zwischen Auswertern, Ermittlern und Operativkräften merklich und deutlich verbessert.“ „Bürgerinnen und Bürger wünschen sich genauso wie unsere Kolleginnen und Kollegen eine wirksame Polizeiarbeit“, sagte der hessische GdP – Chef Mohrherr am Rand einer Bundesvorstandsklausur in Hannover. Zuletzt wurde das Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessische Bereitschaftspolizei, das weitere HSOG-Änderungen und die Neuorganisation des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen regeln soll, nach ersten Beratungen heftig kritisiert und nicht verabschiedet. Wir erwarten vom Innenminister Peter Beuth, dass er zeitnah die Vorgaben des BVerfG in eine datenschutzkonforme Rechtsnorm überführt. +++

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