Bundesregierung kritisiert Chefankläger des IStGH

Experte: Deutschland müsste Haftbefehl gegen Netanyahu vollstrecken

Deutsch, Bundestag

Die Bundesregierung hat die zeitgleich beantragten Haftbefehle gegen Führer der Terror-Organisation Hamas und der Regierung Israels kritisiert. „Die Bundesregierung weist jeden Anschein von Vergleichbarkeit auf das Entschiedenste zurück“, sagte ein Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der „Bild“. Die Bundesregierung habe die Vorwürfe des Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes gegen und die Beantragung von Haftbefehlen gegen die Hamas zur Kenntnis genommen. „Angesichts der Gräueltaten des 7. Oktober, der andauernden Geiselhaft vieler Menschen und der ja weiterhin stattfindenden Angriffe der Hamas auf Israel ist dies nur folgerichtig“, so der Sprecher.

„Die Bundesregierung hat stets betont, dass Israel das Recht hat, sich im Einklang mit dem Völkerrecht gegen die mörderischen Angriffe der Hamas zu verteidigen“, ergänzte er zu den beantragten Haftbefehlen gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Galant. „Vor diesem Hintergrund wiegen die Vorwürfe des Chefanklägers schwer und müssen belegt werden. Deutschland geht davon aus, dass dabei maßgeblich berücksichtigt wird, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat mit einer starken, unabhängigen Justiz ist.“ Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Ahmad Khan, hatte die Beantragung der Haftbefehle am Montag öffentlich gemacht. Seiner Ansicht nach gebe es „hinreichende Anhaltspunkte“ für die Annahme, dass Netanjahu und Galant „strafrechtliche Verantwortung“ für „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ haben. Genannt werden unter anderem das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung, vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die vorsätzliche Verursachung großer Leiden, die vorsätzliche Tötung sowie Mord. In der gleichen Stellungnahme kündigte er auch an, Haftbefehle gegen Hamas-Vertreter zu beantragen. Darunter befinden sich Hamas-Anführer Yahya Sinwar sowie der Oberbefehlshaber des militärischen Flügels der Hamas, Mohammed Deif, und der Leiter des Politbüros der Hamas, Ismail Haniyya. Auch dieser Antrag wurde mit der strafrechtlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründet. Ob den Anträgen am Ende stattgegeben wird, ist noch unklar.

Experte: Deutschland müsste Haftbefehl gegen Netanyahu vollstrecken

Sollte der Haftbefehl gegen den israelischen Premier Benjamin Netanyahu erlassen werden, müsste ihn Deutschland nach Ansicht des Völkerrechtlers Kai Ambos etwa bei einem Staatsbesuch Netanyahus auch vollstrecken. „Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes zu vollstrecken“, sagte Ambos dem „Spiegel“ am Dienstag. Netanyahu müsse also festgenommen werden, sobald er deutschen Boden betritt. „Als der Internationale Strafgerichtshof vor gut einem Jahr den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erließ, kündigte der deutsche Justizminister Marco Buschmann umgehend an, Putin festnehmen zu lassen, wenn er deutschen Boden beträte“, so Ambos. „Und nun soll die sogenannte deutsche Staatsräson, ein rein politisches Konzept, das Völkerstrafrecht verdrängen?“ Sollte Deutschland dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müsste der Gerichtshof nach Ansicht des Experten eine Völkerrechtsverletzung Deutschlands feststellen. „Die Staatenversammlung des Internationalen Strafgerichtshofes könnte Sanktionen gegen Deutschland beschließen. Auch wenn letzteres unwahrscheinlich ist, darf Deutschland nicht einen Gerichtshof ignorieren, den es ganz maßgeblich mit ins Leben gerufen hat und der im Kern eine Konsequenz der Nürnberger Prozesse ist“, sagte Ambos, der an der Universität Göttingen Professor für nationales und internationales Strafrecht, Strafprozessrecht und Völkerrecht ist. „Die einzige Lösung wäre, Netanyahu nicht einzuladen und ihm davon abzuraten, nach Deutschland zu kommen. Ich gehe auch davon aus, dass er das verstehen würde“, so Ambos weiter. „Vertreter der Bundesregierung können ja trotzdem nach Israel reisen und Netanyahu dort zu Gesprächen treffen. Das tut die Regierung ja auch mit noch viel problematischeren Partnern und Diktatoren.“ Völkerrechtlich gesehen sei das unproblematisch.

Union kritisiert Internationalen Strafgerichtshof

Die Unionsfraktion im Bundestag übt scharfe Kritik am parallelen Vorgehen des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof gegen die Hamas und gegen Israel. „Haftbefehle gegen israelische Politiker und gegen Hamas-Terroristen gleichzeitig zu erlassen, wäre absurd“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der „Rheinischen Post“. „Es darf zu keiner Täter-Opfer-Umkehr kommen.“ Frei ergänzte: „Die Hintermänner des größten Verbrechens an Juden seit dem Holocaust müssen zur Verantwortung gezogen werden.“ Zugleich sei Israel verpflichtet, das Völkerrecht einzuhalten und bei jedem militärischen Einsatz zu prüfen, ob seine Mittel angemessen seien. „Auch sollte es seine Strategie in der Weltöffentlichkeit besser erklären.“ Der Antrag des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs zeige, „dass hier dringend nachgebessert werden muss“, sagte der CDU-Politiker. +++

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